Salzburg, Donnerstag, der 22. April 2004:
Nun, da dieses „Jexx“ seit Ostern wieder geschlossen war, fehlte mir regelrecht eine Kneipe in der Stadt, in welche ich gehen konnte. Ich hatte regelrecht schon Freude daran, mich dort öfters einzufinden und mich wenigstens mit „Radi“ unterhalten zu können. Aber dies hatte nun wieder ein Ende und mir graute regelrecht davor, nun wieder ab Ende April in dieses Lokal des „verrückten Wirtes“ nach Mondsee fahren zu müssen, um nicht gänzlich jeden Kontakt zu diesen Personen zu verlieren, worauf dieser danach mit mir tun könnte, was er möchte. Denn dies hatte sich mittlerweile als Notwenigkeit herausgestellt, regelmäßig Kontakt zu ihnen zu halten, damit dem Gerede von diesem „verrückten Wirt“ und seiner Freunde nicht unendlich Platz gegeben wäre!
Daher war ich nun wieder auf der Suche nach einer neuen Kneipe, in welcher in gelegentlich unter der Woche halbwegs in Ruhe auf ein Bier gehen konnte, ohne dabei in eine ähnliche Situation wie im Jänner im „Pepe Gonzales“ zu kommen. Zudem, auch den Fußweg von meiner Wohnung zum „Jexx“ fand ich mittlerweile regelrecht guttuend, denn so hatte ich wenigstens dabei jeweils auch einen längeren Spazierweg hinter mir, am Weg ins und vom Lokal. Doch da kannte ich kein weiters Lokal in dieser Ecke in Salzburg, in der Gstättengasse, in welches ich gerne ging.
Deshalb wollte ich an diesem Abend in das „Republic“ im ehemaligen Stadtkino gehen. Dies gehörte zwar nicht gerade zu meinen Stammkneipen, auch früher nicht, allerdings traf ich dort immer wieder gelegentlich Leute, mit welchen ich mich unterhalten konnte. Auch Leute, welche ich von Früher schon kannte. So wie zum Beispiel Werner Sch., einen bekennenden Kommunisten, welcher in den 1990er Jahren einige Jahre in Unterach lebte, dort allerdings plötzlich verschwunden war, wobei es danach hieß, er hätte nun keinen ordentlichen Wohnsitz mehr in Österreich, ich ihn allerdings im Sommer 2002 dort wieder traf und er mir erklärte, er würde nun technischer Leiter in der „Szene“ sein. Dies obwohl er immer noch von seinem ehemaligen Vermieter in Unterach gesucht wurde, übrigens dem Stiefvater von Mark S., dem Kellner aus dem „Pepe Gonzales“, da ihm dieser noch Mietzahlungen schuldete. Wie dies sein konnte, das blieb mir im Verborgenen. Wie konnte jemand an als technischer Leiter im Veranstaltungsort der „Szene“, dem ehemaligen Stadtkinosaal in Salzburg sein, ohne einen ordentlichen Wohnsitz in Österreich zu haben. Jedoch traf ich ihn dort nun immer wieder.
Auch den Kindsvater der Tochter von Karin U., jener Frau, wegen welcher mein Verhältnis zu den Betreibern der Weinschänke in Unterach am Dorfplatz gänzlich zerbrach, da sie mich mit ihr verkuppeln wollten, Stefan Ü., traf ich dort vor vielen Jahren, als er wieder einmal wenige Monate lang in Salzburg wohnte und dort auch als Kellner in eben diesem Lokal arbeitete. Übrigens ein Mitglied der FPÖ. Neben vielen anderen, welche ich aus Salzburg kannte, die allerdings hier kaum eine Rolle spielten.
Nun begab ich mich also an diesem Abend auf den gleichen Weg, welchen ich in den Wochen zuvor schon so oft eingeschlagen hatte, um mir noch ein paar kleine Biere zu gönnen. Ich ging Richtung Innenstadt, überquerte über den Mozartsteg die Salzach und ging dann weiter zum Mozartplatz, um von dort in die Judengasse einzubiegen und dann durch die Getreidegasse zum „Republic“ zu gelangen. Doch kaum bog ich in die Judengasse ein, kam mir ein älteres Ehepaar entgegen, wobei der Mann meinte,
„da! Schau an! Das muss einer sein von denen! – Sie Dir diese Schuhe an!“
Also musste ich für diesen Mann, um es deutlich zu sagen, wie ich damals eingeschätzt wurde, ein Nazi sein, da ich ja bekanntlich solche Schuhe trage. Dies kannte ich ja nun auch schon seit vielen Monaten.
Aber nur wenige Minuten später, am Ende der Getreidegasse angekommen, kam mir eine Gruppe älterer Leute entgegen, zwei ältere Ehepaare, von denen wieder einer der beiden Männer meinte,
„das muss einer sein von denen! – Sonst würde der nicht dorthin gehen!“
Worauf allerdings noch eine der Frauen einwarf,
„wer weiß? Vielleicht geht er doch noch wo anders hin!“
Aber der Mann bestimmt wusste,
„wohin den? Da ist ja sonst nichts mehr! Die haben ja längst schon wieder geschlossen, wohin er zuvor immer gegangen ist!“
Und wohin wollte ich nun gehen? In das „Republic“ im ehemaligen Stadtkino, welches bekannt dafür ist, dass sich dort vermehrt die linke Szene in Salzburg trifft.
Ich musste regelrecht lachen, als ich dies gehört hatte. Denn am Anfang der Judengasse war ich noch ganz bestimmt ein Nazi, da ich ja solche Schuhe trage, nun nur wenige Minuten und Meter weiter am Ende der Getreidegasse war ich plötzlich einer von denen, also von den „Linken“, sonst würde ich ja nicht dorthin gehen!
Und dies war es, was sich in dieser Zeit regelmäßig abspielte. Binnen weniger Stunden drehte sich die Einschätzung der Leute im „Gerede“, im Tratsch über mich wegen dieses unsäglichen Theaters, von einer Seite gänzlich auf die andere. An manchen Tagen erlebte ich dies mindestens fünf Mal! Dies jedes Mal mit einer Bestimmtheit, als könnte es gar nicht anders sein! Mit einer Begründung, als könnte gar nichts dagegensprechen! Dabei war und bin ich weder ein „Linker“ noch ein „Nazi“, ich hatte nur damals kaum Berührungsängste zu Leuten, welcher dieser Szenen zugerechnet werden. Ich musste mich mit ihnen ja auch nicht unbedingt über Politik unterhalten, aber sie deshalb gänzlich zu meiden, dies war eben nicht meine Art. Andernfalls hätte ich ohnedies kaum mit jemandem Kontakt haben dürfen, denn nach und nach stellte sich bei vielen ihre politische Gesinnung heraus und die befand sich nicht gerade in der Mitte. Aber diese Leute waren eben tagtäglich immer und überall anzutreffen!
(2020-02-15)