Endersbach, Freitag, der 29. Jänner 2010:
Als ich am Morgen beim Frühstück im Saal der Gaststätte meiner Vermieterin saß, überlegte ich, wie denn nun die Bezahlung dieses Appartements erfolgen werde, welches ich nun im 2. Obergeschoß des Hauses dieses Hotels hatte. Denn einen Mietvertrag hatte ich nicht. Das war einfach eine mündliche Vereinbarung. Zudem erzählte mir meine Vermieterin als ich mir dieses Appartement angesehen hatte, dass Herr D. die Kosten dafür übernehmen werde. Was ich allerdings gar nicht wollte. Weshalb ich eigentlich extra mit ihm an meinem zweiten Arbeitstag gesprochen hatte, damit er mir, wenn schon, dann lediglich die Hälfte davon bezahlt. Denn ich wollte deshalb nicht auch noch ihm gegenüber in einer Art Schuld stehen. Aber alleine die Begründung von Alfred D. dafür, mir die Kosten für die Unterkunft zu übernehmen, leichter könnte er mir keine Gehaltserhöhung geben, dies, nachdem ich gerade mal einen, den ersten Arbeitstag hinter mir hatte, fand ich mehr als seltsam. Aber nun hatte er mir schon das Zimmer in der ersten Woche, entgegen unserem Gespräch am zweiten Arbeitstag, vollständig bezahlt. Daher war ich gespannt, wie das nun, nachdem das Monatsende meines ersten Monats gekommen war, ablaufen würde.
Während des Frühstücks hatte Frau L. darüber kein einziges Wort fallen lassen. Wir hatten immer wieder nur über Allgemeines gesprochen, wenn sie zu mir an den Tisch gekommen war. Aber als ich dann aufbrechen wollte und dazu ansetzen wollte, mit ihr über die Bezahlung meines Appartements zu sprechen, meinte sie mir zuvorkommend,
„die Rechnung für das Zimmer ist schon bezahlt! – Wenn sie das wissen wollen. Herr D. hat sich die Rechnung schon geholt!“
Nun war ich doch etwas überrascht. Denn wenn die Rechnung schon bezahlt sein soll, dann müsste Herr D., falls er tatsächlich die Rechnung selbst abgeholt hatte, was ich ihm durchaus zugetraut hatte, wenngleich er sie einfach mitgenommen haben würde, da er ohnedies sehr häufig mittags in der Gaststätte speist, dann musste dies schon einige Tage her gewesen sein. Und das hätte mir Frau L. durchaus sagen können. Hatte ich ihr doch noch eindringlich erklärt, dass mir dies gar nicht recht wäre, wenn Herr D. diese Kosten für mich übernehmen möchte. Aber irgendwie war dies auch zu erwarten. Warum auch immer. Herr D. wollte einfach für mich diese Kosten übernehmen.
Allerdings wollte ich mich deshalb nun trotzdem nicht in eine Verbindlichkeit Herrn D. gegenüber begeben, daher hatte ich es einfach zur Kenntnis genommen. Mitgeteilt hatte ich es allen Beteiligten, dass dies nicht notwendig wäre und mir auch nicht recht wäre. Möchte sich Herr D. diesbezüglich aufdrängen und meine Vermieterin unterstützt in dabei auch noch, dann soll er das einfach tun. Ich fühlte mich deshalb nun allerdings keinesfalls in einer Schuld. – Oder vielleicht war es auch einfach ein schlechtes Gewissen, das Herrn D. geplagt hat. Aber das glaube ich kaum. Denn diesbezüglich hat Herr D. kein Gewissen.
Zudem war es mir nun mittlerweile auch schon ganz recht, wenn ich hier für dieses Appartement selbst nichts zu bezahlen hatte. Denn mittlerweile hatte ich drei Wohnsitze und alle zur Miete! Daher hätte ich nun mit mindestens einer meiner beiden Wohnungen in Österreich etwas unternehmen müssen. Worüber ich auch schon seit Wochen gegrübelt hatte, was und welche Wohnung ich nun aufgeben sollte.
