Das Leuchten Recycling – Betrügereien wohin man sieht!
A., Montag, der 12. Juli 2010:
Jeden Montag um 14:00 Uhr fand nun, da die Arbeiten vor Ort auf der Baustelle los gingen, eine Baubesprechung statt. Nach dieser Besprechung gab es noch einen kleinen Rundgang durch einen Teil der Baustelle, dem längeren der beiden Tunnel des ersten Abschnittes. So auch zu Beginn der dritten Arbeitswoche vor Ort. Es muss also der 12. Juli 2010 gewesen sein. Nach Beendigung des Rundganges durch die Baustelle hatten auch die Monteure ihre Arbeit beendet. So standen wir also, Kay R., der Vertreter des Ingenieurbüros, ich, Armin L., Thomas T., vor dem Tunnelportal, oberhalb des Betriebsgebäudes an der Bundesstraße und unterhielten uns noch ein wenig. Da kam plötzlich auch Peter W., einer der Monteure der Firma D., dazu. Kay R. fragte nun auch den Monteur wie es denn so mit den Arbeiten voran gehe und wie es mit der Einhaltung des Terminplans aussehen würde. Peter W. erklärte ihm, was sie mittlerweile alles demontiert hätten und, dass sie schon dabei wären, die neuen Anlagen einzubauen.
Da fragte ihn Kay R., wie weit sie denn mit der Demontage der alten Tunnelbeleuchtung seien. Darauf Peter W., diese wäre bereits längstens demontiert. Dann wollte Kay R. noch wissen,
„was macht ihr denn mit den alten Leuchten?“
Peter W. meinte nun wohl, er müsste mit seiner Flasche Bier in der Hand, welche er sich seiner Meinung nach getaner Arbeit auch redlich verdient hätte, es war allerdings, wie immer, längst nicht die Erste, er müsste nun besonders witzig sein und antwortete,
„die kommen wieder!“
Da drehten sich alle entsetzt über die Aussage von Peter W. von der Runde weg. Auch ich wandte mich ab und schlug gedanklich die Hände über dem Kopf zusammen und dachte mir dabei, „das gibt es doch nicht, das ist unglaublich! Die drehen ein krummes Ding nach dem anderen und sprechen dann auch noch ganz offen darüber, als wäre dies alles überhaupt nichts.“ Doch dann kam mir ein Gedanke, die Situation könnte mir vielleicht sogar sehr gelegen kommen, denn der Ort könnte besser nicht sein für so eine unbedarfte Äußerung, sodass dies auch einmal jemand zu hören bekommt, welcher Firma D. nicht so wohl gesonnen ist. Standen wir doch an der neuen Bundesstraße, welche zirka 10 Meter oberhalb der alten Straße liegt, schräg dahinter das Tunnelportal und direkt hinter uns die Steinmauer, welche die Böschung hin zum Berg abstützt. Die Akustik könnte besser nicht sein. Später hatte ich es selbst mehrmals ausprobiert, jedes gesprochene Wort an dieser Stelle ist hunderte Meter weit klar und deutlich zu hören und, da die Straße für den Verkehr gesperrt ist, sind auch keine störenden Geräusche durch vorbeifahrende Fahrzeuge zu hören. Dazu kam noch, gegenüberliegend an der Alten Bundesstraße befand sich ein Wohnhaus, woher bereits mehrere Beschwerden über die Baustelle von Anwohnern kamen. Gleich daneben auch noch die Straßenmeisterei und dahinter viel, viel Grün, gleich am Stadtrand gelegen, welches erholungssuchenden beste Gelegenheit gibt, an einem lauen Sommerabend im Grünen etwas Sport zu treiben oder auch nur mit dem Hund zu laufen, oder dem kleinen Bach entlang zu wandern. Daher drehte ich mich gleich wieder um und wandte mich hin zur Runde, um meinem Kollegen bei seinen Ausführungen über die doch so vorbildhafte Wiederverwertung von kostbaren Rohprodukten zumindest moralisch zu unterstützen. Nach dieser Äußerung von Peter W. wollte Kay R. gar nicht mehr wissen, was nun mit diesen Leuchten geschehe, „ich will’s gar nicht wissen“, meinte er zunächst, doch dann hatte es ihn doch interessiert und er begann nachzufragen. Und Peter W. erzählte und erzählte!
