“Wir wollen ein neues sozialistisches System aufbauen”
Der Arbeitsplatz des im August 2010 gefeuerten Kollegen in der Konstruktion blieb nicht lange leer. Schon Anfang September war ein neuer Kollege eingestellt worden. Ich hatte ihn zu Beginn nur kurz kennengelernt, dann war ich drei Wochen im Urlaub. Kaum aus dem Urlaub retour, arbeitete er dann auch schon für mich. Seine Aufgabe war es, die handschriftlich eingetragenen Korrekturen in den Schaltplänen bei der Montage auf CAD nachzuführen – die Erstellung der Revisionspläne, der Montagekorrekturen, der As Built Pläne, oder wie man sie auch bezeichnen mag. Siggi K., der Weinbauer, war mit der Lese seines Trollingers beschäftig, Andy A., der Stasi-Mann, nahm sich Urlaub um bei hiesigen Obstbauern auszuhelfen, natürlich nicht unentgeltlich, so blieb in der Konstruktion für diese Arbeiten lediglich der neue Kollege übrig. Und ich muss ehrlich gestehen, es war ein richtig angenehmes Arbeiten mit ihm. Er bekam von mir seine Aufgabe zugeteilt, erledigte diese, bei Rückfragen kam er selbständig auf mich zu, sobald er seine Arbeit erledigt hatte, kam er wieder, fragte sogar selbst nach, ob denn nicht dies und das auch noch bearbeitet werden sollte, so ging dies Tag für Tag dahin. Nebenbei immer wieder einmal ein kleiner Plausch – genau wie es sein sollte. Der Mann war auch vom Fach. Zuvor arbeitete er in einem Unternehmen für Steuerungstechnik in der näheren Umgebung, jedoch aus familiären Gründen wollte er lieber näher zu seinem Wohnort arbeiten. Daher hatte kam er eben in das Unternehmen von D.
Eines dürfte ihm allerdings schon zu Beginn aufgefallen sein, oder man hatte es ihm in meiner Abwesenheit während meines Urlaubs mitgeteilt, ich sei wohl nicht ihr „Wunschkandidat“ in diesem Unternehmen, um dies einmal so zu bezeichnen. Daher wirkte er meist etwas zurückhaltend mir gegenüber, was ich allerdings auch durchaus nachvollziehen konnte, kannte ich doch mittlerweile diese Raubtiertruppe um nicht von einem Zirkus zu sprechen. Aber da ich nun mal Projektleiter dieses einen großen Projektes war, kam dies wohl auch ihm etwas seltsam vor, daher legte sich seine Zurückhaltung dann doch immer wieder, obwohl er in dieser Zeit gerade von Markus E. sehr genau unter die Lupe genommen wurde. Gerade von ihm! In einem normalen Unternehmen wirft man ihn mit hohem Bogen aus dem Unternehmen und baut sich ein gut funktionierendes Team auf und wickelt damit ein Projekt nach dem anderen erfolgreich ab, aber eben nicht bei Firma D. hier gelten andere Regeln. Und auch nicht nur bei Firma D., diese Regeln, später sollte sich dies tatsächlich als „Neues System“ herausstellen, kannte ich schon seit zehn Jahren.
Nun wurde dieser neue Kollege von Markus E., dem Bereichsleiter anfangs genauestens kontrolliert. Später, als Siggi K. mit seiner Weinlese fertig war und er wieder regelmäßig arbeiten kam, auch von ihm. Und ganz besonders von Andy A., dem Stasi-Mann, als dieser aus dem Urlaub und seiner Nebentätigkeit als Erntehelfer der hiesigen Obstbauern retour kam.
