Ismaning, Dienstag, der 7. Dezember 2004:
Als ich an diesem Morgen gegen 8:00 Uhr ins Büro gekommen war, saß unsere Sekretärin nicht wie tags zuvor an ihrem Schreibtisch und frühstückte erst einmal kräftig, sondern saß bereits ganz angestrengt an ihrem Arbeitsplatz. Kaum hatte ich das Büro betreten, flüsterte sie mir zu,
„der Harry ist da!“
Worauf ich sie ganz verwundert angesehen hatte und meinte,
„wer ist da?“
Sie darauf zu mir,
„der Harry – der W. ist da! – Der sitz schon bei Dir und Karl im Büro!“
Nun hatte ich erst verstanden was sie meinte. Mein eigentlicher neuer Chef, der Abteilungsleiter von KL4, in welche diese „Organisationseinheiten von KL41 bis KL46 unterteilt ist, wobei ich nun eben KL41 zugeordnet bin, ist heute in der Zweigniederlassung in „München“ anwesend. Eigentlich hätte ich ihn ja bereits bei meinem Gespräch in Linz am 22.11. kennenlernen sollen, wobei er allerdings nicht dabei war, sondern lediglich die fünf Abteilungsleiter. Also jener Mann, welcher mich nun in Linz, wie es mir der Personalchef sagte, weiterbeschäftigen wollte, ist an diesem Tag in „München“.
Daher erwiderte ich unserer Sekretärin,
„na und! Macht ja nichts!“
Ging an ihr vorbei, schnurstracks in mein Büro zu meinem Arbeitsplatz und da saß er auch schon. Wobei mein Bürozimmer eigentlich ein Raum für zwei Mitarbeiter wäre, wobei ich am rechten Arbeitsplatz, mein Kollege Karl K. mir direkt gegenüber am linken Arbeitsplatz saß. Jedoch waren an unsere beiden Schreibtische jeweils noch ein weiterer Schreibtisch dazugestellt, an welchem nun auf der linken Seite Harry W., der Abteilungsleiter von KL4, und auf der rechten Seite, also gleich neben mir, dessen Sekretärin, welche auch nach „München“ mitgekommen war, saß.
Eigentlich hätte ich mir nun erwartet, ich müsste nun, neben der Arbeit, mein „Vorstellungsgespräch“, bei welchem er ja nicht anwesend war, nachholen, ihm Rede und Antwort stehen, auf all die Fragen, welche sich aus solch einem Wechsel, welchen ich nun vom Kundencenter in Salzburg nach Linz hinter mir hatte. Aber, interessanter Weise, interessierte er sich dafür überhaupt nicht. Er fragte mich auch überhaupt nichts, was man sich von einem neuen Vorgesetzten, auch wenn er noch einmal eine Stufe höher stand als Karl P., erwarten würde. Ich hatte beinahe den Eindruck, als wüsste er ohnedies schon alles von mir. Daher gestaltete sich das Gespräch, oder vielmehr die Vielzahl der Gespräche an diesem Tag, welche ich immer wieder mit ihm führte, als Unterhaltung, bei der es darum geht, sein Gegenüber einmal „abzuklopfen“, zu sehen und versuchen zu ergründen was hinter dieser Person steckt. Dies allerdings in einer beinahe nicht ernstzunehmenden Atmosphäre. Als wäre dies ein Gespräch, bei dem es ohnedies um nichts weiter gehen würde. Wobei, mir war dabei sehr wohl bewusst, mit wem ich es dabei zu tun hatte und welche Folgen dieses Gespräch auch haben könnte, allerdings gab es nichts, worüber ich mit Harry W. nicht sprechen, oder ihm keine Antwort geben konnte.
Für mich war er einfach nur eine sehr seltsame Person, welche man keinesfalls in dieser Position, welche er innehatte, erwarten würde. Da hätte ich mir Karl P. viel besser vorstellen können. Er erwecke auch nicht den Eindruck, als wäre er nun jene Person, welche für den geschäftlichen Erfolg der Abteilung verantwortlich wäre. Als wäre er derjenige, der die Basis dafür sein könnte. Sondern vielmehr, als wäre er derjenige, welcher einfach nur für das Miteinander all der Abteilungen, der „Organisationseinheiten“ und der darin tätigen Mitarbeiter verantwortlich wäre. Was ja grundsätzlich auch dessen Aufgabe ist. Jedoch hatte ich dabei, auch bezogen auf die Anwesenheit von ihm und die Reaktion meiner direkten Vorgesetzten, wie Karl P. und meinem „Mentor“ Adolf H., stets den Eindruck, als würde sich kaum jemand in dessen Gegenwart wirklich wohl fühlen. Auch mir erging dies so, denn, auch wenn diese Gespräche, welche ich an diesem Tag mit ihm immer wieder führte, meist mit einem humorvollen Unterton geführt wurden, hatte ich stets den Eindruck als würde Harald W., bei allem was er sagt, stets einen Hintergedanken haben. Daher war es für mich einfach nur unangenehm, mich mit ihm zu unterhalten.