Peter W. begann auszuführen, wie die Leuchten nun wiederverwertet werden. All die Einbauteile, das Vorschaltgerät, das Leuchtmittel, die Klemmen, der Reflektor etc. werden vom Leuchtengehäuse getrennt, dann werden die Gehäuse sandgestrahlt, sodass die alte Pulverbeschichtung vom Gehäuse entfernt wird und nur mehr das rohe Aluminiumgehäuse übrig bleibt. Danach werden die Leuchtengehäuse wieder neu pulverbeschichtet, mit neuen Einbauteilen versehen und die Leuchten in der Werkstätte bei Firma D. zusammengebaut. In den beiden Tunnels des nächsten Abschnittes, welche im nächsten Jahr saniert werden, sollen diese Leuchten dann wieder eingebaut werden. Da meinte Kay R.,
„aber das geht sich doch gar nicht aus. Im zweiten Abschnitt werden doch viel mehr Leuchten benötigt, als nun im ersten.“
Da begann Peter W. weiter zu erklären. Es gäbe noch eine weitere Baustelle, bei dem genau die gleiche Vorgangsweise durchgeführt wird. Und auch dort werden die alten Leuchten, welche bei der Tunnelsanierung demontiert werden, auf die gleiche Art wiederverwertet. Dazu musste D. aber erst den Auftrag für die Sanierung dieses Tunnels, es war ein Tunnel im Süden Baden-Württembergs, erhalten, denn sonst würden sich die Berechnungen über die notwendigen Leuchten nicht ausgehen. Dort würden dann aber Leuchten eines anderen Herstellers eingebaut, sonst ginge sich erstens, die Rechnung nicht aus und zweitens, könnte ein anderer Leuchten Hersteller auf die dumme Idee kommen, etwas dagegen zu unternehmen.
Da meinte Kay R.,
„dann sind es aber wieder zu viele.“
Und Peter W. führte weiter aus, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt,
„die werden dann, zusammen mit den Leuchten, welche wir hier im zweiten Abschnitt demontieren, bei einen anderen Projekt in Nordrhein-Westphalen wieder eingebaut.“
Kay R. meinte dazu, mittlerweile etwas entsetz,
„warum macht ihr denn das alles!“
Da begann Peter W. wieder zu erzählen, als wenn es überhaupt nichts sei,
„ja mei!“, meinte er, „die Druckgußform für die Herstellung der Aluminiumgehäuse für die Leuchten ist defekt und daher musste sich D. etwas einfallen lassen! Die Reparatur kostet eine Menge Geld – 200.000 Euro hat D. gesagt, und nun überlegt D. noch, ob er überhaupt mit dem Leuchtengeschäft weiter machen soll!“
Und es war tatsächlich so! Seit Beginn meiner Tätigkeit hatte ich immer wieder auf Paletten gestapelte neue und alte Leuchten im Lager gesehen und nicht selten huschte Markus E., der Bereichsleiter, mit Papier und Stift bewaffnet, zwischen den Stapeln hin und her um die Leuchten immer wieder Stück für Stück zu zählen und auch zu kontrollieren, ob nicht bei den neu beschichteten Leuchten eindeutig erkennbar ist, dass diese Leuchten keine neuen Leuchten sind, sondern das Gehäuse lediglich neu beschichtet wurde. Auch D. selbst hatte mir von seiner „Misere“ erzählt, dass die Druckgußform für die Erzeugung seiner Leuchten aus Aluminium Druckguss defekt sei und die Reparatur dieser Form ein Vermögen kosten würde. Dabei sprach er immer wieder von 200.000 Euro, welche die Reparatur kosten würde. Und daher sei er am Überlegen, wie er nun dabei weiter vorgehen soll. In der Zwischenzeit müsse er auch Leuchten von anderen Herstellern bei Projekten einsetzten, denn sonst könnte sein, dass hier jemand auf dumme Gedanken kommt, so wie er es bezeichnete. Der Vorrat an neuen Leuchtengehäusen, welche noch vor dem Defekt der Druckgußform produziert wurden, neige sich zu Ende und damit könnten lediglich nur mehr die beiden Tunnel dieses Projektes ausgestattet werden.
