Bewerbung beim direkten Mitbewerber von D.
T., Donnerstag, den 6. Dezember 2012:
Trotz allem hatte ich es noch lange nicht aufgegeben für mich doch noch eine meiner Qualifikation entsprechende neue Anstellung zu finden. Und so durchsuchte ich regelmäßig alle üblichen Stellenanzeigen in Österreich und Deutschland nach für mich passende Stellenausschreibungen in Tageszeitungen und Internetportalen. Am 11. November wurde ich wieder einmal in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung fündig. Dabei handelte es sich sogar um eine damals für mich wie zugeschnittene Stellenanzeige. Es ging dabei um die Position eines Gruppenleiters für eine neu aufzubauende Gruppe in der Tunnel- und Verkehrstechnik in Deutschland eines österreichischen Unternehmens. Zudem handelte es sich um ein mir sehr gut bekanntes Unternehmen. Ein Unternehmen, welches in einen sehr großen Baukonzern eingegliedert ist und auch in Deutschland bereits tätig war, jedoch hier noch keine eigene Gruppe etabliert hatte. Daher versprach ich mir doch einiges, kannte ich ja nicht nur die österreichischen Eigenheiten in der Branche, sondern nun auch noch die deutschen. Noch am gleichen Abend setzte ich mich daher an meinen Rechner um eine entsprechende Bewerbung zu erstellen und stellte diese auch gleich auf die für diesen Baukonzern übliche Bewerbungsplattform. Kaum zehn Tage später bekam ich auch schon Antwort auf meine Bewerbung und vereinbarte einen Termin für das Vorstellungsgespräch.
Am 6. Dezember war es dann soweit. Ich hatte mein Vorstellungsgespräch. Da es an diesem Tag doch etwas heftiger schneite, zumindest in Salzburg und Umgebung, beschloss ich nicht mit meinem Auto zu diesem Vorstellungsgespräch zu fahren, sondern entschied mich, mit dem Zug nach Salzburg zu fahren und vor dort aus mit dem Bus, diese Busverbindung kannte ich ja bestens, lag T. doch auf der Stecke meines täglichen Schulweges von U. nach Salzburg, als ich dort noch zur HTL ging, daher wusste ich auch genau, wo sich dieses Unternehmen befindet, nach T. zu fahren. So kam ich dann auch pünktlich am späteren Nachmittag um 15:30 Uhr in diesem Unternehmen an.
Kaum hatten wir mit dem Vorstellungsgespräch begonnen und uns etwas über allgemeine Angelegenheiten dieses Unternehmens unterhalten und uns etwas kennengelernt, persönlich kannte ich meinen Gesprächspartner, Herrn K., ja noch nicht, kamen wir auch schon auf mein Projekt, welches ich für Firma D. leitete, zu sprechen. Herr K. schien dieses Projekt sehr gut zu kennen und sich vielleicht sogar in seiner Vorbereitung für dieses Bewerbungsgespräch noch einmal damit beschäftigt zu haben, aber trotzdem fragte ich ihn der Höflichkeit halber,
„kennen Sie dieses Projekt vielleicht?“
Er antwortete mir darauf auch prompt,
„natürlich kenne ich dieses Projekt! Wir haben dafür auch ein Angebot ausgearbeitet, nur abgegeben haben wir nicht, denn bei denen hat man sowieso nie eine Chance!“
Nun wurde ich aber etwas neugierig und fragte nach, weshalb sie den trotzdem nicht abgegeben hatten, denn es waren ja lediglich zwei Bieter, welche ein Angebot abgaben, da hätte vielleicht doch eine Chance bestanden. Aber wie aus der Pistole geschossen entgegnete er mir,
„ Äh! Dieses Projekt ist maximal 6,5 Millionen Euro wert, aber beim ersten Durchrechnen sind wir auf weit über 10 Millionen Euro gekommen, da brauchst kein Angebot mehr abgeben, wenn Du keine näheren Informationen aus dem Projekt hast!“
Ich kannte natürlich eine der beiden Angebotssummen ganz genau, vom zweiten Angebot hatte ich auch in der Zeit, als ich bei D. arbeitete, die Summe zu hören bekommen, habe diese aber noch nicht genannt, weil ich in Erfahrung bringen wollte, wie mein Gesprächspartner darauf reagiert, wenn ich ihm diese beiden Summe nenne. Daher meinte ich zunächst lediglich, ich hätte dieses Projekt auf eine Summe von 7 Millionen Euro geschätzt, was natürlich bei meinem Gesprächspartner zunächst nicht gerade gut ankam. Aber dann hatte ich ihm erklärt, da ich, weil ich dieses Projekt ja selbst als Projektleiter für D. geleitet hatte, dieses nun sehr gut kenne und daher auch weiß, dieses Projekt hat, bedingt durch die aufwendige Umgehungsstraße, einen etwas höheren Anteil an Verkehrstechnik.