Die einzige, welche sich offensichtlich in dessen Umgebung wirklich wohlzufühlen schien, war dessen Sekretärin Evelyn M., die heute, so schien es, auf einem Ausflug mitgenommen wurde. Wobei ich allerdings nicht verstehen konnte, weshalb dies so sein könnte. Denn beide passten zusammen, wie die sprichwörtliche Faust auf das Auge. Sie ein zierliches, blondes Persönchen, er ein gänzlich unauffälliger, aber auch unansehnlicher älterer Mann, welcher außer einer dicken, gut gefüllten Brieftasche und vielleicht viel Einfluss im Unternehmen nichts weiter zu bieten haben kann. Aber auch dies passte einfach nicht zu dieser piepsenden jungen Blondine, welche nun neben mir saß.
Eines, an den vielen kleinen Gesprächen, welche ich an diesem Tag mit ihm führte, blieb mir allerdings besonders in Erinnerung. Als er mir erzählte, in diesem Unternehmen in Linz, und ganz besonders in seiner Abteilung, würden sehr viele temporär beschäftigte Mitarbeiter arbeiten, wobei allerdings für einen Außenstehenden kaum zu erkennen sein soll, um welche Mitarbeiter es sich dabei handeln würde. Wobei es beinahe die Hälfte der Mitarbeiter sein sollten, welche nicht direkt bei VA Tech beschäftigt wären, sondern in einem Unternehmen, welches Personal temporär zur Verfügung stellt.
Dabei handelte es sich allerdings um ein Unternehmen, welches von zwei Mitarbeitern in dieser Abteilung gegründet und geleitet wurde, welche selbst noch in der VA Tech, in dieser Abteilung als Vollzeitmitarbeiter angestellt waren und dieses Personal Leasing Unternehmen nur nebenbei führten. Wobei die Namen der beiden Mitarbeiter ein äußerst gut gehütetes Geheimnis blieben!
Irgendwie konnte ich mir schon vorstellen, was hier läuft. Daher maß ich dem keine größere Bedeutung zu, als mir „Harry“, wie er von allen genannt wurde, erzählte, für ihn würde keinerlei Unterschied zwischen direkt angestellten Mitarbeitern bei VA Tech und jenen Mitarbeitern des Personal Liesing Unternehmens bestehen. Eines blieb mir dabei allerdings ein Rätsel. Dies bezog er auf eine äußerst seltsame Art auch auf mich. Daher hatte er mir dies auch sehr eindringlich erklärt.
Plötzlich klingelte an meinem Arbeitsplatz mein Telefon. Die Chefsekretärin aus Salzburg rief mich an und wollte mit mir meine Stundenabrechnung der letzten Monate, in welchen ich noch in Salzburg tätig war, besprechen. Doch dazu stellte sich heraus, es wäre wohl besser, sie würde mir erst einmal ihre bisherige Aufstellung zukommen lassen und wir würden danach darüber sprechen. Wenig später kam unsere Sekretärin zu mir an den Arbeitsplatz und rief mich zu ihr zu sich und tat sehr geheimnisvoll. Sie meinte, für mich wäre ein Fax gekommen. Noch dazu von meinem ehemaligen Dienstsitz in Salzburg.
Doch als ich mir dieses Fax ansah, sah ich, es handelte sich dabei eben um meine Stundenabrechnung der letzten Monate, welche ich in Salzburg tätig war, worüber ich kurz zuvor mit Susanne N. telefoniert hatte. Dabei ging es in erster Linie um jene Tage, welche ich für dieses Projekt des Neubaus dieses Autohauses in Salzburg, des Generalimporteurs von Mercedes Personenkraftwagen in Österreich, für die Unterstützung des Ingenieurbüros bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung für die Elektrotechnik tätig war, mir dafür Urlaub nehmen musste, welcher mir danach allerdings als reguläre Arbeitszeit gutgeschrieben werden sollte. Daher nahm ich dieses Fax bedeutungslos an mich und ging damit an meinen Arbeitsplatz. Wobei ich noch zu unserer Sekretärin sagte,
„ach so! Das ist die Stundenabrechnung für dieses Projekt, für welches ich in Salzburg zuletzt tätig war und dafür extra Urlaub nehmen musste!“
Denn, erklärt hatte ich es ihr bereits in den Tagen zuvor, woran ich in Salzburg tätig war, bevor ich nun hierher wechselte. Auch die Gründe dafür, weshalb ich in Salzburg nicht mehr weiterarbeiten wollte.