Auch diese Druckgrußform bekam ich im Lager der Firma D. zu sehen. Es war allerdings lediglich das Oberteil und dieses hatte einen kleinen Sprung. Die Form war wohl am Ende eines Gußvorgangs falsch behandelt worden, sodass beim Abkühlen der Form ein kleiner Riss in der Form entstand.
Mitte des Jahres 2010 hatte aber Markus R., der neue Geschäftsführer im Unternehmen der Firma D., die Entscheidung getroffen, diese Form reparieren zu lassen. Und, nachdem ich nun Projektleiter für dieses Projekt war, kamen auch alle Rechnungen, welche dieses Projekt betrafen, zur Kontrolle auf meinen Tisch. Gabi F., die Sekretärin dachte sich wohl, die Reparatur dieser Form würde wohl auch mein Projekt betreffen, sodass auch die Rechnung für diese Reparatur zur Prüfung auf meinem Tisch landete. Dabei war aber von 200.000 Euro keine Rede. Es waren lediglich knapp 20.000 Euro, inklusive Transport zu dieser Spezialfirma nach Bergamo in Norditalien, welche diese Form repariert hatte.
Ehrlich gesagt, ich glaube auch nicht, dass D. mit diesem Defekt dieser Druckgußform tatsächlich in einer Misere steckte. So wie ich D. kenne hat er lediglich die Situation ausgenützt, um zu sehen, was denn geschehe, wenn er alte, wiederaufbereitete Leuchten als neue Leuchten verkaufen würde. Man darf dabei nicht vergessen, für solch eine Leuchte ist ein Preis von über 400 Euro zu erzielen. Selbst wenn man 50 Euro als Kosten für die Montage im Tunnel abzieht, bleiben immer noch 350 Euro als Verkaufspreis für die Leuchte übrig. Bedenkt man zudem dabei, dass die Einbauteile, Vorschaltgerät, Leuchtenfassung, Klemmen, Reflektor, etc. in solch einer Leuchte in Summe gerade mal vielleicht 40 Euro kosten, das Sandstrahlen und neu pulverbeschichten des Leuchtengehäuses vielleicht 60 Euro kosten, darüber hatte ich übrigens auch niemals eine Rechnung dieser Firma gesehen, hier hieß es lediglich immer, man sehr freundschaftlich miteinander Verbunden, und das Zusammenbauen der Einzelteile dieser Leuchte in einer halben Stunde erledigt ist, also dadurch Kosten von vielleicht 30 Euro entstehen, so bleibt bei einer Leuchte eine Spanne von 220 Euro. Und das teuerste an diesen Leuchten ist nun mal das Aluminium Druckgruß Gehäuse, welches er sich bei dieser Wiederaufbereitung, bei diesem Recycling der Leuchten, erspart. Alleine bei diesen drei Projekten, über welche Peter W. so anschaulich an diesem Tag vor dem Tunnelportal gesprochen hatte, geht es in Summe um 1200 Leuchten, welche auf diese Art als neue Leuchten dem Auftraggeber verkauft werden. Das sind 1200 Leuchten mal 220 Euro pro Leuchte, dies ergibt 264.000 Euro, also gut 250.000 Euro, welche als zusätzliche Gewinnspanne für D. übrig bleiben. Und seit Beginn der 1990er Jahre, als Firma D. in diese Branche einstieg, wurden unzählige Tunnel mit diesen Leuchten ausgestattet, welche nun nach der Reihe zur Sanierung anstehen und eine Menge alter Leuchten demontiert werden.
