Wien, Sonntag, der 5. Juli 2020:
Ich glaube, man kann es sich gar nicht vorstellen, wie angenehm es ist, einmal den ganzen Tag kaum ein dummes Geschwätz entgegennehmen zu müssen, nicht ewig die gleichen Phrasen niederzuschreiben, nur um dies alles zu dokumentieren. Wien schön es ist, am Nachmittag in die Innenstadt zu gehen, ohne durch unnötige Kommentare von der Seite belästigt zu werden. Aber nun sind eben Ferien und viele der Protagonisten sind dorthin gefahren, woher sie kommen und dort auch bleiben sollten, oder viele sind einfach in den Urlaub gefahren, wohin auch immer in Corona Zeiten wie diesen. Beinahe den ganzen Tag blieb es heute ruhig.
Auch wenn ich, kaum kurz nach Mittag aus dem Haus gegangen, um mir am Karlsplatz Zigaretten zu kaufen, folgendes vernehmen musste,
„die sind schon am Weg, dass sie das festigen.“
Darauf eine zweite, beinahe entsetzt,
„ist nur blöd, wenn der das hört.“
Will man doch nun schon wieder nachweisen, ich selbst wäre Teil dieses Unsinns gewesen und selbst von Beginn an dabei gewesen, nur weil ich,
„selbst groß raukommen“
möchte, wie dies einer meiner neuen Nachbarn spät in der Nacht zu wissen glaubte und dies seiner Partnerin in deren Wohnung, oder Zimmer, gleich schräg links oberhalb meiner Wohnung, gleich unmittelbar gegenüber meiner Wohnung zu wissen glaubte und dabei noch zu seiner Partnerin meinte,
„Der hat nicht gestört. – Der war dabei, bei denen!“
Wobei ich mich stets frage, woher dies ein junger Mann wissen möchte, ist er doch selbst noch nicht einmal so alt, wie ich dies schon erleben muss.
Beinahe begeistert hat mich ein junger Mann, offensichtlich ein Österreicher, allerdings mit afrikanischen Wurzeln, der zu seiner Begleiterin, einer Österreicherin meinte, als sich unsere Wege am Justizpalast kreuzten,
„das war doch gut!“
Zwar kann man mit solch dummen Äußerungen, ohne die Zusammenhänge zu kennen, nichts anfangen. Aber kennt man diese, verbunden mit seiner Gestik, gepaart mit diesem hämischen Grinsen, dann ist sofort klar, war er damit gemeint hat.
Gut sein wird offensichtlich mit dem Grad der Verlogenheit gemessen!
Nur nun, am späteren Abend, ich wollte einfach noch einen kleinen Spaziergang durch die Innenstadt unternehmen und mir am Weg ein, zwei kleine Biere kaufen, da war es wieder – dieses ewige dumme Geschwätz, welches man tagtäglich ertragen muss. Ich ging in diese Kneipe in der Schwarzenberg Straße, diesem „1516“, einfach um nachzusehen, wie es dort nun, nach der Lockerung der Corona Maßnahmen aussieht.
Im Lokal selbst war ich beinahe der einzige Gast. Was einem auch nicht weiter wundern darf, denn dort stehen immer noch diese Plexiglas Trennwände an der Bar, die den Mindestabstand der Gäste untereinander, welche nicht aus dem gleichen Haushalt kommen, wie es immer so schön heißt, garantieren sollen. Wenigstens die Scheiben an der Bar wurden mittlerweile wenigstens größtenteils entfernt. Aber man hat immer noch den Eindruck, die Bediensteten befinden sich in einer Art Glaskäfig, wie Ausstellungsstücke, denen bei der Arbeit, nun zudem, da viel weniger Gäste im Lokal sind, im Schneckentempo, zusehen kann.
Aber kaum saß ich eine weile an der Bar, wobei ich nicht recht wusste, womit ich mir die Zeit vertreiben sollte, hörte ich, wie einer der Kellner, er hatte heute frei und saß mit anderen Gästen im Garten, meinte, als er kurz einmal im Lokal bei seinen Kollegen war,
„ich glaube, der nimmt das alles auch schon längst nicht mehr ernst! – Das war auch nur, damit sie ihre Leute nach vorne bringen können. Aber das mit ihren Leuten ist eben total danebengegangen.“
Wobei, ganz so einfach kann man es sich nun auch wieder nicht machen. Denn ich nehme dies sehr wohl noch ernst. Sogar sehr ernst. Denn schließlich wer solch eine mafiose Vereinigung aufbaut, das spielt überhaupt keine Rolle. Und danebengegangen, das würde ich auch nicht sagen. Sondern man hat eben genau jene Leute nach „vorne“ gebracht, welche man vorne haben wollte!
Allerdings ist mir dabei längst klargeworden, ich hätte ohnedies niemals in meinem Leben eine Chance gehabt. Nicht weil ich selbst es nicht dazu gebracht hätte, sondern weil ich eben zu jenen Personen gehöre, welche man eben keinesfalls „vorne“ haben wollte. Weshalb man mir deshalb allerdings so gut wie alles im Leben zerstören musste, das kann ich allerdings nicht verstehen. Aber das zeigt aus meiner Sicht eben, welche Leute es sind, die man „vorne“ haben wollte und wie weit es mit denen her ist! Ich hätte so etwas schäbiges, niederträchtiges, verlogenes nie erwartet. Auch gar nicht für möglich gehalten, obwohl ich seit vielen Jahren stets vom schlimmsten ausgehe und dann meist feststellen musste, es kam immer noch schlimmer.
Ich glaube, so ein widerliches, solch ein unwirkliches System kann man sich einfach nicht vorstellen!
Aber ich fand es bezeichnend, da nun in diesem Lokal nicht mehr Speisekarten aufliegen, mit der Aufschrift, „Peoples RePUBlic of 1516“, wie vor einigen Monaten, auch keine Bierdeckel mit dem Konterfei von Donald Trump mehr aufliegen, dies geht eben nun nicht mehr, auch ein Bild von Che Guevara offensichtlich weichen musste, sondern nun Al Capone die Wand gleich am Eingang verziert. Wem interessiert heute noch etwas „Politisches“!
Als ich dann nach zwei kleinen Bieren wieder durch die Kruger Straße nach Hause ging, standen glatt noch zwei der Kellner dieser American Bar am Rande ihres beinahe leeren Gastgartens, vor ihrem leeren Lokal und mussten sich unbedingt ansehen, wie der, nämlich ich, nun aussieht, der, wie einer meinte,
„der steht jetzt über dem! – Denn der hat sich vor denen gar nichts gefallen lassen!“
Naja, gefallen hätte ich mir ja tatsächlich nichts von denen. Das wäre auch nicht notwendig gewesen. Allerdings greifen sie eben auf etwas zurück, wogegen kein durchschnittlicher Bürger eines Staates wie Österreich etwas unternehmen kann! – Und das finde ich eben das Bedenkliche. Ich nehme es eben immer noch besonders ernst, aber es gibt keine andere Möglichkeit mehr, als dass dies so ist!
(2020-07-06)