Eines Tages, es war bereits Anfang 2011 und wir arbeiteten bereits an der Planung für den zweiten Abschnitt dieses Projektes, verschwanden Markus E., der Bereichsleiter, und Andy A., nachdem sie sich zuvor verabredeten, im Büro der Konstruktion. Markus E. meinte noch, als sie zur Tür hinein gingen, „nun werden wir den neuen Kollegen, da er sich bewährt hat, einmal einführen in ihre Gepflogenheiten.“ Der Kollege in der Konstruktion saß zuvor alleine im Büro, denn es war bereits Nachmittag und Siggi K., der ja nur halbtags beschäftigt ist, war schon nach Hause gegangen. Nun meinten wohl beide, ich würde nicht mitbekommen, worüber sie nun mit dem Kollegen in der Konstruktion sprechen wollen. Doch mein Büro lag ja gleich daneben und ein normal gesprochenes Wort konnte man selbst bei geschlossenen Türen durch die Wände verstehen. Die Tür zu meinem Büro stand jedoch offen und die Tür zur Konstruktion war lediglich eine Glastüre. Eine Türe, wie man sie sonst vielleicht in einem Wohnzimmer einbauen würde, hier war sie allerdings die Eingangstür in das Konstruktionsbüro. Also konnte ich beinahe jedes Wort mit verfolgen. Nach kurzer Einleitung durch Markus E. begann Andy A. und meinte, „wir wollen hier ein neues sozialistisches System aufbauen, aber ohne diesen politischen Sch…“ Nun, das war nicht zum ersten Male, da ich dies zu hören bekam. Allerdings hatte Andy A. dem neuen Kollegen auch noch erklärt, wie sie ihr neues System aufbauen wollen und welche Rolle ich ihn ihrem neuen sozialistischen System spiele. Nachdem er mich darstellte, als wäre ich ohnedies das Letzte auf dieser Welt, erklärte er ihm, ich sei es, den es wegzubringen gelte, denn ich sei genau das Gegenteil dessen, was sie in ihrer Gemeinschaft haben wollten. Na gut, das hatte ich mir auch schon lange so gedacht, aber so direkt hatte ich es noch nicht zuhören bekommen.
Aber da gibt es eines. Seit 2001 weiß ich, welche Rolle ich in diesem „ihren neuen System“ spiele! Und so baut man eben kein sozialistisches System auf, sondern ein faschistisches. Dazu gibt es auch ein sehr bekanntes Experiment, worüber auch ein Film gedreht wurde. Es handelt sich dabei um den Film „Die Welle“, oder im englischen Original „The Wave“. Ein Film über ein tatsächlich durchgeführtes Experiment an einem College in Palo Alto in Kalifornien, welches darstellt, wie man ein faschistisches System aufbaut. Und, vor allem, wie leicht dies funktioniert! Man kann mich zwar nicht direkt mit diesem Jungen, mit welchem in diesem Experiment dieses System aufgebaut wird, vergleichen, allerdings die Methode ist völlig identisch! Also, so baut man kein sozialistisches System auf, so baut man ein faschistisches System auf! Und dies erklärt ein Mann, welcher mir noch direkt bestätigen wird, dass er von der Stasi stammt, meinem neuen Kollegen in der Konstruktion, direkt neben meinem Büro. Und ich erlebe dies auch noch hautnah mit, da ich durch diese „Leichtbauweise“ des Firmengebäudes alles laut und deutlich durch die Wände und Türen mit verfolgen kann. Zudem erklärte Andy A. auch noch, mich als ihr Feindbild anzusehen, dass sei ihr Haupterkennungszeichen, sodass jeder sofort weiß, ob er bei ihnen dabei ist, oder nicht! Das hatte mich allerdings nun richtig überrascht, denn dies hatte ich zuvor zwar schon vermutet, aber nun bekam ich es direkt zu hören. Ich sein also ihr Haupterkennungszeichen, also der Code, wie sie sich untereinander gegenseitig erkennen sollten!
Als sie dann das Gespräch beendet hatten, kamen alle drei zur Tür heraus. Da meinte Andy A. noch ergänzend zu diesem Kollegen der Konstruktion, „Du darfst aber nie sagen, weshalb Du gegen ihn bist, dann kann Dir auch nie etwas geschehen.“Andy A., der Stasi-Mann, ging an meiner Bürotür vorbei und warf mir dabei einen Blick zu, wobei ich mir nur mehr dachte, so sieht wohl Hass aus, wenn er aus Überzeugung kommt!
Dazu muss ich allerdings eines anmerken. Wenn ein Stasi-Mann mir gegenüber Hass empfindet, habe ich damit überhaupt kein Problem. Dazu habe ich mich schon viel zu sehr mit der Geschichte der DDR beschäftigt, als dass ich deshalb bedenken hätte. Auch wenn er selbst , durch sein Alter, kaum an den Aktivitäten der Stasi in der DDR Zeit beteiligt war, jemand der sich dazu bekennt und dieses System auch noch für gut empfindet, der kann mir erzählen was er will, ich werde ihm niemals glauben, er würde nicht Gleiches tun, was in der DDR geschehen ist. Er kann mir auch niemals glaubhaft versichern, er würde nun versuchen, alles gut zu machen, wie ich dies von anderen schon öfters zu hören bekam!