Ich gebe jedem recht, der meint, in einer Situation, gerade in der finanziellen Situation, in welcher ich mich aktuell befand, wäre es das Erste, was es gelte zu tun – mindestens eine der drei Wohnungen sofort wegzugeben. Aber welche?
Eigentlich hätte ich, wenn dieser Arbeitsplatz nur halbwegs gepasst hätte, sofort beide Wohnungen in Österreich abgegeben und wäre ganz hierhergezogen. Das wäre auch eigentlich mein Plan gewesen. Auch wenn dies bedeutet hätte, diese „Abschiebung“ nach Deutschland, nach Baden-Württemberg, hierher in das Umland von Stuttgart, hätte für meine „Freunde“ Erfolg gehabt. Selbst dies wäre mir völlig egal gewesen. Dazu war ich über meine letzten Jahre in Österreich viel zu verärgert.
Aber da hier so gut wie gar nichts passte, schon die Bewerbung so äußerst seltsam verlaufen war. So gut wie nichts davon stimmte, was mir bei der Bewerbung über dieses Unternehmen des Herrn D. erzählt wurde. Dass das Unternehmen keinesfalls so viele Aufträge hätte, sodass es gar nicht mehr wüsste, wie sie diese alle bearbeiten sollte. Sondern in Wirklichkeit ein einziger Auftrag, diese Tunnelgruppe Annweiler, an welcher nun beinahe die gesamte Belegschaft des Unternehmens arbeitete, vorhanden war. Zudem Herr D., wie ich schon selbst miterleben musste, mit äußerster Vorsicht zu genießen gewesen ist. Ich mich hier beinahe wie eingesperrt vorgekommen bin, der rund um die Uhr beobachtet wird, schied diese Variante, ganz hierher zu ziehen sofort wieder aus! Auch nicht, wenn ich hier eine kostengünstige richtige Wohnung gefunden hätte. Dafür war mir das Risiko hier zu stranden einfach viel zu hoch. Zudem hätte dann auch durchaus die Gefahr bestanden, dass ich irgendwann einmal tatsächlich durchdrehen könnte.
Das Wesentliches war hingegen, dass ich hier nun schon wieder mit dem gleichen Theater konfrontiert war, mit welchem ich schon seit Sommer 2003, als ich bei VA Tech in Salzburg zu arbeiten begonnen hatte, konfrontiert war: Ich sollte irgendetwas „werden“. Wobei es nun darum ging, Herrn D.‘s Nachfolger zu werden. Jedoch war nun klar, es handelt sich dabei nicht etwa nur um ein Gerücht, welches irgendjemand in die Welt gesetzt hatte. Denn ist stand doch bei meinem Vorstellungsgespräch mit Herrn D. selbst vor diesem Schild, welches er zu seinem vierzigjährigen Firmenjubiläum erhalten hatte und er mich fragte, er mir erzählte, nun einen Nachfolger zu suchen und er mich danach fragte, ob dies nichts für mich wäre!
Dabei spielte sich nun allerdings genau das Gleiche ab, was ich schon seit Sommer 2003 kannte. Dies somit für mich auch eine Bestätigung war, dass es sich damals eben auch nicht nur um ein Gerücht handelte, was irgendjemand einfach in die Welt gesetzt hatte, sondern ganz bewusst von Personen in die Welt gesetzt wurde, die genau wussten, welche Auswirkungen dies auf ich haben würde!
Somit kam es für mich gar nicht erst mehr in Frage, darüber nachzudenken, ob ich nicht etwa ganz hierherziehen würde. Denn aus Salzburg wusste ich, dort würde ich nie mehr eine Chance haben, jemals wieder ein halbwegs normales Leben führen zu können!
So bleib bisher nur mehr die Frage, welche Wohnung ich in Österreich weggeben sollte.