Da hieß es doch damals schon immer wieder, dies seien „alles ganz nette und liebe Leute“. Auch das kann man in solch einer Situation nur bestätigen. Denn, wenn ein Mann, so wie Peter W. mit seinem blauen Arbeitsmantel vor einem steht, eine Flasche Bier in der Hand und völlig frei und ungeniert über diese Betrügereien spricht, als wäre dies das Selbstverständlichste der Welt, würde niemand vermuten, hier wird eigentlich ein großes Ding gedreht. Ja sie könnten doch eigentlich auch gar nicht anders, hat es den Eindruck. Zudem seien sie auch noch so großzügig und würden dabei auch noch anderen Firmen Aufträge zukommen lassen, damit diese auch etwas davon hätten. Es sieht so aus, als könnten sie keiner Fliege etwas zu leide tun, geschweige denn jemandem auch nur ein Haar krümmen, so wie diese Personen ihre Betrügereien beschreiben und rechtfertigen. Sie sind sich dessen zwar voll und ganz bewusst, empfinden dies allerdings keinesfalls als etwas Unrechtmäßiges. Dafür hat man sich eben genau die richtigen Personen ausgesucht. Kaum jemand würde vermuten, hier könnten tatsächlich kriminelle Absichten dahinter stecken. Und so wird eben eine Maschenschaft nach der anderen durch solche kommunikativen Personen wie Peter W. an die Beteiligten verteilt, sodass man am Ende bei so einem Projekt tun und lassen kann was man will und sich niemand mehr daran stößt. Würde D. selbst mit einem der Vertreter des Auftraggebers darüber sprechen und darüber würde etwas durchsickern, entstünde rasch ein riesen Skandal. So aber wird nebenbei auf der Baustelle darüber gesprochen, bis es zu allen durchdringt, niemand sich aber mehr darüber aufregt, da bereits über diese „Misere“ von D. unter vorgehaltener Hand geschmunzelt wird. Niemand vermutet mehr absichtliche kriminelle Absichten dahinter und findet es beinahe fast nett, wie so ein Monteur des Unternehmens so unbedarft darüber offen sprechen kann.
Aber auch D. selbst erzählt seinen Leuten nicht immer alles auf einmal. So wurden auch die Notleuchten, welche an der Tunnelwand befestigt werden und erst wenige Jahre zuvor im Zuge eines freihändigen Vergabeverfahrens zur Nachrüstung beauftragt wurden, dies gerade immer in „kleinen“ Aufträgen um die Grenzwerte für freihändige Vergaben nicht zu überschreiten, fein säuberlich demontiert, auf Paletten gestapelt und zwischengelagert. Sie verschwanden just zu dem Zeitpunkt, als die neuen Leuchten, welche im Zuge dieser Sanierung montiert werden sollten, auf unerklärliche Weise. Dazu bekam ich auch nie eine Rechnung über allfällige Transportkosten zu sehen. Aber hier arbeitete man gleich mit einem weiteren Unternehmen direkt, aber inoffiziell, zusammen. Wem fällt dies schon auf, wenn ein eigener Transport die neuen Leuchten bringt und – offiziell – leer wieder zurück fährt und man selbst bei einer Fahrzeugkontrolle einen freihändig ausgestellten Lieferschein vorzeigen kann, welcher schnell auf der Baustelle ausgestellt wurde und, wenn er nicht mehr notwendig ist, einfach nie mehr irgendwo auftaucht.
„Damit alle etwas haben davon“,
so wie D. es immer nannte als Begründung für seine Aktivitäten.
Lauter ganz nette und liebe Leute eben …
Als Peter W. mit seinen Ausführungen endlich fertig war, meinte Kay R., der Vertreter des Ingenieurbüros,
„aber wenn da jemals etwas kommt, dann wüsste er von nichts!“
Schließlich und endlich weiß man ja, was sich gehört, wenn man zu den neuen Guten zählt …