Frankfurt, Mittwoch, 15.1.2020 12:45 Uhr:
Verbrachte gerade eben, wie üblich, die Mittagspause im Supermarkt.
Als ich an der Kasse in der Schlage stand, drehte sich plötzlich eine der beiden Kassiererinnen zu ihrer Kollegin um und meinte,
„jetzt kommt er!“
Und lächelte dabei. Weshalb ich den Eingang beobachtete, wer denn nun kommen würde. Da sah ich plötzlich den Pensionisten aus Dresden, wie er durch die Tür herein wackelte.
Wenige Augenblicke später meinte eine Frau hinter mir in der Schlange,
„wie ist denn das jetzt aufgekommen?“
Worauf eine weitere Frau meinte,
„er hat es reingetan in seine … Dings – dass es kein Winder ist, wenn der Laden hier zusperren muss, wenn dauernd solche Leute hier drinnen sind und andere Leute vertreiben! – Jetzt ist es auch aufgekommen, dass die bei der Stasi waren!“
Auch die Kassiererin war heute richtig angenehm freundlich zu mir.
Finde ich richtig schön, wenn ich höre, wie über meine Notizen und Berichte gesprochen wird!
Wobei mich dies immer wieder auch daran erinnert, dass diese „Stasi-Liste, welche seit vielen Jahren im Internet kursiert, keinesfalls vollständig sein kann. Zudem gab es ja auch unzählige, welche in voreilendem Gehorsam taten, was das SED-Regime von ihnen wollte. Vor allem aus dem Staatsapparat – und dies waren nun mal alleine schon 3,5 Millionen Leute!
Dabei fiel mir auch noch ein, was sich am Montag Mittag an den Tischen der Bäckerei zugetragen hat. Wollte sich doch glatt einer von zwei jungen Männern, die noch dazu in der Bäckerei eingekauft hatten, an den „Stammtisch“ der beiden Pensionisten aus Dresden setzen. Worauf der zweite völlig entgeistert meinte,
„bist Du wahnsinnig!“
Worauf sich beide an den Tisch daneben gesetzt hatten. Obwohl die beiden Pensionisten aus Dresden an diesem Tag gar nicht da waren. Zumindest nicht in der Zeit, in der auch ich im Markt war.
Als ich dann selbst wieder beim Bäcker an einem der Tische saß, kam nur wenige Minuten später auch die Frau der beiden Pensionisten von der Tiefgarage in den Markt. Beide kommen ja gar nicht aus der näheren Umgebung, sondern müssen mit dem Auto ein gutes Stück zum Markt fahren. Ich sehe sie hin und wieder mit dem Auto fahren, wenn sie wenig später dann in der Bäckerei erscheinen.
Als die beiden dann an ihren „Stammtisch“ Platz genommen hatten, beide blicken mich seit Wochen nur mehr böse an, wenn sie mich sehen, meinte sie zu ihrem Mann,
„das ist ein Volksmensch! – Ein Volksmensch ist das!“
Was offensichtlich ein Schimpfwort gegen mich sein soll.
Aber das müssten sie eigentlich selbst besser wissen, dass es nicht gut ist, wenn eine Regierung gegen ihr eigenes Volk regiert. Und dass es ebenfalls nicht gut ist, wenn man sich als Erfüllungsgehilfe für solch ein Regime entpuppt. Waren es doch „nur“ einige Hunderttausende, welche wöchentlich gegen das SED-Regime demonstriert hatten – als eigentlich eine Minderheit, wenngleich viele es einfach nicht wagten, dabei mit zu demonstrieren – welche dabei riefen, „wir sind das Volk!“
Daher würde ich solch eine Aussage auch nicht als Schimpfwort auffassen, wenngleich dies sicher so gemeint war, sondern eher als Bestätigung und Gutheißen dessen, was ich tue.
Wieder am Rückweg ins Büro, wobei ich noch im Baumarkt vorbei schaute, kam mir eine ganze Schar junger Männer entgegen. Als ich dann an ihnen vorbei ging, meinte einer,
„der soll jetzt alle reintun, die bei dem dabei sind!“
Darauf ein zweiter Mann,
„wenn er das noch kann?“
Was mich wieder darauf bringt, es sind wohl doch nicht alle dabei! Sondern in Wirklichkeit nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Aber es traut sich eben kaum mehr einer öffentlich zu sagen, was er sich denkt! Dies liest man ja mittlerweile auch immer wieder in verschiedenen Tageszeitungen.
Dies liegt allerdings an diesem ominösen „Polizeidienst“. Wobei darin das Problem liegt, dass hier tatsächlich auch Leute der Staatsmacht mit dabei sind. Jedenfalls lassen sie keinen Zweifel daran, dass dies so ist! – Und dieser ominöse „Polizeidienst“ bedient sich wiederum unter anderem solcher Leute, wie den beiden Pensionisten aus Dresden. Wobei deren Seilschaften eben immer noch stehen. Weshalb sollen sie auch am 9.11.1989 oder am 3.10.1990 plötzlich einfach verschwunden sein!
Daher darf es eigentlich auch niemanden wundern, wenn eigentlich viel mehr gegen dieses „System“, diese „Neue Gemeinschaft“, diese „Neue Gesellschaft“ sind, obwohl kaum jemand offen darüber spricht!