Salzburg, Dienstag, der 12. August 2003:
Nachdem ich nun nicht mehr diesem verrückten „Hörbi“ gegenübersitzen musste, sondern meinen eigentlichen Arbeitsplatz hatte, bei dem ich nun Richard B. gegenübersitzen sollte, welchen ich aus meiner Zeit bei ABB viel besser kannte, hoffte auch zu wissen, wie ich ihn nehmen muss, wenn er auch diese Woche noch im Urlaub sein sollte, fiel mir der Weg am Morgen in die Arbeit schon wesentlich leichter. Auch wenn die Situation keinesfalls erträglich war. Denn zu tun hatte ich überhaupt nichts. Also, ehrlich gesagt, ich rechnete jederzeit damit, ich würde noch während meines Probemonats entlassen werden, aber wenigstens hatte ich nun jemanden im Büro, mit dem ich mich wenigstens ein wenig unterhalten konnte. Denn Harald Z., der Verkäufer, war beinahe ständig im Büro und nicht auswärts, so wie ich zunächst dachte.
Irgendwie vertrieb ich mir die Zeit so gut es ging, las immer wieder im Leistungsverzeichnis dieses Möbelhauses, auch wenn mir mittlerweile klar geworden war, dabei würde ich ohnedies nichts damit zu tun haben, denn dieses Projekt war ja beinahe fertig, aber irgendetwas musste ich ja tun, konnte mich doch nun jeder sehen, der am Empfang vorbeiging. Und nur in die Luft starren, das wollte ich nun auch nicht.
Ehrlich gesagt, ich war gespannt, wie dies nun weitergehen würde. Denn ich rechnete jederzeit damit, nun würde jemand zu mir kommen und mir sagen, dies würde wohl nichts werden und ich müsste das Unternehmen wieder verlassen, denn „Hörbi“ wollte mich einfach nicht. – Warum auch immer.
Hätte ich es mir leisten können, einige Zeit auf Arbeitssuche zu gehen, ohne einen Job zu haben, ich hätte es sofort getan. Denn eine Zukunft sah ich nicht in diesem Unternehmen. Denn auch der Rest der Belegschaft war doch mehr als seltsam mir gegenüber.
Ich fragte mich immer wieder, warum bloß bin ich überhaupt in diesem Unternehmen angestellt worden. Wobei, mittlerweile hatte ich ja 13 Berufsjahre hinter mir, wovon ich fünf Jahre bei ABB in gleicher Position gearbeitet hatte, wie ich dies hier auch tun sollte, aber irgendetwas schien hier nicht zu stimmen. Nicht zuletzt wegen dieses Geredes, welches sich seit Mittwoch der Vorwoche breit gemacht hatte, ich sollte gar neuer Geschäftsführer in diesem Unternehmen werden, obwohl ich nun an meinem Arbeitsplatz saß und nicht recht wusste, was ich hier eigentlich tun sollte. Denn eine Aufgabe, die wurde mir nicht zugewiesen. Ganz im Gegenteil.
Aber nun hatte ich wenigstens Harald Z., der im Betrieb meist „Zucki“ genannt wurde, als neuen Kollegen, mit welchem ich hin und wieder ein paar Worte wechseln konnte, wenn er n seinem Arbeitsplatz saß. Wobei er ja ständig im Büro war, jedoch ebenfalls meist in irgendeiner dringenden Mission im Betrieb unterwegs war, worum es dabei auch immer ging, und nur gelegentlich an seinem Platz saß.
Noch am früher Vormittag kam er allerdings wieder einmal an seinen Arbeitsplatz zurück und murmelte vor sich her,
„nun hat er den Mann, den er haben wollte, und dann will er ihn nicht! – Das soll einer verstehen!“
Mir war sofort klar, worum es dabei ging und „Hörbi“ musste wohl bei der Besprechung der leitenden Angestellten tags zuvor, kurz nach Mittag, wieder richtig in Fahrt gewesen sein und alles unternommen haben, mich wieder los zu werden. Aber wenigstens bekam ich dies nun nicht mehr ständig mit.
