Bukarest, Wien, Donnerstag, der 6. November 2008:
Richtig zufrieden war Daniel H., als wir an diesem Tag, wieder mit dem Taxi, vom Hotel zur Baustelle nach Chitila fuhren. Warum auch immer. Es dürfte ihm allerdings große Freude bereitet haben, uns, auch wenn ich Stjepan M. nicht in Schutz nehmen will, aus dem Projekt auf diese Art hinauszudrängen. Wirklich unglücklich war ich aber darüber auch nicht mehr. Denn auf diese Art und Weise mit „Kollegen“ zusammenzuarbeiten, das wäre auch nur mühsam und brächte nichts. Vielleicht war es daher auch besser so.
Aber auf der Baustelle war der neue „Bauleiter“ an diesem Tag gar nicht mehr zu entdecken. Wobei an diesem Tag Baubesprechung gewesen wäre, an welcher, so würde ich mir dies eigentlich vorstellen, teilnehmen sollte. Aber, wo auch immer er gewesen sein mag, er war einfach nicht anwesend.
Auch Mark-J. P., der nun das Projekt in der Ausführung von Daniel H. übernehmen soll, verspätete sich. Weshalb die Baubesprechung mit dem GU und dem Rest der Projektbeteiligten ohne ihn begonnen hatte. Wir, Stjepan M und ich, waren zwar auch auf der Baustelle. Doch an der Baubesprechung durften wir nicht teilnehmen. Daniel H. wollte daran allerdings auch nicht teilnehmen. Denn er hatte Wichtigeres zu tun. Er hatte eine Besprechung mit dem Geschäftsführer jenes Unternehmens, welches bereits in diesem Logistik Gebäudes bereits eingemietet und auch nun Haupteigner des Gebäudes, da es bereits verkauf wurde, war.
Freudestrahlend kam dann allerdings auch noch Mark-J. P. Als hätte er nun regelrecht einen Triumph eingefahren. Aber, man wird ja sehen, wie sich dieses Projekt weiterentwickeln würde.
So verbrachten Stjepan M. und ich den Tag auf der Baustelle und wussten nicht recht, was wir hier noch zu tun hätten. Es war, als wollte man noch jedem zeigen, dass wir beide nun nicht mehr bei diesem Projekt zuständig wären!
Am frühen Nachmittag kam dann endlich Daniel H. wieder von seiner Besprechung zurück. Denn mit ihm sollten wir beide, und auch Mark-J. P., dann ins Büro in der Stadt fahren. Zumindest bis vor die Tür. Denn von dort sollte es dann mit einem Taxi zum Flughafen und zurück nach Wien gehen. Die beiden blieben noch einen weiteren Tag in Bukarest. Wofür Daniel H. mit dem Geschäftsführer des neuen Eigentümers vereinbart hatte, dass wir alle zusammen mit ihm in die Stadt fahren. In dessen nagelneuen schwarzen Porsche SUV. Vorbei an Bewohnern der Gegend in Chitila, die noch mit dem Pferdewagen umherfahren. Wie es eben dem Bild, welches einem damals von Rumänien vermittelt worden war, entsprach. Ein Land, chaotisch, unterentwickelt, mit vielen armen Menschen, wobei einige wenige Superreiche das Sagen haben. So sah es nun auch aus.
