„Der muss sterbe‘!“
A., Montag, der 19. Juli 2010:
Die Arbeiten auf der Baustelle gingen zügig voran und alle waren frohen Mutes, dass wir das gesteckte Ziel, am 15. August eine Vorabnahme durch den Auftraggeber durchführen zu lassen, welche darüber entscheiden sollte, ob Firma D. die erhoffte Beschleunigungsvergütung erhalten würde, bestehen würden.
Wie jeden Montag war auch an diesem Tag wieder eine Baubesprechung in den Containern vor Ort, direkt neben dem Betriebsgebäude. Und wie bei allen Besprechungen waren wir als Firma D. wieder als ganze Delegation anwesend. Da war der Chef selbst, Herr D., der neue Geschäftsführer Markus R., Armin L., welcher für die Verkehrstechnik zuständig war, Thomas T., welcher nun als Bauleiter fungierte, und ich. Auch in dieser Besprechung herrschte beste Stimmung. Nicht nur deshalb, da für jede Besprechung immer für ausreichend Getränke und Brezeln durch Firma D. gesorgt wurde. Selbst die Vertreter des Auftraggebers schienen nun der Ansicht zu sein, der Termin wäre zu halten.
Nach der Besprechung, sie dauerte meist äußerst lange, von 13:00 Uhr, als diese begann, bis spät nach 18:00 Uhr, als so gut wie alle Monteure von ihren Arbeitsplätzen zurück an den Containern waren, blieben auch wir noch etwas anwesend, nicht nur um uns mit den Monteuren zu unterhalten, sondern es wurde natürlich auch gemeinsam mit ihnen getrunken. Nun sah ich, wie sich Herr D. inmitten der Monteure an ihrem Tisch, eine dieser Biertischgarnituren, welche üblicher Weiße bei diversen Festen verwendet wird, einfand. Die Monteure waren darüber stets froh, denn galt doch Herr D. dabei meist als äußerst spendabel, drückte dem Obermonteur Peter W. dabei einen hundert Euro Schein in die Hand und meinte, es solle stets dafür sorgen, dass immer genug Bier auf der Baustelle anzufinden ist.
Aber dann unterhielten sich die Monteure mit Herrn D. auch über die Arbeit und nachdem mittlerweile alle über den Fortgang der Arbeiten zufrieden waren, auch um das Drumherum. Ich selbst stand dabei vor dem Betriebsgebäude, in welchem sich dieser Tisch der Monteure befand, und unterhielt mich ebenfalls mit einem der Monteure. Es war Robert H., der einst schon bei Firma D. als Monteur arbeitete, bis er sich, zusammen mit seinem Bruder Rudolf H. selbstständig machte und nun die Leistungen seiner Firma gelegentlich bei diversen Baustellen an Firma D. verkauft. Er sollte eigentlich die Leitung der Baustelle als Obermonteur übernehmen. Doch dies fand kaum Akzeptanz unter den Arbeitern der Firma D., daher blieb dies doch Peter W. und er sollte ihn dabei ergänzen.
Nun wurde es bereits relativ laut im Betriebsgebäude, in welchem der Tisch mit den Monteuren stand, beinahe ausgelassen. Da fragte Rudolf H., der Bruder des Monteurs, mit welchem ich gerade vor dem Betriebsgebäude stand, Herrn D.,
„was machen wir den jetzt mit dem R.! – Der scheint richtig gut zu sein! – Bis jetzt hat der alles richtig gut organisiert und dass wir schon bei Beginn der Baustelle fertige und freigegebene Pläne haben, das gab’s bisher auch nicht!“
Doch dann antwortete ihm Herr D. und meinte in seinem fränkisch-schwäbischen Mischdialekt,
„mit dem machen wir gar nichts mehr. – den machen wir weg. – Der muss sterbe‘!“
Nun war etwas Entsetzen aus dem Betriebsgebäude zu hören und Rudolf H. kam zur Tür heraus. Er schlug beinahe die Hände über dem Kopf zusammen und meinte nur,
„whaaa!! Der Chef selber!“
Weiters sagte er nichts. Er wusste auch nicht was er sagen sollte, denn vor dem Betriebsgebäude stand ja ich, zusammen mit seinem Bruder und musste dies unvermeidlich gehört haben.
Da nun ohnedies kaum jemand mehr wusste, was er mit mir sprechen sollte, stand ich alleine vor dem Betriebsgebäude. Daher begab ich mich auf den Weg zurück nach W.-E. Als ich allerdings zu meinem Auto ging, stand an der Zufahrtsstraße zu diesem Betriebsgebäude Armin L. und Thomas T., welche dies auch vernommen hatten. Thomas T. lächelte mich lediglich etwas mitleidsvoll an und sagte nichts weiter. Es schien, als sei ihm dies, trotz allem, eine Genugtuung gewesen.