Dann fragte mich allerdings „Zucki“ gleich darauf,
„haben Sie“,
da war ich noch per Sie mit ihm,
„mit ihm“
ohne den Namen zu nennen,
„vorher schon einmal etwas zu tun gehabt?“
Auch hier war klar, wohin „Zucki“ hinauswollte. Denn er war wohl der Meinung, zwischen mir und „Hörbi“ musste wohl irgendwann einmal etwas vorgefallen sein, denn anders wäre sein Verhalten mir gegenüber nicht zu erklären. Ich selbst hatte ja auch schon seit meinem ersten Arbeitstag bei VA Tech gegrübelt, was denn geschehen sein konnte. Denn ich wusste ja, ich hatte wohl einmal bei einem Projekt mit ihm etwas zu tun, allerdings nicht mehr genau, worum es dabei gegangen war. Daher begann ich selbst darüber nachzudenken, was denn dies genau war. Daher sagte ich zu „Zucki“,
„ja! Schon! Wir hatte einmal bei einem Projekt miteinander etwas miteinander zu tun – bei Sony in Anif, aber das ist sehr lange her, sonst nur gelegentlich miteinander telefoniert. Ich bin ja schon seit 1995 von ABB weg und seitdem habe ich mit EBG nichts mehr zu tun gehabt – zumindest in Salzburg nicht! – Mit ihm, mit Richard B. habe ich viel mehr zu tun gehabt, denn mit ihm habe ich gemeinsam ein Projekt abgewickelt – dieses SAFE ZVG.“
„Zucki“ schüttelte nur den Kopf und wusste nicht recht, was er nun sagen sollte.
Es schien also so zu sein, dass wohl bei einem vorhergehenden Zusammentreffen diese Einstellung von „Hörbi“ mir gegenüber zustande gekommen sei. Zumindest hatte dies nun auch „Zucki“ ins Auge gefasst. Daher begann ich noch mehr darüber nachzudenken, wann, wo, wie und warum ich mit „Hörbi“, bevor ich in dieses Unternehmen gekommen war, zu tun hatte.
Da fiel mir wieder ein, wie dies damals zustande gekommen war, als ich mit „Hörbi“ bei Sony etwas zu tun hatte. Und zwar ging es damals um ein kleines Projekt, wobei dies kaum als Projekt zu bezeichnen ist, bei welchem eine neue Außenbeleuchtung an einem der neu errichteten Betriebsgebäude bei Sony Anif installiert werden sollte. Es war im Frühling 1994, vielleicht Mai, oder Juni, als mein damaliger Chef bei ABB Josef L. zu mir kam und meinte, es gäbe ein kleines Projekt bei Sony, wo wir eine kleine Berechnung für eine Beleuchtung erstellen sollten und danach dafür ein Angebot, direkt an die Betriebsführung bei Sony, also DADC Austria, in Anif legen sollten. Wobei ich darüber mehr als überrascht war, denn es war damals allgemein bekannt, alle Aufträge bei Sony werden an EBG vergeben. So war es auch bei der Betriebshalle, welche nun neu errichtet wurde, wofür nun zusätzlich eine Außenbeleuchtung installiert werden sollte. Die Ansiedlung von Sony mit dem CD-Weck war eben politisch eingefädelt und so wurden auch die Aufträge an Firmen politisch vergeben und hier war eben EBG stets am Zug, Aufträge im Bereich der elektrotechnischen Ausrüstung für die Werkshallen und Anlagen zu erhalten. Aufträge bei Sony in Anif, wie auch in Thalgau, waren eben „Fünfer“-Projekte. Wobei es allerdings zwischen EBG und ABB damals eine Vereinbarung gab, dass ABB bei diesen Aufträgen stets die Verteileranlagen liefern sollte, hatte die ABB, wie auch immer noch, mit dem MNS-System ein Schaltanlagenfabrikat für typgeprüfte Schaltanlagen, welches mit einem Rolls Royce mit anderen Herstellern verglichen werden kann, die EBG allerdings keinerlei eigene Fabrikate auf diesem Gebiet, und damals auch bei konventionellen Schaltanlagen von der Werkstätte in Linz einen exzellenten Ruf. Daher war auch immer klar, wie solche Projekte bei Sony ablaufen und jeder wusste, wie er sich zu verhalten hatte – eben im „alten System“.
Nun aber sollte ich eine Beleuchtungsberechnung für eine Außenbeleuchtung an einer neuen Werkshalle anstellen, einer Halle, welche gerade mal vielleicht hundert Meter lang war, bei der der Weg zwischen dieser neuen Halle und bestehenden Hallen normgerecht ausgeleuchtet wird und danach dafür ein Angebot erstellen. Dabei ging es gerade mal um drei Leuchten, welche hierfür erforderlich waren. Also von einem Projekt kann man hier auch nicht wirklich sprechen. Mein Chef hatte mir dies angeschafft, daher habe ich eben diese Berechnung angestellt und danach dafür auch ein Angebot erstellt, wie es sich gehört.
Ich hatte allerdings danach nichts mehr davon gehört. Was mich allerdings auch nicht wirklich wunderte, denn, wer um alles in der Welt, würde schon eine ganze Halle von einem Unternehmen installieren lassen, danach allerdings drei Leuchten von einem anderen Unternehmen an der Halle anbringen lassen. Daher hatte ich darüber auch nicht weiter nachgedacht.
