„Das hat mit Ungerechtigkeit überhaupt nichts zu tun“
Wien, Freitag, der 1. Juni 2018:
Nachdem ich mir nun alleine schon aus Protest die Haare lang wachsen lasse, will ich doch mit diesen nun alle kurzgeschorenen Möchtegernguten nichts zu tun haben, muss ich nur mehr sehr selten zum Friseur. Doch hin und wieder sollte man sie sich doch zurechtstutzen lassen, daher nützte ich das verlängerte Wochenende um dies zu tun und vereinbarte mir für diesen Tag um halb elf Uhr am Vormittag einen Termin beim Friseur. Und, dies mache ich praktischer Weise gleich bei jenem Friseur, bei welchem ich schon die ganzen Jahre über bin, nämlich in der Nähe meiner alten Wohnung, wenn man dabei überhaupt von Wohnung sprechen kann, in Alterlaa.
Also fuhr ich gegen zehn Uhr mit meinem Auto nach Alterlaa hinaus, stellte mein Auto dort am Parkplatz beim Interspar ab, da ich im Anschluss ohnedies noch einen Kaffee in Landtmann‘s Patisserie wollte und ging von dort aus die wenigen Meter zum Friseur zu Fuß. Doch kaum war ich an der U-Bahnhaltestelle Alterlaa vorbei gegangen, kamen mir zwei Frauen mittleren Alters entgegen. Dabei sah mich eine an, lächelte etwas abwertend, als sie mich sah und meinte dann zu ihrer Begleiterin,
„das machen die draußen genau so, das hat mit Ungerechtigkeit überhaupt nichts zu tun!“
Ich glaube, ich muss erst gar nicht näher erwähnen, dass ich beide Frauen noch nie in meinem Leben zuvor wahr genommen hatte. Aber trotzdem wissen sie ganz genau, wenn die „draußen“, und damit wird sie wohl Deutschland meinen, dies genau so tun, dann hat das mit Ungerechtigkeit überhaupt nichts zu tun. Man denkt offensichtlich erst gar nicht nach, bevor etwas „getan“ wird. Sobald dies andere auch tun, dann ist dies schon in Ordnung so! So sieht es zumindest aus!
Was also sollte ich mich diesen Frauen tun? – Sollte ich sie etwa ansprechen und zur Rede stellen? – Das bringt in solch einem Fall überhaupt nichts, denn sonst würden sie sich einfach so geben, wie sie tatsächlich sind, nämlich blöd!
Also ging ich weiter zum Friseur. Dort angekommen setzte ich mich an meine Platz, bekam einen Kaffee angeboten, welchen ich sonst eigentlich nicht annehme, aber an diesem Tag war mir einfach danach.
Kaum saß ich allerdings auf meinem Stuhl und ließ mir die Haare schneiden, da ging plötzlich die Eingangstüre in den Friseurladen auf und eine Männerstimme war zu hören, die da meinte,
„der wird Euch dann abgehen!“
Drehte wieder um und verschwand wieder.
Selbst überrascht davon meinten die beiden Kolleginnen, welche noch im Laden beschäftigt waren,
„wieso wir? Wir haben doch mit dem überhaupt nichts zu tun!“
Und eine der beiden, sie schneidet mir sonst meist die Haare, blickte dabei auch noch ganz verwundert zu mir herüber.
Was soll ich dazu sagen …
Mein „Spitzen schneiden“ lassen dauerte nicht lange, daher war ich gegen elf Uhr schon wieder fertig und ging, so wie ich es mir zuvor vorgenommen hatte, noch in die „Patisserie“ in diesem Gewerbepark in Alterlaa. Dort setzte ich mich, so wie ich es früher, als ich noch in der Nähe wohnte, an einen Platz im Garten und bestellte mir, was sonst, eine Melange. Sonst geschah dabei nichts weiter Erwähnenswertes. Doch danach bestellte ich mir noch, da es doch etwas heiß war an diesem Tag, ein gemischtes Eis. Also nahm die Bedienung auch noch dafür meine Bestellung auf und wenige Minuten später kam eine anderen Bedienung zur Gartentür heraus und fragte jene Bedienung, welche zuvor meine Bestellung aufgenommen hatte, wer denn dieses Eis bekommt, denn, und nun zitiere ich sie wörtlich,
„ich habe den Bon sofort weggeschmissen, denn ich habe mir gleich gedacht, dass das der ist und da kommen in mir schlechte Erinnerungen auf.“
Aha, dachte ich mir, schlechte Erinnerungen kommen also bei ihr auf, wenn sie feststellt, ich könnte im Garten sitzen und mir, so wie manchmal noch vor einigen Jahren, auch noch ein Eis bestellen. Aber, ich glaube, das sind keine schlechten Erinnerungen, sondern hier tritt das schlechte Gewissen zu Tage. Denn ich wüsste nicht, weshalb sie meinetwegen schlechte Erinnerungen haben könnte. Außer dem, was sie selbst angestellt hat.
Die beiden Bedienungen, mit welchen ich an diesem Tag zu tun hatte, waren übrigens die einzigen beiden, welche noch dort arbeiten, seit dem ich im November 2015 aus Alterlaa weggezogen bin.
(2018-06-27)