Mondsee, Freitag, der 1. Dezember 2000:
Seit dieser Woche hatte ich endlich meinen Führerschein wieder. Und ich muss zugeben, ich hatte es an diesem tag gleich richtig ausgenützt, überall dorthin zu fahren, wohin ich früher auch immer wieder gefahren war, aber dann auch gleich wieder dort wegzufahren, ohne auf irgendjemanden angewiesen zu sein. Mich einfach in mein Auto setzen zu können und losfahren. Daher war ich auch an diesem Tag gleich wieder in meinem alten Heimatdorf.
Aber um dort nicht auf dumme Gedanken zu kommen, wollte ich am späteren Abend wieder zurück nach Hause, nach Salzburg, fahren. Dabei fuhr ich am Weg nach Salzburg durch Mondsee, und zwar direkt durch den Markt. Was ich auch früher ganz gerne getan hatte.
Doch als ich in Mondsee in der Herzog-Odilo-Straße an diesem Lokal „K.u.K.“ vorbeigekommen war, sah ich, wie zwei junge Frauen, welche „Silly“ und ihrer Freundin, welche ich in München am Oktoberfest gesehen hatte, äußerst ähnlich sahen, gerade dieses Lokal betraten, und ich fuhr direkt daran vorbei. Da dachte ich mir, scheiße, es geht am ersten Tag gleich wieder los. Denn einerseits hatte ich an diesem Tag überhaupt keine Lust mich darum zu kümmern, andererseits dachte ich mir, wenn es tatsächlich die beiden gewesen sind, und die Möglichkeit dafür bestünde ja durchaus, denn die Wintersaison hatte ja noch nicht begonnen, dann bräuchte ich nächstes Jahr erst gar nicht mehr hierher kommen. Denn sollten es tatsächlich die beiden gewesen sein, dann wäre die Möglichkeit äußerst hoch, dass auch sie mich gesehen hatten und davon ausgehen mussten, auch ich hätte sie gesehen und dies hätte ich als äußerst ungünstig angesehen, wenn ich dann nicht weiter darauf reagiere.
Daher wusste ich zunächst nicht, was ich nun tun sollte. Fuhr langsam weiter, bis ich dann doch auf der anderen Seite des Marktes wieder zurückfuhr und mir einen Parkplatz suchte, um nun auch dieses „´K.u.K.“ zu besuchen. Denn durch dieses Malheur wollte ich mich nun auch nicht gänzlich vertreiben lassen. Was auch immer mich nun erwarten würde.
Mein Auto wollte ich allerdings auch nicht gleich an der erst besten Stelle abstellen, sodass es vielleicht auch noch jeder sehen konnte, denn schließlich wusste ich, man hat es offenbar auf mich abgesehen und ich werde wohl nicht lange darauf warten müssen, bis ich das nächste Mal kontrolliert werde, wenn ich mit meinem Auto unterwegs bin. Daher dauerte es auch ein wenig, bis ich endlich in das Lokal kam.
Kaum war ich im Lokal, hatte ich mich erst einmal umgesehen, ob es tatsächlich die beiden wären. Doch da sah ich, es waren zwei andere junge Frauen, welche allerdings den beiden sehr ähnlich sahen. Weshalb ich erst einmal beruhigt war. Denn so ging dieses Theater wenigstens nicht gleich am ersten Tag gleich wieder los.
Also bestellte ich mir erst einmal ein kleines Bier. Denn, so hatte ich es mir nun vorgenommen, mehr als ein kleines Bier würde es nun nicht mehr geben, falls ich mit dem Auto unterwegs wäre. Danach gäbe es nur mehr Mineralwasser. Allerdings kann sich wohl niemand vorstellen, wie ich mich nun in diesem Lokal mit meinem kleinen Bier gefühlt hatte. Am liebsten hätte ich es einfach stehen gelassen und wäre wieder gegangen. Aber da müsste ich wohl durch, dachte ich mir und blieb im Lokal.
