Ein Gewitter zieht auf
Kurz vor der Verkehrssperrung und den somit startenden Arbeiten vor Ort hatte ich das Projekt wieder halbwegs zum Laufen gebracht. Die Planung war abgeschlossen, all die Pläne wurden in den vielen Planläufen vom Ingenieurbüro geprüft und auch freigegeben, in der Werkstätte wurden bereits die Schaltanlagen gefertigt, so hatte ich mit um die Verträge mit den vielen Nachunternehmern und um die Bestellungen für das Material für die Baustelle zu kümmern. Meist wurde es dabei bis spät am Abend. Mir war dies allerdings egal, denn mir blieb doch auch gar nichts anderen übrig, als meine Arbeit zu erledigen. Jemand anderer würde es nicht für mich tun, also was sollte es. Und dies trotz all dem Störfeuer, welches mir von allen Seiten entgegen schoss. Und natürlich auch von D. selbst. Ich ärgerte mich auch gar nicht mehr darüber, denn dies würde mir ohnedies nichts bringen und nur auf Kosten meiner Nerven gehen. Trotzdem konnte ich es nicht verstehen, denn hatte D. doch nun in mir jemanden, welcher ihm dieses Projekt abwickelte und es auch zu einem Erfolg führen konnte. Zudem konnte ich ihm auch noch die für ihn so wichtige Beschleunigungsvergütung sichern, indem wir dieses Projekt auch tatsächlich zu dem dafür notwendigen Termin fertig stellen.
Und dafür war natürlich auch die Erstellung des Terminplans für die Arbeiten vor Ort notwendig. Eines späteren Nachmittags saß ich wieder an diesem Terminplan, um die Arbeiten auch so einzuteilen, damit wir den vorgesehenen Fertigstellungstermin einhalten konnten. Da kam, wieder einmal, D. an meinen Arbeitsplatz. Meine Kollegin war, wie immer bereits längst nach Hause gegangen, da setzte sich D. mir gegenüber an den Arbeitsplatz, an dem sonst meine Kollegin saß. Eigentlich kam er fast jeden Tag um diese Zeit und ich hätte ihn eigentlich schon erwarten können. Denn er hatte immer mit mir etwas zu besprechen und zudem, er wollte sich immer wieder erkundigen, wie es denn aussehe. Wollte er doch unbedingt sicher gehen, dass wir diese Beschleunigungsvergütung erhalten. Manchmal setzte er sich aber auch nur an den Tisch gegenüber, um mit mir über eigentlich völlig Belangloses zu reden. Unvergessen waren dabei seine Ausführungen über die „Wirksumme“ in rostfreiem Edelstahl.
An diesem Tag kam er aber zu mir und begann über die Verteilungen in diesen Nischen in der Tunnelwand zu reden. Hinter diesen Verkleidungen befinden sich nämlich noch Unterverteilungen, welche erst nach Öffnung der Nischenverkleidung, ausgeführt als Edelstahltüre, sichtbar werden. Dies ergibt somit eine Situation, als wäre ein Schrank in einem anderen eingebaut. Und hier besteht natürlich die Gefahr, dass sich die Türe des inneren Schrankes nicht wie gewünscht öffnen lässt, da hier der Rahmen des äußeren Schrankes im Weg steht. Und genau darüber wollte er mit mir an diesem Tag sprechen. Ich hatte ihm zwar sofort erklärt, dies hätte ich auch längst bedacht und auch kontrolliert, ob die Öffnung des inneren Schrankes auch tatsächlich möglich ist. Aber D. begann immer wieder darüber zu sprechen, er wollte einfach nicht mehr aufhören. Doch jedes Mal, wenn ich im Gespräch mit D. zum Fenster hinaus sah, merkte ich, eine Gewitterfront rückt immer näher und näher. Doch D. begann immer wieder von vorne. Ja er begann diese Situation selbst auf ein Blatt Papier auszuzeichnen um mir dies noch viel, viel näher zeigen zu können. Und die Gewitterfront rückte immer näher. Der Himmel wurde schon ganz schwarz. D. hörte aber immer noch nicht auf. Doch als ich dann das Fenster schließen musste, da es zu regnen begann, sprang D. plötzlich auf und ging, als wäre sowieso alles kein Problem. Nun saß ich an meinem Arbeitsplatz, eigentlich wollte ich schon längst nach Hause, bzw. in meine Unterkunft, ein Heim konnte man ja mein Apartment nicht nennen, gehen und hatte das Problem, es regnete derart heftig, sodass ich binnen kürzester Zeit vollkommen nass wäre. Regenschirm hatte ich keinen dabei, Regenjacke auch keine, denn es war ja bis vor kurzer Zeit noch ein schöner Sommertag. Um weiter zu Arbeiten hatte ich aber überhaupt keine Lust mehr, denn alleine dieses Gespräch mit D. nervte mich dermaßen, sodass ich einfach nicht mehr wollte.