Mittlerweile hatte mein Gesprächspartner, Herr K., erkannt, ich kenne mich in der gesamten Materie, worüber es dabei geht, sehr gut aus und daher plauderten wir mehr über die zu besetzende Stelle, als dass dies einem üblichen Interview im Zuge eines Vorstellungsgespräch ähnelte. Bei dieser Plauderei hatte ich ihm dann auch die beiden anderen Summen der Angebote genannt, 8,7 Millionen Euro bei Firma D. und 9,7 Millionen Euro bei Firma O. – in diesem Zusammenhang spricht man immer über die jeweiligen Nettosummen. Zudem hatte ich ihm erzählt, Firma D. hatte aber eigentlich lediglich ein Nebenangebot gelegt, welches eigentlich, nach den Ausschreibungsunterlagen nicht gewertet hätte werden dürfen. Darauf meinte K.,
„na, dann hätten wir vielleicht doch abgeben sollen!“
Aber ich habe ihm dann auch noch erklärt, Vertreter des Auftraggebers hätten sich dermaßen für D. eingesetzt, sodass dieses Angebot schließlich doch gewertet wurde und D. deshalb auch den Auftrag erhielt. Worauf K. meinte,
„dies sieht denen auch ähnlich, denn die sind ärger als bei uns hier.“
Ich musste regelrecht lachen, als ich dies hörte, denn dies dachte ich mir auch bereits die längste Zeit.
Danach wollte K. noch von mir wissen, wie es denn bei diesem Auftrag mit Nachträgen aussah. Auch darauf konnte ich ihm im Detail Auskunft geben, hatte ich doch alle Nachträge selbst bearbeitet. Aber ich sagte ihm auch noch,
„naja, mit Nachträgen sieht es da nicht gerade üppig aus.“
Ich nannte ihm daraufhin die Summe der Nachtragsangebote, welche ich im Laufe dieses Projekt legte, welche sich auf 500.000 Euro belief. Er meinte dazu, dies wäre eigentlich auch im üblichen Maß. Aber dann erzählte ich ihm, bei diesem Projekt waren Nachträge von Seiten des Auftraggebers gar nicht gerne gesehen, denn der Auftrag wurde nach Auftragserteilung, teilweise pauschaliert und die Leistungsgruppen, die Titel, welche pauschaliert wurden, waren von Firma D. auch noch selbst vorgeschlagen worden. Daraufhin meinte K. ganz erschrocken,
„was! Aber das ich doch verboten!“
Ich wollte dem sogleich nicht ganz Folge leisten, denn dazu hatte ich in den gesamten Vertragsbedingungen keinen entsprechenden Hinweis gefunden. Aber da es sich bei diesem Projekt um ein Projekt handelt, welches oberhalb der Schwellenwerte für die Pflicht der EU weiten Ausschreibung handelt, wäre dies eigentlich verboten, denn nach EU Vergabeordnung sind alle wesentlichen Angebotsbedingungen schon während der Angebotsausarbeitung dem Bieter bekannt zu geben. Und ob ein Angebot pauschaliert wird, oder auch nur teilweise pauschaliert wird, ist wohl eines der wesentlichsten Bedingungen für die Ausarbeitung eines Angebotes, welche allerdings in diesem Fall in der Angebotsphase noch nicht bekannt waren. Er meinte darauf in etwa, dies wäre ein Wahnsinn, was die drehen. Aber so genau kann ich mich an seine Äußerung zu diesem Punkt nicht mehr erinnern, denn ich war mir nicht ganz sicher, ob ich hier nicht etwas zu viel erzählt hatte. Daher war ich vielleicht schon etwas beunruhigt und hatte dazu nicht mehr so genau auf mein Gegenüber geachtet.
Wir plauderten dann noch weiter über die allgemeinen Anforderungen, welche diese Stelle mit sich bringt, schließlich handelt es sich dabei ja um eine neu einzurichtende Gruppe eines österreichischen Unternehmens in Köln. Zudem hätte diese Stelle auch einen Wohnortwechsel für mich in Deutschland bedeutet, welchem ich allerdings auch nicht abgeneigt war. Da auch meine Gehaltsvorstellungen für diese Position keinesfalls auf Ablehnung stießen, war ich mittlerweile doch sehr zuversichtlich. Wie in solch einem Fall üblich wurde ich mit dem Hinweis, baldmöglichst eine Rückmeldung zu bekommen, da dies natürlich auch noch im Unternehmen besprochen werden muss, verabschiedet.