Danach sah ich mich erst einmal um, wer sich sonst noch in diesem Lokal befand. Wobei ich niemanden entdecke, den ich kannte und mit dem ich mich auch verstand. Denn bekannte Gesichter hatte ich sehr wohl entdeckt. Saßen doch diese beiden jungen Frauen direkt jenen jungen ortsansässigen Burschen, welche ich wegen „Silly“ den Sommer über am Hals hatte. Aber dabei stellte sich rasch heraus, dies schien wohl eher zufällig zustande gekommen zu sein. Denn kaum hatte ich zugesehen, wie diese Burschen nun auf diese beiden hübschen, jungen Frauen reagierten, stellte ich fest, die schienen sich wohl kaum zu kennen.
Ich konnte es zudem kaum fassen, was ich da nun zu sehen bekam. Stänkerten die Burschen doch die beiden nur an! Aber stänkern wahrsten Sinne des Wortes, wie dieses Wort in meiner alten Heimat gebraucht wurde. Nicht etwa dumm anmachen, doofe Sprüche von sich geben. Nein! Richtig anstänkern. Als könnten und wüssten sie mit den beiden nichts anzufangen und mochten sie auch nicht. Was ich nun überhaupt nicht verstehen konnte. Schließlich hatte ich die beiden zunächst nicht umsonst mit „Silly“ und ihrer Freundin verwechselt. Allerdings so ähnlich waren sie sich dann doch wieder nicht. Zumindest in ihrer Art.
Je länger ich dem zugesehen hatte, umso weniger konnte ich es fassen, was ich da nun zu sehen bekam. Ich schüttelte nur mehr den Kopf und dachte mir, was sind das bloß für primitive Typen! Denn ich hätte nun überhaupt keinen Grund gesehen, diese beiden jungen Frauen auch nur in irgendeiner Weise abzuweisen. Allerdings schien es auch nicht so, als würden sie die beiden abweisen, sondern sie wussten offenbar einfach nicht, was sie mit den beiden anfangen sollten. Auf ihr cooles, lässiges und martialisches Gehabe wollten die beiden offenbar überhaupt nicht ansprechen und etwas anderes schien ihnen einfach nicht einzufallen.
Ich dachte mir schon, unternimm nun bloß nichts, denn sonst geht alles gleich wieder von vorne los. Auch wenn das einfach nicht mehr mitanzusehen war. Aber das Schlimmste, was nun passieren könnte, wäre, dass irgendjemand auf die Idee käme, ich sei nur wegen diesen beiden jungen Frauen in diesem Lokal. Was ich ja auch war. Allerdings unabsichtlich.
Nun lehnte ich an der einen Seite zum Eingang an die Bar in dem Lokal, den an die bar selbst wollte ich mich nicht setzen, um nur ja auch nicht zu sehr in Erscheinung zu treten, und sah diesem Treiben an der anderen Seite der Bar zu. Alle paar Minuten stänkerte einer der beiden Hauptprotagonisten des Sommers die beiden Mädels an, welche sich danach schnell wieder angewidert abwandten. Alle paar Minuten dasselbe Spiel. Ich stand da und schüttelte nur mehr den Kopf.
Als sich dann mein kleines Bier im Glas zu Ende neigte, beschloss ich, noch schnell die Toilette aufzusuchen, um danach das Lokal wieder zu verlassen. Denn das wollte ich mir nicht mehr länger ansehen. Andere Bekannte hatten sich in der Zwischenzeit auch nicht eingefunden, daher gab es für mich auch keinen Grund mehr länger hier zu bleiben.
Doch kaum kam ich wieder aus der Toilette, gingen die beiden Mädels an mir vorbei, um das Lokal durch den Hintereingang zu verlassen. Da sagte ich zu den beiden,
„na? Ihr geht schon wieder?“
Worauf sich die beiden umdrehten und eine mir antwortete,
„ja! Das ist hier nichts für uns. Da gehören wir nicht dazu! – Das ist meist etwas schwierig!“
Worauf ich wohl etwas geschmunzelt haben musste und darauf etwas sagte wie, danach hat es auch ausgesehen. Und die eine der beiden weitersagte,
„ein anderes Mal! – Ist besser!“
Worauf ich noch mehr schmunzeln musste, mich von den beiden verabschiedete und wieder zurück an meinen Platz ging.