Nun wurde mir aber auch klar, warum sich D. an meinen Platz gegenüber setzte. Er selbst hatte das Gewitter herannahen gesehen, wusste auch, ich sei immer zu Fuß unterwegs, hatte ich doch lediglich vielleicht 10 Minuten Fußweg von meiner Unterkunft zur Firma. Ich dachte mir noch, D. ist wirklich nichts zu blöd. Selbst eine herannahende Gewitterfront nützt er aus, um mich zu nerven. Mir war dies allerdings dann egal. Packte meine Sachen zusammen und ging in meine Unterkunft. Kaum war ich nur wenige Meter von der Firma entfernt, kam mir auch schon D. mit seinem Mercedes hinterher. Er hielt neben mir an und fragte mich, „na, wollen Sie mitfahren?“ Ich dachte mir, nein wirklich nicht und heute schon gar nicht, sagte aber zu ihm, „nein, ich will, wie immer, am Weg noch meine Zigarette rauchen und das geht ja in ihrem Auto nicht, danke!“ Ich hatte mir zwar eine Zigarette angezündet, aber an rauchen war nicht zu denken. Binnen kürzester Zeit war die Zigarette völlig durchnässt und brannte nicht mehr, ließ mir dabei aber nicht anmerken. Der kann mich gern haben, dachte ich mir und ging einfach weiter. D. hörte man etwas Lachen darüber in seinem Auto, schloss das Fenster an der Beifahrerseite und fuhr weiter. Nun ging ich also im strömenden Regen zu Fuß nach Hause. Kaum an meiner Unterkunft, diesem Gasthaus, angekommen, blieb ich, wie sonst auch immer, noch vor dem Eingang in die Gaststätte stehen um eine weitere Zigarette zu rauchen, denn im Haus war ja Rauchverbot. Es regnete immer noch in Strömen, mir war die aber egal. Völlig durch nässt stand ich nun da mit meiner Zigarette in der Hand und es regnete und regnete. Nun brannte wenigstens die Zigarette, da ich halb unter dem Dachvorsprung des Eingangs stand, sodass ich nicht umsonst hier stand. Mir war an diesem Tag bereits alles egal. Kaum hatte ich meine Zigarette fertig geraucht, dämpfte ich sie aus und ging zu meinem Apartment hoch. Dort angekommen musste ich mich erst einmal gründlich abtrocknen, denn ich war mittlerweile völlig durchnässt. Selbst aus den Schuhen kam bereits das Wasser.
Kaum war ich wieder trocken und hatte frische Klamotten angezogen, ging ich, wie fast jeden Tag, runter in die Gaststätte und setzte mich an den Stammtisch. Ich wollte einfach alles so tun wie jeden Tag, als wäre überhaupt nichts geschehen. Mittlerweile war es bereits fast 8 Uhr am Abend und die Gaststätte voll. Lediglich am Stammtisch war ich der erste Gast. Aber dies tat mir richtig gut. Ich konnte in aller Ruhe mein Bier genießen und hören, was den heute die anderen Gäste des Lokals so über mich sprechen. Aber schon als ich zur Tür hineingekommen war, fiel mir auf, mehrere Gäste begannen zu lachen. Nicht in einer Weise als würden sie mich auslachen. Nein. Ganz im Gegenteil. Sie lachten einfach deshalb, weil ich so tat, als wäre überhaupt nichts geschehen. Also muss meinen Spaziergang durch den strömenden Regen von der Arbeit nach Hause eine Menge Leute mitbekommen haben. War auch kein Wunder, muss ich dabei doch durch das gesamte Ortszentrum. Manche Gäste saßen tatsächlich da und wollten mich auch noch regelrecht anfeuern, da ich mich von denen, wie es hieß, und vor allem von D. nicht unterkriegen lassen will. Ja sogar meine Vermieterin, die Wirtin dieser Gaststätte hatte lachen müssen, als sie mich sah und sprach auch mit anderen Gästen darüber.
Eines hatte ich an diesem Tag wieder dazugelernt, diesem D. ist wirklich nichts zu blöd!