Betrachtete ich lediglich die Mietkosten, so wäre die Wohnung in Salzburg sofort ausgeschieden. Aber da waren nun noch die zusätzlichen Fahrtkosten, wenn ich von nun an wöchentlich von Wien hierher pendeln würde. Daher sah dies gleich wieder ganz anders aus. Jedoch hätte ich in Salzburg kaum mehr eine Chance gesehen, jemals dieses Theater, welches man mir bereitet hatte, aus meinem Leben wieder hinauszubringen und zu einem normalen Leben zurückzukehren. Daher schied die Wohnung in Salzburg gleich wieder aus. Jedoch fürchtete ich die nun sehr lange Reisedauer von Wien nach Endersbach. Denn wollte ich diese Strecke eigentlich vornehmlich mit der Bahn zurücklegen, so musste ich bis Wien mit einer Fahrzeit von siebeneinhalb Stunden reine Fahrzeit mit der Bahn rechnen. In Summe musste ich mit einer Fahrzeit von bis zu zehn Stunden rechnen! Und gerade diese lange Fahrzeit fürchtete ich regelrecht. Da waren die viereinhalb Stunden reine Zugfahrt bis Salzburg schon viel angenehmer. Daher wusste ich eigentlich nicht was ich tun sollte. Egal wie lange und oft ich darüber nachdachte.
Dazu kommt noch, wenn man es mit solchen Leuten, wie meinen „Freunden“, zu tun hat, dann ist es mehr als ungeschickt, etwas einfach aufzugeben. Einen größeren Gefallen kann man ihnen gar nicht machen. Nützen sie doch beinahe alles aus, um es als ihren Erfolg darzustellen. Daher hatte ich mich bisher noch zu keiner Entscheidung, welche Wohnung in Österreich ich nun weggeben werde, durchringen können.
Nun, da allerdings Herr D. die Kosten für mein Appartement hier in Endersbach übernommen hatte, sah dies plötzlich ganz anders aus. Denn ich hatte nun keine Kosten mehr für diesen dritten Wohnsitz, hier in Deutschland. Daher habe ich mich kurzerhand einfach dazu entschlossen, vorläufig einfach alles beim Alten zu belassen. Denn, ehrlich gesagt, hatte ich immer noch gehofft, in Wien eine neue Arbeit zu finden – die dann allerdings auch passt – und ich dann vielleicht doch noch in Wien endlich zur Ruhe in meinem Leben kommen könnte. Da hätte mir dann auch ein gelegentliches Zurückkehren nach Salzburg, wenn auch nicht mehr wöchentlich, ganz gut gefallen.
Mag sein, dass dies nicht besonders klug war. Gerade in meiner finanziellen Situation, in welcher ich mich aktuell, allerdings eigentlich bereits seit einigen Jahren, befunden hatte. – Als dumm würde ich es allerdings auch nicht gerade ansehen. Schließlich kann so eine Entscheidung sehr schnell viel größere negative Folgen haben, als man dadurch Erleichterungen hat. Denn mit meinen „Freunden“ ist eben nichts einfach nach logischen und vernünftigen Gesichtspunkten zu betrachten. – Im Nachhinein muss ich sogar sagen, es war genau die richtige Entscheidung!
Denn, ich bleib noch gut eineinhalb Jahre in Salzburg und musste dabei feststellen, ich hätte niemals mehr eine Chance gehabt, in Salzburg, irgendwo in Umgebung meiner alten Heimat, meinem alten Heimatdorf, jemals noch ein halbwegs normales Leben zu führen. So hatte ich die am eigenen Leib feststellen können und ich muss nicht auf Spekulationen zurückgreifen.
Daher hatte es mir nun auch ganz gut in den Kram gepasst, wenn Herr D. die Kosten für mein Appartement übernommen hatte. Aus welchen Gesichtspunkten auch immer, die mir mittlerweile zudem auch völlig egal gewesen sind.
(2022-01-29)