Eine Begegnung der besonderen Art
W.-E.-, Mittwoch, der 19. September 2012:
Ich wollte nur am Nachmittag gegen halb vier Uhr schnell zum Supermarkt gehen und eine Kleinigkeit einkaufen. Daher ging ich die Treppe von meinem Appartement hinunter, die Haustüre hinaus, der Eingang in das Wohnhaus befindet sich ja hinter dem Haus, und als ich um die Hausecke an der Straße bog, wurde ich kreidebleich. Denn da stand ein dunkelblauer italienischer Sportwagen mit italienischem Kennzeichen halb am Gehsteig und der Mann, welcher mit dem Wagen gekommen war, stand hinter seinem Fahrzeug und unterhielt sich mit Italienern, von denen in der Gegend relativ viele wohnen.
Den Mann kannte ich allerdings. Nicht persönlich, ich hatte ihn zuvor noch nie getroffen, sondern von Bildern aus den Medien und einem Buch, in dem relativ viel über ihn geschrieben stand. Allerdings war ich mir nicht sicher, ob dies tatsächlich dieser Mann ist.
Nun ging ich also den Gehweg entlang, kam dem Auto und den Personen, welche hinter dem Fahrzeug standen, immer näher. Dabei beobachtete ich, allerdings mehr aus dem Augenwinkel als direkt, worum es denn bei diesem Gespräch gehen könnte. Diese Leuten unterhielten sich auf Italienisch und, da ich selbst kein Italienisch verstehe, lediglich was man eben von dieser Sprache verstehen kann, wenn man einst Lateinisch gelernt hatte und sonst umgangssprachlich verstehen kann, achtete ich besonders darauf, wie dieser Mann reagiert. Denn es schien, als würde es in diesem Gespräch um mich gehen. Hatte die Frau, welche sich mit dem Mann unterhielt, noch extra ihren Blick zu mir gerichtet, als ich an ihnen vorbei ging und auch dazu noch extra eine Bemerkung abgegeben.
Nun blieb ich, egal wenn auch immer ich aus dem Haus ging, noch vor dem Eingang in die Gastwirtschaft stehen, um dort am Aschenbecher eine Zigarette zu rauchen. Das selbe tat ich nun auch in diesem Moment, denn ich wollte einfach auch all das tun, was ich für gewöhnlich aus sonst mache.
Da stand ich nun vor dem Eingang in die Gastwirtschaft und rauchte beinahe versteinert meine Zigarette. Dabei verfolgte ich allerdings noch im Augenwinkel dieses Gespräch, welches sich gerade mal vier bis fünf Meter von mir entfernt abspielte. Und es schien tatsächlich so zu sein, dass es in diesem Gespräch um mich ging. Allerdings schien der Mann mit diesem italienischen Sportwagen mir gegenüber nicht gerade negativ eingestellt zu sein, denn auch er blickte immer wieder zu mir herüber, lächelte dabei auch gelegentlich und unterhielt sich weiter, vornehmlich mit der Frau.
Allerdings dachte ich mir dabei, wenn das wirklich der Mann ist, an welchen ich gerade denke, dann wird es höchste Zeit, dass hier endlich etwas geschieht. Sonst habe ich vielleicht auch noch einmal die Mafia am Hals, nur wegen diesen Vollidioten hier, die, nur weil sie sich organisieren wollen, ihre neue Gemeinschaft aufbauen wollen, da sie nichts können, nichts können wollen, damit aber trotzdem viel Geld verdienen und dabei auch noch große daher reden wollen, denn dieser Mann sah so aus, als wäre es Mario L., ein italienischer Promiwirt, welchem immer wieder Zugehörigkeit zur `Ndrangheta nachgesagt wird. Nur, ich war mir eben nicht ganz sicher.
Nachdem ich meine Zigarette zu Ende geraucht hatte, ging ich, wie ich es vor hatte, in den Supermarkt um Einzukaufen. Als ich wieder am Rückweg war, hoffte ich, dieser Mann wäre nun nicht mehr hier, denn ich wollte nicht noch einmal direkt an ihm vorbei gehen müssen. Und er war dann auch, Gott sei Dank, nicht mehr hier.
