Wien, Donnerstag, der 30. August 2007:
Ganze drei Wochen hatte ich nun meiner Montage Mannschaft inklusive dem von uns beauftragten Subunternehmen auf der Baustelle in Baden zugesehen, wie sie eigentlich nichts getan haben. Beinahe jeden Tag war ich nun vor Ort und habe mir diese Misere ansehen können. Heute war ich zuvor noch auf der Baustelle in Wiener Neustadt, welche wir zuvor „abgeschlossen“ hatten, denn dort sollten wir noch keine Arbeiten erledigen. Sogar eine Zusatzleistung hatte ich noch an Land gezogen, welche wir, sobald dafür wieder Zeit ist, ausführen sollen. Mit dem dafür erst zu erstellenden Angebot und der Beauftragung würde sich dies auch zeitlich gut ausgehen, dachte ich mir, denn vor Oktober würde es nicht so weit kommen, diesen kleinen Auftrag zu erhalten und Ende September muss schließlich diese Abteilung für das Krankenhaus in Baden erst fertig werden – wenn auch nur der erste Teil. Aber für den zweiten Teil wäre danach auch – vergleichsweise – ausreichend Zeit.
Aber als ich am Rückweg von Wr. Neustadt war, es war mittlerweile längst über sieben Uhr am Abend geworden, dachte ich mir, ich nütze dies und fahre noch in Baden auf der Baustelle vorbei, gehe die gesamte Baustelle ab und sehe mir einmal im Detail an, was sie nun tatsächlich geleistet hatten. Zudem hatte ich auch noch den Fotoapparat dabei, um dies auch bildlich festzuhalten.
Gegen halb acht Uhr am Abend kam ich dann auf der Baustelle an. Es war natürlich, obwohl die Zeit mehr als drängte, niemand mehr auf der Baustelle anzufinden. Von meinen Leuten schon gar nicht. Daher lief ich die gesamte Baustelle ab, ohne dabei gestört zu werden, hatte dabei allerdings feststellen müssen, es war die gesamten letzten drei Wochen eigentlich überhaupt nichts geschehen. Nichts! Es schein, als hätten sie überhaupt nichts getan. Viele der Kabel hingen noch genauso von der Decke, wie ich sie seit drei Wochen immer wieder sehe.
Etwas frustriert dachte ich mir daher, vergiss es! Es bringt ohnedies nichts mehr. Es ist zudem immer wieder das Gleiche. Wenn ich in ein neues Unternehmen komme, dann dauert es nicht lange, bis sich das Gerücht verbreitet, ich sollte dort innerhalb kürzester Zeit eine leitende Funktion übernehmen, meist gibt es dafür allerdings schon jemanden, welcher seit schon Jahre darauf wartet, diese Position endlich einzunehmen, dann werde ich ins Spiel gebracht und es wird alles nur Erdenkliche unternommen, dies zu verhindern. Und dann geschehen eben auch solche Dinge wie, auf Baustellen, welche in meiner Verantwortung liegen, geschieht einfach nichts mehr. Als möchte man mich damit in die Knie zwingen, als möchte man mich damit für unfähig hinstellen, verantwortungsvolle Positionen zu übernehmen, als möchte man mich damit regelrecht aufreiben, mich zerstören. Dabei habe ich damit überhaupt nichts zu tun.
Auch hier in diesem Unternehmen war es nun so, dass der bisherige Leiter der Abteilung Helmut K., eine der noch verbliebenen grauen Eminenzen im Unternehmen bald in Pension gehen wird, -von vielen wurde er allerdings nur „Körnchen“ genannt, – ein genauer Termin dafür stand allerdings noch nicht fest, mit Franz K. stand allerdings bereits längst einen potentiellen Nachfolger fest, auch wenn er sich dafür offensichtlich überhaupt nicht eignete, es ihm so gut wie an allem fehlte, was zur Leitung einer Abteilung erforderlich wäre. Interessanter Weise waren es meist auch dessen Befürworter, welchen den bisherigen Leiter lediglich als „Körnchen“ bezeichneten.
Nun, da ich die ganze Baustelle ablief, ein Foto nach dem anderen von der Misere schoss, kam mir die Einsicht, es würde auch nichts mehr bringen, wenn ich nun noch einmal Wind in die Truppe bringen würde, denn es würde ihnen lediglich Spaß machen. Nicht umsonst hatte doch Franz K. diese „Task Force“ ins Leben gerufen, welche diese Baustelle noch einmal herumreißen sollte, geschehen ist allerdings genau das Gegenteil. Ab dem Erscheinen von Herbert W., den „Chef“ dieser „Task Force“ geschah rein gar nichts mehr.