Dazu brachte Daniel H. auch noch das Fußballspiel vom Vorabend, welches auch ich mir in der Lobby des Hotels angesehen hatte, zur Sprache. Was auch sonst. Fußball geht immer. Wobei er allerdings nicht unerwähnt lassen wollte, dass der Eigentümer des rumänischen Fußballclubs, welcher am Vorabend gegen Olympique Lyon gespielt hatte, Steaua Bucharest, ein Mann namens Gigi Becani sei. Einem ehemaligen Schafshirte im Umland von Bukarest, der in der Zeit des Kommunismus in Rumänien enteignet wurde, nach der Revolution 1990 allerdings sein Land zurückerhalten hatte und nun schwer reich wäre. Welcher zudem auch nur kurze Zeit zuvor in das europäische Parlament eingezogen ist. Als Superreicher würde er nun sein Leben so richtig genießen. Und was Daniel H. an ihm besonders gut gefallen würde, im Internet hätte er von gerade jenem ein Video entdeckt, in welchem er seine nagelneuen Maybach mit einem Vorschlaghammer vor dessen Anhänger völlig demolieren würde. Worüber er sich nicht nur köstlich amüsiert hatte, sondern ihm dies richtig Freude bereitete. Aber genau das schien Daniel H., aber auch Mark-J. P., zu gefallen. Das scheint deren Welt zu sein. Sie auch noch stolz davon zu berichten wussten, dass eben dieser Gigi Becani, wenn er seinen nagelneuen Maybach nicht gerade mit einem Vorschlaghammer demolieren würde, diesen völlig unbewacht und auch unversperrt überall stehen lassen könnte, denn dessen Anhänger würden darauf aufpassen, dass ihm nichts gestohlen wird. Dieser verstünde es, wie die Welt funktionieren würde. – Mir blieb dieses Gespräch einfach in Erinnerung. Denn auch der Geschäftsführer, mit welchem wir gerade unterwegs waren, schien dies einfach als gegeben anzusehen. Als ob es einfach so sei und gar nicht anders sein könnte.
Ich war richtig froh, als ich am Abend endlich wieder zu Hause in Wien war. Diesmal auch nicht verspätet, wie die Woche zuvor. Sodass ich auch noch Zeit hatte, am Abend in die Innenstadt zu fahren. Zwar aus keinem besonderen Grund. Aber trotzdem nicht ohne aufzupassen, was sich nun wieder, nach diesem, für mich, neuerlichen Generalangriff gegen mich, denn Stjepan M. war ohnedies froh, nicht mehr länger nach Bukarest fliegen zu müssen und schien daher nur darüber erleichtert zu sein, wie sich dies nun entwickelt hatte, abspielen würde. Doch dabei hatte sich wieder einmal gezeigt, dafür müssen die entsprechenden Informationen erst weitergegeben werden. Denn von sich aus gelangt nichts in diese Kreise, sodass sich gänzlich unbeteiligte Personen darüber freuen könnten, deshalb regelrecht Feiern abhalten, um ihren Triumpf zu genießen. Denn darüber, was sich in den nun abgelaufenen Tagen abspielte, war kaum etwas zu hören. Aber vielleicht war es einfach nur Genugtuung, welche sie empfanden und es mittlerweile ohnedies als etwas Selbstverständliches angesehen haben, weshalb mir nichts Besonderes in Erinnerung blieb.
Erst als ich, nachdem ich in diesem Lokal „1516“ war, in diese amerikanische Bar in der Krugerstraße wechselte, um mich mit „dem Mohren von Wien“ zu unterhalten, war etwas aufzunehmen. Denn da meinte eine junge Frau aus einer kleinen Gruppe, als ich an der Bar stand,
„das finde ich auch gut, wenn die da untern den als den verrückten Wirt bezeichnen! – Das passt zu dem!“
Worüber sich alle aus der Gruppe köstlich amüsierten. Mir zudem auch gleich klar war, wer damit gemeint war. Denn schließlich saß ich am Mittwochabend ja stundenlang in der Lobby des Hotels und hatte miterlebt, wie dort über diesen Wirt in Mondsee gesprochen wurde. Auch ich fand es mehr als passend, diesen als den „verrückten Wirt“ zu bezeichnen.
Allerdings fand ich des doch bemerkenswert, wie schnell dies wieder einmal von Bukarest bis Wien gelangt war. Und, offensichtlich schien ich auch in Bukarest nicht gerade unbemerkt gewesen zu sein. Als wollte man mir nun mitteilen, dass auch dies längst wieder aufgenommen wurde.
(2021-08-28)