Kurz nach 17:30 Uhr war nun dieses Vorstellungsgespräch für mich zu Ende und ich ging wieder retour zur Haltestelle um mit dem Bus wieder nach Salzburg zu fahren. Mittlerweile schneite es doch äußerst heftig in der Umgebung von Salzburg und ich war richtig froh, nicht mit dem eigenen Auto unterwegs zu sein, auch wenn ich erst spät am Abend wieder in Wien zurück sein werde. Als ich dann im Bus nach Salzburg saß, hatte der Busfahrer das Radio angestellt, was eigentlich für ein öffentliches Verkehrsmittel unüblich ist. Aber der 6. Dezember 2012 war auch der Tag, an dem dieser große Finanzskandal in Salzburg aufflog. Daher wollte wohl der Fahrer darüber stets am Laufenden sein. Er unterhielt sich auch mit anderen Fahrgästen darüber und selbst war ich auch froh darüber, darüber während der Fahrt schon informiert zu sein, denn ging ich doch von 1984 bis 1990 in Salzburg zur Schule und hatte bis Ende September 2011 dort auch eine Wohnung. Daher hatte mich dies doch sehr interessiert. Schon auf der Hinfahrt nach T. hatte der Busfahrer ebenfalls das Radio angestellt, sodass ich vor der ersten Pressekonferenz an bereits bestens informiert war. Eigentlich musste ich darüber schmunzeln, denn ich war schon lange der Meinung, in Salzburg würde noch einmal ein größeres Ding auffliegen, aber dass dies gleich ein derartiger Finanzskandal sein würde, dies hätte ich nicht vermutet. An eine Aussage des Busfahrers während seiner Unterhaltung mit anderen Fahrgästen auf der Fahrt nach Salzburg kann ich mich noch besonders gut erinnern. Er meinte dabei, „mit uns wird das nun ganz anders werden.“ Was auch immer er damit meinen möchte, dachte ich mir, hier spricht wieder einmal ein besonders gescheiter Mensch, der alles anders, alles neu und dabei viel, viel besser machen würde.
Eigentlich wäre mein Vorstellungsgespräch so gut gelaufen, zumindest nach meiner Einschätzung, sodass ich voller Zuversicht sein könnte. Aber in der Welt der Organisierten ist eben alles ganz anders und daher nehme ich es vorweg, ich habe nie mehr von diesem Unternehmen etwas zu hören bekommen. Weder eine Nachfrage, noch eine Absage, auch keine Mitteilung über eine eventuelle Verzögerung in der Entscheidungsfindung. Aber ehrlich gesagt, wirklich traurig war ich danach auch nicht mehr. Denn, wie gesagt, ich kannte dieses Unternehmen bestens. Zudem waren mir, zwar nicht persönlich, aber dem Namen nach, sowohl der nunmehrige Geschäftsführer, als auch sein Vorgänger, damals noch in einem eigenständigen Unternehmen, dessen Vater bestens bekannt. Hatte ich doch in dem Ingenieurbüro in Salzburg, in welchem ich von 1999 bis 2003 tätig war, einen Arbeitskollegen, der einst Technischer Direktor eines großen Unternehmens vor dessen Schließung war, welcher bevor er mein Kollege wurde, eben bei diesem Unternehmen tätig war und mir sein Leid mit diesem Unternehmen, welches sogar bis vor Gericht ging, oft ausführlich geschildert. Zudem ist mir der Name dieser beiden Geschäftsführer, Vater und Sohn, bereits seit 1990 bekannt. Und dann kommt noch dazu, ich wusste, der nunmehrige Geschäftsführer war auch Geschäftsführer bei Firma D. nachdem dieser das Vorgängerunternehmen kaufte. Dort allerdings offensichtlich etwas unsanft aus dem Unternehmen entfernt wurde, dies scheinbar sogar durch D. selbst. Zu allerletzt wusste ich auch bereits, der Juniorchef steht auch im persönlichen Kontakt zu diesem seltsamen „verrückten Wirt“, welcher zudem seine Kneipe im nächstgelegenen größeren Ort hat. Hätte es problemlos geklappt mit meiner Anstellung in diesem Unternehmen, wäre mir dies alles egal gewesen, aber da ich nie mehr eine Rückmeldung bekam, war ich darüber nicht gerade traurig. Ich hätte lediglich gerne diesen Juniorchef dieses Unternehmens einmal persönlich kennengelernt. Aber dies blieb mir leider bis heute verwehrt.