Doch dabei kam ich auch genau an jenen vorbei, bei welche die beiden gerade noch an der Bar saßen. Den Protagonisten aus dem Sommer, die auch zu den „Insidern“ in diesem Lokal gehörten. Da hörte ich, wie er Mann im Umfeld der beiden meinte,
„ist er eh schon wieder da, der! – Und wir hätten schon gedacht, dass er nun genug hätte!“
Dabei wäre mir vorgekommen, es wäre die Stimme des „verrückten Wirtes“ gewesen. Doch den hatte ich bisher noch nicht entdeckt. Weshalb ich auch gleich, als ich wieder auf meinem Platz war, nachgesehen habe, ob er nicht doch irgendwo in dieser Traube von Personen direkt am Anfang der Bar steckt. Aber ich hatte ihn nirgends gesehen.
Es ging also schon wieder los! Nur wegen einer kleinen Bemerkung. Noch dazu regelrecht aus einem Reflex heraus. Was wäre da nun schon wieder los gewesen, hätte ich auch nur irgendetwas getan!
Aber gerade einer, wie der „verrückte Wirt“, dürfte den beiden Protagonisten des Sommers wohl an diesem Abend gefehlt haben, um ihnen zu helfen. Denn gibt es doch viele, welche sich gerne gerade um den Barchef DER In-Kneipte der ganzen Umgebung gerne scharen, um auch dann im Sommer von ihm persönlich in seinem Lokal begrüßt zu werden. Da laufen dann auch manche Mädels nicht einfach davon, wenn sie nicht wissen, wie sie mit ihnen umgehen sollen und ihr sonst so primitives Gehabe sie nicht weiterbringt. Wäre das doch DEREN Freund. Wobei ich der Meinung war, die beiden Mädels hätten auch darauf nicht reagiert.
Nun blieb mir allerdings nichts anderes übrig, als mich doch noch ein Mineralwasser zu bestellen. Denn hätte ich auch nun sofort das Lokal verlassen, so befürchtete ich, hätte dies vielleicht so ausgesehen, als wäre ich doch wegen diesen beiden Mädels im Lokal gewesen. Sie vielleicht sogar kennen. Aber dem war überhaupt nicht so. Die beiden hatte ich zuvor noch nie gesehen.
Aber auch in Mondsee ging es mir längst so, dass ich eben gewisse Leute einfach nie mehr sah. Und gerade in meinem Alter kannte ich doch auch hier beinahe jeden. Ging ich doch hier vier Jahre in die Schule und auch danach, als ich in Salzburg die HTL besuchte, kannte ich zumindest vom Sehen so gut wie alle in meinem Alter. Auch wenn wir völlig verschiedene Schulen besuchten. Denn schließlich fuhr ich jeden Morgen mit dem Bus über Mondsee nach Salzburg, und viele Möglichkeiten wo anders zur Schule zu gehen, gibt es nicht.
Mein Mineralwasser hatte ich dann aber schnell ausgetrunken. Zahlte und verließ das Lokal.
Am Heimweg nach Salzburg dachte ich mir dann, von nun an werde ich mich bis Ende April ganz aus Mondsee fernhalten. Sodass es auch überhaupt nichts mehr geben kann. Dann haben sie Zeit dazu, mit „Silly“ im Winter herumzutun. Denn da sah ich ohnedies keine Chance, auch nur irgendwie ehrauszufinden, wo sie im Winter arbeitet. Ich wusste nur, irgendwo in Flachau. Weshalb ich mich auch im Winter beim Schifahren ganz auf Flachauwinkel und Zauchensee beschränken wollte. Nicht einmal nach Kleinarl rüber und schon gar nicht in Flachau selbst, wie ich dies bisher des Öfteren tat. Denn da könnte wieder jemand auf die Idee kommen, ich wäre wegen „Silly“ unterwegs. Erst ab Ende April wollte ich mich in Mondsee wieder blicken lassen und sollte dann immer noch keine Ruhe sein, dann lasse ich es eben. Denn etwas wie letzten Sommer wollte ich mir nicht noch einmal antun. Hatte ich doch deshalb auch meinen Führerschein verloren und das wäre es wohl überhaupt nicht wert!
(2023-05-15)