Daher kam ich zum Ergebnis, auch ich werde nun nichts mehr tun – nur mehr das unbedingt Erforderliche. Ich erledige nur mehr jene Aufgaben, welche ich unbedingt erledigen muss, sodass dies keinem direkt auffällt, wenn auch ich nichts mehr tue! Denn wozu sollte ich mich für solche Leute aufreiben. Es bringt ohnedies einfach nichts. Letztlich mache ich ja meine Arbeit nicht für mich, sondern für das Unternehmen, für welches ich eben gerade tätig bin und hier tragen alle gemeinsam zu Erfolg bei – oder eben auch zum Misserfolg. Wobei ich mittlerweile zur Ansicht gekommen war, denen scheint alles dermaßen egal zu sein, sodass sie, nur um „ihre Leute“ an die richtigen Positionen bringen können, auch die gesamte Abteilung, ja auch das gesamte Unternehmen aufs Spiel setzen. Daher war für mich ab diesem Zeitpunkt klar, ich mache nur mehr, was unbedingt erforderlich ist, um den Rest kümmere ich mich in gar keiner Weise mehr – egal was danach geschieht. Sollen sie mich doch einfach „wegtun“, so wie sie dies immer wieder bezeichnen, dann ist es eben so. Sonst geht dies für immer und immer weiter.
So setzte ich mich wieder in mein Auto, fuhr in meine Wohnung in Wien, aß eine Kleinigkeit und fuhr danach mit der U-Bahn in die Innenstadt, um mir dort ein paar Biere zu gönnen. Dabei ging ich, wie beinahe immer, in dieses „1516“ in der Schwarzenberg Straße. Wusste ich doch, auch dort würde ich ihre Gesinnungsgenossen finden und ich könnte ihnen auch dort schon einmal zeigen, dass es mir einfach gänzlich egal ist, was sie tun. Bereits seit einiger Zeit hatte ich mit dem Kellner, welche diese Bar im Erdgeschoß leitet, schon kein einziges Wort mehr gewechselt. Ein Abend lief meist nur durch die Verwendung von Handzeichen, Kopfdeuten und sonstigen Gesten ab, trank dabei meist drei kleine Biere und verschwand wieder. Dazu war mir schon viel zu oft aufgefallen, sie wissen stets über alles Bescheid, was ich während meiner Arbeit erlebe, unterhielten sich dabei ganz offen neben mir darüber und meinten sogar, sich darüber auch noch lustig machen zu können.
Aber an diesem Abend war mir dies nun einfach egal. Ich dachte mir, sollen sie mich doch einfach weg machen! Und, da ich wusste, sie gehören zusammen, sollen sie mich auch ganz einfach hier wegtun. Mich kümmert es nicht mehr – bringt dies doch ohnedies nichts.
Um ihnen zu zeigen, dass mir all ihr tun nun gänzlich egal ist, hatte ich dann den Kellner sogar noch auf ein Getränk seiner Wahl eingeladen. Ganz verdutzt sah mich dieser an und rätselte, was denn dies nun bedeuten sollte – schließlich stellte er zwei Jägermeister auf den Tresen. Das sah ihm ähnlich. Mehr hätte ich auch nicht erwartet. Widerwillig aber doch, trank ich nun mit ihm diesen Jägermeister, wollte auch noch ein Gespräch mit ihm anfangen und fragte ihn,
“und wie geht es Olga?“
„Der geht es gut“,
antwortete er kurz darauf, ging wahrscheinlich allerdings deshalb sofort wieder weg von mir. Es schien ihm wohl klar zu sein, warum ich Olga, eine Russin, welche von Herbst 2005 bis Anfang Sommer 2006 in diesem Lokal arbeitete, welche sie dafür verwenden wollten, ein gleiches Theater wie die Jahre zuvor mit dieser „Silly“ in Mondsee anzuzetteln. Allerdings war ich ihnen darauf nicht eingestiegen und dies ging gänzlich ins Leere. Zudem schien diese Olga auch etwas anders gestrickt zu sein, ich als ich sie zum letzten Male in diesem Lokal sah, hörte ich nur die Worte,
„weg aus Europa!“
von ihr.
Angeblich soll sie danach auch nach Texas gegangen sein. Ich weiß dies allerdings nicht, hatte ich sie doch nie mehr gesehen.
An diesem Abend blieb ich viel länger als üblich. Erst mit der letzten U-Bahn fuhr ich zurück nach Liesing in meine Wohnung. Doch als ich in meiner kleinen Wohnung angekommen war, mich erst einmal kurz aufs Bett gelegt hatte, bemerkte ich, mir ist schwer über. Nicht etwa von den Getränken, denn so viel hatte ich nun auch wieder nicht getrunken, aber jeder kleine Gedanke an diese für mich gänzlich abartigen Personen drehte mir sofort den Magen um. Lang lag ich nicht auf dem Bett, musste ich schon ins Bad laufen – und zwar im Laufschritt!
(2019-04-13)