Sie blieb allerdings bei ihrer Geheimniskrämerei darüber und maß dem offensichtlich besondere Bedeutung zu. Schließlich sollte ich diese Stundenabrechnung nun neben Harald W. prüfen und mit der Chefsekretärin in Salzburg klären.
Anfangs hatte ich noch große Bedenken, mir würden, da ich ja seit 24. September nicht mehr an meinen Arbeitsplatz gekommen war, wobei der 24. September noch ein genehmigter Urlaubstag war, jedoch die folgenden Tage ab 27. September bis 30. November natürlich nicht, mir würde viele dieser Tage, an welchen ich nicht zur Arbeit erschienen war, nun als Fehlstunden angerechnet werden, welche ich nun erst abarbeiten müsste. War ja mein Dienstverhältnis nun einfach aufrechterhalten geblieben und ich lediglich nach Linz „versetzt“ worden.
Aber als ich dann sah, die gesamte Abrechnung hatte Susanne N. so aufgestellt, sodass meine Zeit in Salzburg mit +/- 0 Stunden am 30. November endete, mir sogar noch ein Resturlaub von 6 Arbeitstagen blieb, war ich beruhigt und der Rest dieser Aufstellung interessierte mich eigentlich nicht weiter. Allerdings war mir wichtig, dass alle Urlaubstage, welche ich für dieses Projekt „Autohaus“ im Sommer nehmen musste, nun als reguläre Arbeitszeit eingetragen sind. Daher rief ich Susanne N. in Salzburg an, erklärte ihr, für diese Abrechnung müsste ich erst meine Aufstellung der Urlaubstage, welche ich für dieses Projekt genommen hatte, die mir nun wieder gutgeschrieben werden sollten, ansehen, welche allerdings in meiner Wohnung in Salzburg liegt. Daher könnte ich ihr erst am Montag eine endgültige Stellungnahme meinerseits dazu geben.
Der Rest kümmerte mich nicht weiter. Schließlich wollte ich die gesamte Angelegenheit mit Salzburg einfach nur mehr hinter mir haben und mich nicht mehr weiter damit belasten. Schließlich ging es für mich nun um einen gänzlichen Neustart im Leben, weshalb ich mich mit diesen Altlasten nicht weiter beschäftigen wollte. Und da ich aus dieser Abrechnung keinen Schaden hatte, ich keine Fehltage nun erst wieder aufholen musste, war mir dies einfach nur egal. Von Urlaub konnte in der gesamten Zeit seit April des Jahres ohnedies keine Rede sein. Schon gar nicht in der Zeit von 24. September bis 30. November, in denen ich zu Hause gesessen war. Aber sollte ich mich nun auch noch darüber mit VA Tech streiten, wenn ich eigentlich an einen totalen Neustart im Leben gedacht hatte?
Allerdings fielen mir zwei Punkte in dieser Abrechnung auf. Dies betraf die beiden Tage am 23. und 24. September, an welchen ich tatsächlich genehmigten Urlaub hatte, welche allerdings in dieser Abrechnung einfach als „normale“ Arbeitstage aufgelistet waren. Zudem jener Tag Anfang November, als mich mein nun ehemaliger Chef Herbert N. noch einmal zu sich nach Tirol, zu diesem Baumarkt in Vomp, rief, bei dem er unbedingt noch einmal mit mir sprechen wollte und mir dabei von dieser Stellenausschreibung von „Hörbis“ Position als Abteilungsleiter der Gebäudetechnik erzählte, welche sein Nachbar über dessen Personalmanagement Unternehmen, in welchem dieser tätig gewesen ist, veröffentliche, worauf es eben nur eine einzige Bewerbung gab, nämlich meine. Auch dieser Tag war nicht richtig dargestellt, sondern um einen Monat vorverlegt auf Anfang September. Es schein, als wollte dies jemand einfach unter den Teppich kehren.
Aber auch dies hatte mich nicht weiter berührt. Denn, ich war einfach zur Ansicht gekommen, in Salzburg hatte ich es mit Verrückten zu tun und wollte damit einfach nichts mehr zu tun haben. Diese Zeit einfach vergessen. Denn was hier geschehen war, das konnte man ohnedies nie mehr gutmachen!
(2020-08-12)