Nun kannte ich also diese Methode, welche hier mir gegenüber angewendet wird und meine Rolle in diesem System bereits seit 2001. In diesem Sommer lief eines sonntags Nachmittag eben der Film „Die Welle“. Schon als ich dies in der Programmvorschau sah, war ich etwas überrascht, dass nun dieser Film einfach im Fernsehen zu sehen sein wird. Denn, als ich diesen Film das erste Mal im Fernsehen sah, es war Anfang der 1980er Jahre, auch an einem Sonntag Nachmittag, gab es doch unzählige Diskussionen darüber, ob denn dieser Film überhaupt einfach frei im Fernsehen gezeigt werden soll. Zeigt er doch, wie unvorstellbar einfach ein faschistisches System aufgebaut werden kann. Zudem kann ich mich auch noch gut an die Diskussion nach diesem Film in der damaligen Jugendsendung „Okay“ erinnern, als im Anschluss an diesen Film noch darüber fast eine Stunde lang diskutiert wurde. Nun, an diesem, ich glaube es war an einem Sonntag Nachmittag im Juli 2001 lief dieser Film einfach im Fernsehen. Ich sah ihn mir natürlich an. YouTube und dergleichen gab es noch nicht und ich war schon damals an solchen Phänomenen höchst interessiert. Also nützte ich die Gelegenheit um diesen Film zu sehen. Aber als ich so vor dem Fernseher lag und mir diesen Film ansah, wurde mir schon etwas mulmig, konnte ich mich doch in diesem Film beinahe wiedererkennen. Kaum war der Film zu Ende, zog ich mir Klamotten an und ging in das Dorfzentrum. Ich war an jenem Tag in meinem Elternhaus in jenem Dorf im Salzkammergut an einem großen See gelegen, in welchem ich aufgewachsen bin. Dort wohnte ich zwar nicht mehr, doch war ich immer noch regelmäßig zu Besuch bei meiner Mutter. Und so sah ich eben diesen Film in meinem Zimmer, welches ich immer noch in meinem Elternhaus hatte.
So ging ich also nach diesem Film ins Dorfzentrum. Zu dieser Zeit gab es dort eine Schirmbar eines Weinlokals, fast mitten am Dorfplatz, wo sich eben die Dorfbewohner und die Gäste im Sommer regelmäßig trafen. Dies war damals noch sehr angenehm, war die Dorfbevölkerung doch gut durchmischt und gerade in den Sommermonaten mit vielen Zweitwohnungsbesitzern aus den näheren und ferneren größeren Städten auch gut ergänzt, sodass sich immer eine angenehme Gesellschaft ergab aus der man sich regelmäßig an dieser Schirmbar im Sommer am Dorfplatz traf.
Kaum war ich an der Schirmbar angekommen, standen bereits mein Bruder und dessen Lebensgefährtin dort. Ich hatte sie noch nicht einmal begrüßen können, da meinte sie, Claudia Z., zu meinem Bruder,
„jetzt gerade lief der Film über das, was wir hier tun mit ihm im Fernsehen! Hat er den gesehen?“
Darauf mein Bruder, mein Verhältnis zu ihm war damals bereits sehr getrübt,
„ja, aber das hilft ihm auch nichts.“
Darauf sie wieder,
„ja schon, aber dann kennt er, was wir tun mit ihm“.
Dann wieder mein Bruder,
„deshalb kann er aber auch nicht machen.“
Und dann meinte doch glatt Claudia Z. darauf,
„aber das ist Wiederbetätigung!“
Ich muss dazu ergänzen, Claudia Z. ist Mitglied der Ortsgruppe der SPÖ in diesem Dorf und mein Bruder saß damals sogar für die SPÖ im Gemeinderat! – Das ergibt eigentlich überhaupt keinen Sinn! Oder man könnte auch meinen, dies wäre ein Widerspruch! – Ist es aber nicht!
Durchdenkt man sich dieses System allerdings, so ergibt dies sehr wohl einen Sinn und ist kein Widerspruch! Zudem kamen damals die meisten der Hauptakteure, welche sich gegen mich stark zu machen begannen, aus dem politisch eher rechts gerichteten Lager. Allen voran der sogenannte „verrückte Wirt“!
Ab diesem Zeitpunkt war mir allerdings klar, wo eigentlich mein Problem liegt! Nun hatte ich es noch einmal direkt von einem Arbeitskollegen zu hören bekommen. Noch dazu von jemandem, welcher sich mir später eindeutig als Stasi-Mann zu erkennen gab.
Was mich allerdings daran wirklich berührt ist, sie wissen ganz genau, was sie tun, haben aber dabei überhaupt keine Skrupel!