Wien, Montag, der 28. September 2009:
Ich hatte mir nun angewöhnt, alle zwei Wochen zumindest wochentags, in Wien zu verbringen. So musste ich weder die Post umleiten, wobei ich dabei Probleme gesehen hätte, hätte davon das AMS erfahren, noch andere Maßnahmen ergreifen, um nicht an einem der beiden Wohnsitze etwas zu übersehen, wodurch ich vielleicht in noch größere Probleme geraten könnte. Allerdings musste ich dadurch alle zwei Wochen nach Wien fahren, ohne vielleicht wirklich einen Grund zu haben. Einen Termin für ein Vorstellungsgespräch, oder dergleichen.
So war ich auch für diese Woche am Sonntagabend nach Wien gefahren, wie ich dies zuvor schon immer getan hatte, als ich noch in einem aktiven Beschäftigungsverhältnis war – und dort auch wirklich arbeitete. Allerdings hatte ich dann in Wien, in meiner kleinen Ein-Zimmer-Wohnung in Alterlaa, nicht viel zu tun. Denn, Laptop hatte ich zu dieser Zeit noch keinen. So stand mein Rechner in der Zeit, in welcher ich in Wien war, unbenützt in Salzburg. Und auch bei meinen Bewerbungen ging nichts weiter. Allerdings alles in allem betrachtet, schien mir dies derzeit der beste Weg zu sein – und letztendlich war er es auch.
Denn, wenn man schon 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr solch ein Theater um die Ohren hat, dann tut eine Abwechslung, auch wenn es dabei um das Gleiche geht, richtig gut. Einfach nur, weil man es doch mit anderen Personen in einer anderen Umgebung zu tun hat.
So nutzte ich diesen Abend auch, um wieder einmal abends in die Innenstadt zu fahren. Dort ging ich zwar zunächst immer noch in das übliche Lokal „1516“. Hielt mich dort nun allerdings meist nicht mehr so lange auf. Denn zu dieser Zeit war dieses „feiern“, sobald ich eine Absage bei einer Beerbung erhalten hatte, oder diese regelrechten Tumulte, welche um meine Person entstanden waren, hatte ich mich wieder einmal in einem Unternehmen beworben, wo es zunächst so ausgesehen hatte, als hätte ich tatsächlich auch eine Chance, den ausgeschriebenen Job zu erhalten, in diesem Lokal besonders heftig.
Danach besuchte ich nu meist dieses neue Lokal „Stadtboden“ in der Krugerstraße. Wobei ich dort allerdings aufgrund fehlender Gäste meist alleine an der Bar stand und mich deshalb auch mit den Bediensteten etwas unterhalten konnte. Aber auch dort blieb ich meist nicht lange. Wie auch an diesem Abend.
Zudem hatte ich mir in letzter Zeit angewöhnt, nun auch ganz andere Lokale aufzusuchen. Denn immer dieselben Leute in denselben Lokalen, das war mir mittlerweile auch zu viel. Zudem war es mir nun, da ich ohnedies nicht mehr daran dachte, dass mein Versuch, in Wien ein neues Leben beginnen zu können, auch von Erfolg gekrönt sein könnte, egal, wenn sich dieses Theater um meine Person auch in anderen Lokalen ausbreitet. Ich wollte wenigstens auch noch etwas sehen, wenn ich nun schon in Deutschland einen völligen Neustart in meinem Leben versuchen wollte.
So ging ich in letzter Zeit immer wieder einmal im Anschluss an die vorigen Lokale in die „Loos Bar“ im Kärtner Durchgang in der Innenstadt. Auch schon in der Zeit, als ich noch für dieses Immobilienentwicklungsunternehmen gearbeitet hatte. Dort war es hin und wieder auch einmal richtig angenehm. Fast schon wie früher, Ende der 1990er Jahre in Salzburg. Hatte dort durchaus angenehme Leute kennengelernt und mich mit ihnen auch gut unterhalten können.
Doch seit Mitte Juli, als dieser anfängliche Schwung gegen dieses Unwesen, als ich Ende Juni meine Kündigung erhalten hatte, sie regelrecht niederzurennen, wieder zu Ende war und ich alleine dieser nun aufgehetzten Masse gegenüberstand, alles ganz anders. Es war einfach deutlich zu spüren. Keine Rede mehr davon, dort neue Leute kennenzulernen etc. Aber trotzdem war es dort immer noch deutlich angenehmer als in den Lokalen zuvor.
Als in an diesem Abend gegen elf Uhr am das Lokal betreten hatte, war für mich als erstes, als sich die Tür hinter mir geschlossen hatte, ein lauter und deutlicher, unangenehmer Lacher vom Ende der Bar des ohnedies sehr kleinen Lokals zu hören. Was mich schon etwas aufhorchen ließ. Denn so schlimm war es bisher noch nicht gewesen, als ich dieses Lokal betreten hatte, und ich vermutete – zurecht, wie sich bald herausstellen würde – damit wäre ich gemeint. Denn als nächstes hörte ich von einer Frau aus einer Gruppe, welche eben am Ende der Bar saß, mit deutlicher und lachender Stimme,
„ich frag‘ mich, was der da tut!“
Danach stieß eine weitere Frau am Ende der Bar folgendes aus:
„Da Faymann! (sic.) – Der wird…“
Worauf zu sehen war, wie alle zusammen, auch diese beiden Frauen, welche ich zuvor schon wahrgenommen hatte, die Köpfe zusammensteckten und nun nicht mehr so laut und deutlich gesprochen wurde, wie zuvor. Daher konnte ich nicht mehr hören, worum es nun im Gespräch ging. Allerdings schien es immer noch um mich zu gehen.
Denn dann meinte jene Frau, welche ich als erstes schon zu hören bekommen hatte,
„daher frag‘ ich mich auch, was der da tut! Der hat überhaupt keine Chance mehr! – Nirgends!“
Dann folgten abwertende Blicke und der Kellner nahm danach lächelnd, allerdings widerwillig, meine Bestellung auf. So stand ich nun da und wusste nicht recht, ob ich nicht besser gleich wieder gehen sollte. Denn dies hatte nun jeder im Lokal mitbekommen. Wobei das Lokal auch gut besucht war. Weshalb auch nicht anzunehmen war, dass sich an diesem Abend noch irgendjemand mit mir unterhalten würde. Was dann auch so war. Obwohl ich bis nach Mitternacht geblieben bin.
Aber, schon am letzten Freitag hatte ich in meinem alten Heimatdorf doch etwas zu hören bekommen, bei dem es um Faymann ging. Daher, es sah so aus, als schien da tatsächlich etwas dran zu sein. Denn wie schnell Personen, mit welchen man zum Beispiel in der Arbeit zu tun hat, auch schnell mit Spitzenpolitikern zu tun haben, das hatte ich doch erst vor drei Jahren eindrucksvoll miterleben müssen. Zudem, es war gerade mal gut ein Jahr aus, als ich feststellen musste, auch Jörg Haider wusste, wer ich bin!
(2021-11-17)