Kurz nachdem dieses Projekt „SAFE ZVG“, welches ich zusammen mit Richard B. als Subauftrag an ABB, bei welchen wir damals circa 30 Prozent des Gesamtauftragsvolumens als Subauftrag erhielten, begonnen hatte, es war vielleicht Ende September, Anfang Oktober 1994, kam plötzlich mein Chef auf mich zu und meinte, ich sollte ihm, vielmehr Erich H. von EBG einen Gefallen tun, denn dieser hätte nun Abnahme bei seinem Projekt der neuen Werkshalle bei Sony Anif, ihm würden allerdings noch die Außenleuchten fehlen, weshalb dies einen Mängelpunkt bei der Abnahme darstellen würde, der so allerdings nicht sein sollte. Hier wären zwar schon Leuchten montiert, allerdings die falschen. Deshalb sollte ich nun diese Außenleuchten, es handelte sich dabei um BEGA Leuchten, bei Zumtobel, welche die Handelsvertretung für BEGA Leuchten in Österreich hat, in deren Niederlassung abholen und „Hörbi“, so wurde er schon damals genannt, auf die Baustelle bringen, er würde dort darauf warten, könnte allerdings nicht weg, da er mit dem Auftraggeber in einer Besprechung bezüglich der Abnahme sein würde. Und mein Chef meinte noch, es würde sich um jene Leuchten handeln, welche ich schon für Sony berechnet und dafür ein Angebot gelegt hätte, Zumtobel hätte diese drei Leuchten auch bereits bei sich lagernd, allerdings müssten diese noch auf die Baustelle gebracht werden.
Nun war ich noch viel mehr überrascht, denn EBG hatte damals ihr Firmengebäude im Süden Salzburgs und der Weg von dort nach Anif führte nicht weit an der Niederlassung von Zumtobel in Salzburg vorbei, weshalb es doch das einfachste gewesen wäre, hätte diese Leuchten doch „Hörbi“, als er nach Anif gefahren ist, einfach von dort mitgenommen – es wäre doch direkt am Weg gelegen.
Ich hatte noch einige Male nachgefragt, denn all dies war mit einem derartigen Schmunzeln im Gesicht von Franz L. verbunden, weshalb ich ihm beinahe nicht geglaubt hätte. Aber dann meinte er, „Hörbi“ hätte eben nicht die richtigen Leuchten angeboten, weshalb danach auch an uns die Anfrage gestellt wurde, der Auftrag allerdings, wie jeder Auftrag trotzdem an EBG vergeben wurde, in der Hoffnung, doch die richtigen Leuchten zu erhalten, was allerdings von „Hörbi“ nicht geschah.
Ich holte danach diese drei Leuchten, brachte sie auf die Baustelle bei Sony in Anif, konnte dort allerdings niemanden von EBG antreffen, weshalb ich mit „Hörbi“ telefonierte, dieser allerdings offensichtlich tatsächlich in einer Besprechung war und zu mir meinte, er hätte keine Zeit und ich sollte für ihn doch diese Leuchten in deren Container ablegen, dieser müsste geöffnet sein.
Offensichtlich hatte man sich damals mit „Hörbi“ gespielt und ich wurde dabei mit hineingezogen. Vielleicht war „Hörbi“ auch damals bereits solch ein Spinner, welchem wohl eben einmal eine kleine Lehre erteilt werden sollte. Und dies dürfte offensichtlich in „Hörbi“ geschlummert sein, worauf er nun neun Jahre gewartet hatte, um mir dies zurückzuzahlen!
Für mich war nun klar, dieser Mann ist ein verrückter Spinner – mehr nicht!
Dies war zwar nun die Erklärung für das Verhalten von Erich H., genannt „Hörbi“, mir gegenüber und warum er mich als erstes eine Beleuchtungsberechnung für sein Projekt durchführen ließ, wobei er sofort erkannt haben will, ich könnte dies nicht.
Es erklärte allerdings nicht das Verhalten all der anderen Kollegen. Also musste hier wohl noch etwas anderes sein! Dieses Gerede darüber, ich sollte hier neuer Geschäftsführer werden, das hatte ich erst gar nicht ernst genommen – was ich allerdings tun hätte sollen!
Außerdem müsste er aus meiner Sicht für verrückt erklärt werden, wenn er nach so vielen Jahren, nach solch einer Lappalie, noch dazu, woran er selbst schuld war und ich nur zufällig daran beteiligt war, auf solche Art und Weise auf Rache sühnt.
Nachdem mir klargeworden war, was hier vorgefallen sein könnte, hatte ich dies auch „Zucki“ erzählt, worüber er nur den Kopf schütteln konnte. Wobei ich mir nicht ganz sicher war, ob er dies auch verstanden hatte.
(2019-09-03)