Zurück in meinem Appartement dachte ich mir, es wäre nun höchst interessant, wer dieser Mann tatsächlich gewesen ist. Denn, wenn es Mario L. war, dann ist es für mich höchste Zeit etwas zu unternehmen und von hier wieder zu verschwinden. Ich wusste nur noch nicht genau, wie ich dies in Erfahrung bringen konnte. Aber meist war für mich dazu das „Räucherstübchen“ am Abend die beste Informationsquelle, gerade an Dienstag Abenden, wenn Steffi D., dort aushilfsweise kellnert, weiß sie doch eigentlich immer alles und benimmt sich wie eine Dorfzeitung. Im eigentlichen Beruf ist sie Konditorin und arbeitet in einem großen Hotel in Stuttgart, aushilfsweise kellnert sie in diesem „Räucherstübchen‘“, allerdings meist nur einen Tag die Woche, am Dienstag, ich Freund hat zudem ei eigenes Taxiunternehmen in der Stadt und ihr Vater ein Autohaus mit Werkstätte, also die besten Voraussetzungen, um immer alles in Erfahrung bringen zu können, was sie auch offensichtlich leidenschaftlich tat. Wobei ich nie mit ihr selbst sprechen musste, um etwas von ihr zu erfahren, denn dann hätte sie mir ohnedies nichts erzählt, sondern ihnen lediglich bei ihren Gesprächen am Rande der Bar zuhören musste. Aber nun war Mittwoch und nächsten Dienstag wäre ich eigentlich nicht hier gewesen, daher hatte ich schon die Befürchtung, dazu werde ich wohl von ihr nichts erfahren. Ich dachte mir allerdings, ich gehe trotzdem am Abend wieder in dieses „Räucherstübchen“, vielleicht höre ich ja von anderen, wer dieser Mann gewesen sein könnte und was er hier wollte.
Also ging ich am Abend wieder in dieses „Räucherstübchen“. Diesmal allerdings schon viel früher als üblich, denn die Gaststätte, den Stammtisch meiner Vermieterin, wollte ich mir an diesem Tag sparen. Dort setzte ich mich, wie üblich, an einen meiner beiden Stammplätze, diesmal wieder an jenem am Fenster, und wartete ab, was sich an diesem Abend ergeben würde. Denn gelegentlich kam Steffi D. auch privat in dieses Lokal, saß doch dort beinahe jeden Abend ihr Freund und führte von dort aus seine Telefonzentrale für sein Taxiunternehmen am Mobiltelefon. Es war nicht sehr viel los, als ich ins Lokal kam, es war gut neun Uhr am Abend, denn jene welche nach der Arbeit kurz in dieses Lokal gingen, waren bereits wieder weg und jene, welche sich am Abend extra noch in dieses Lokal begeben, waren wohl noch am Weg dorthin. Wobei, sehr viele Gäste waren ohnedies nie an einem gewöhnlichen Tag in diesem Lokal.
Und siehe da, einige Zeit später ging die Tür auf und Steffi D. stand im Lokal und ging auf geradem Weg zu Sisi, dem jüngeren Bruder der beiden Griechen, welche dieses Lokal und noch ein weiteres in der Stadt betrieben. Dabei wechselten sich die beiden stets ab, in welchem sie selbst Dienst schoben. Ich musste beinahe lachen, als ich sie sah, denn jetzt galt es nur noch die Ohren zu spitzen und aufzupassen, worüber sich beide unterhalten werden.
Wenige Augenblicke ging es schon am Ende der Bar, an der Tür in den hinteren Bereich des Lokals, los. Da meinte Sisi zu ihr,
„weißt Du was jetzt mit ihm ist?“
Darauf sie,
„ja! Machen soll er etwas mit denen!“
Wobei diese Gespräche stets in Umgangssprache geführt wurden und ich versuche, diese wortgetreu wieder zu geben. Dabei kommen eben sehr oft die Worte „tun“ und „machen“ vor, bei welchen man allerdings danach interpretieren muss, was tatsächlich damit gemeint ist. Zudem werden dabei auch kaum Namen genannt. In diesem Fall schien es so, als wäre damit gemeint gewesen, ich sollte gegen jene, bei welchen ich eben nun gearbeitet hatte, also gegen D., Anzeige erstatten, denn ich müsste doch darüber D. etwas wissen, hatte ich doch direkt in dessen Firma gearbeitet. Und solche Aufforderungen hatte ich gerade in dieser äußerst viele vernommen. Auch solche, bei denen viel klarer hervor ging, ich sollte gegen D. Anzeige erstatten.
Aber dann ging es weiter. Da meinte Sisi,
„aber dann werden sie ihm was tun, denn das wollen alle nicht, wenn einer etwas sagt.“
Darauf meinte Steffi D.,
„na! Aber wegen dem nicht, denn der zieht wirklich lauter ganz komische Leute an!“
Und dann ging es weiter und Sisi meinte,
„und wegen dem ist der heute da gewesen?“
„Nein! Der war in der Gegend, ist bei denen vorbei gefahren und da hat er zufällig Leute von ihnen gesehen. Da blieb er stehen, um mit ihnen zu reden, denn sie sollen ihn in Ruhe lassen, denn das ist nichts mit denen.“
Sisi lachte kurz und meinte,
„dann ist eh alles klar!“
Doch dann meinte Steffi D. noch,
„naja. Der sagt aber auch, dass das mit den anderen auch nichts Gescheites ist, denn die sind auch nicht viel besser.“
Dann wieder Sisi,
„aber, das sind ja dann auch wir!“
„Ja eben! – Pass‘ auf, dass der nichts hört davon!“
Nun hatten beide eigentlich ganz leise gesprochen. Doch da beinahe gar nichts im Lokal los war, lediglich am hintersten Tisch saßen zwei Personen, konnte ich dies trotzdem hören, zudem wenn ich schon extra aufpasse, dann höre und verstehe ich auch bei viel mehr Lärm um mich beinahe alles. Das hatten beide wohl unterschätzt.
Eines fiel mir in den folgenden Wochen auch tatsächlich auf. Gerade von den Italienern, von denen einige meist jeden Abend am Platz vor dem Gebäude, in welchem auch das Gästehaus meiner Vermieterin und meine Bank untergebracht sind, an den dort montierten Bänken saßen, hatte ich in der Folge Ruhe. Mittlerweile wurde ich ja beinahe von jedem in dieser Stadt angepöbelt, egal wo ich gerade war, besonders von Einheimischen, und auch von diesen Italienern wurde ich in den Wochen zuvor vermehrt angepöbelt, als ich am Platz an ihnen vorbei ging, um in die Bank zu gehen. Aber dies hörte plötzlich beinahe schlagartig auf. Wobei, ich war ja nun nicht mehr die ganze Woche in W.-E., sondern in der Regel lediglich nur mehr alle zwei Wochen und da nur drei bis vier Tage. Aber dies fiel mich doch auf. Daher schien es tatsächlich so, als wäre dieser Mann am Nachmittag Mario L. gewesen sein könnte, auch wenn leider der Name nicht direkt gefallen war.
Mir wurde allerdings an diesem Abend klar, ich darf gar nicht mehr länger warten, sondern muss sofort etwas unternehmen. Und da fiel mir wieder dieses seltsame „Leuchten Recycling“ von Firma D. ein, wobei ich mir dachte, dies wäre die beste Gelegenheit etwas zu unternehmen, denn dabei geht es zwar doch um Einiges, doch nicht um zu viel. Zudem spielte sich ja dabei das Meiste in Nordrhein-Westphalen ab und ich musste mich daher damit nicht nach Stuttgart wenden.
Außerdem hörte sich dies nicht so an, als müsste ich deshalb gleich befürchten, gleich die Mafia am Hals zu haben, wenn ich dazu ein Hinweisschreiben verfasse. Zudem wäre dabei auch gleich der österreichische Teil der Firma D. mit involviert.
Dies war der Abend, an welchem mein Entschluss für das erste Hinweisschreiben gefasst war.
Was mich allerdings an diesem Abend richtig irritiert hatte war, es klang so, als würden sie sich der Mafia regelrecht anbiedern und sind enttäuscht darüber, weil dies nicht so ankommt, wie sie sich dies gerne vorgestellt hätten. Natürlich vorausgesetzt, bei diesem Mann handelt es sich in beiden Fällen um dieselbe Person und um eben diesen Mario L., wobei ich eigentlich am Nachmittag schon davon ausgegangen war, er ist es, denn nach den Fotos, die ich kannte, war er es einfach. Wobei ich dabei auch nicht behaupten möchte, er stünde deshalb auch tatsächlich in Verbindung mit der Mafia, sondern auch hier gebe ich lediglich wieder, was in Medien darüber geschrieben wird. Aber, wenn dem so wäre und er weiß wer ich bin, dann erschreckte mich dies noch umso mehr, denn wer, um alles in der Welt, würde dann sonst noch in diesen Kreisen wissen, wer ich bin! Daher war mir klar, es bleibt nichts anderes übrig, als zumindest mit D. etwas zu unternehmen, denn ich hatte und habe überhaupt keine Lust, wegen diesen Vollidioten auch noch mit der Mafia in Berührung zu kommen!
Bei diesen sogenannten „Anderen“ war ich mir allerdings noch überhaupt nicht im Klaren, was ich mit denen unternehmen sollte. Ich wusste nur, auch für sie bin ich dieses personifizierte Feindbild, mit welchem ihre „neue Gemeinschaft“ aufgebaut werden sollte. Aber bei diesen „Anderen“ hatte ich einfach keinen Fall, welchen ich nennen könnte, und ich wollte diesbezüglich auch erst gar nicht zu stöbern beginnen! Denn dazu war mir die Nähe bei denen zum Rotlicht Milieu einfach immer viel zu groß! Auch damit wollte und will ich überhaupt nichts zu tun haben!
(2018-07-14)