„Die neue Mafia!“
Stuttgart, Montag, der 22. April 2013:
Nun hatten wir in unserem Sachgebiet, wie unsere Gruppe im Amtsdeuts genannt wird, jeden Monat eine sogenannte „interne Runde“, also eine interne Besprechung im Sachgebiet, bei der es nicht nur um Neuerungen, Veränderungen und sonstige Belange innerhalb des Dienstes im Amt, sondern auch um aktuelle Projekte, neue, anstehende Projekte und die Zuständigkeiten der einzelnen Mitarbeiter und deren Aufgaben für diese Projekte ging. Diese Besprechung sollte eigentlich jeden ersten Montag jedes Monat stattfinden, aber durch die Osterferien und durch andere Termine von einzelnen Kollegen, verschob sich dieser Termin immer wieder einmal und so fand die Besprechung für den April erst an diesem Tag statt. So fanden wir uns also alle aus dem Sachgebiet um neun Uhr am Vormittag im Büro unseres Chefs ein und hielten diese Besprechung an seinem kleinen Besprechungstisch in seinem Büro ab.
Nun ging es allerdings bei diesen Besprechungen auch um Details innerhalb der einzelnen zu bearbeitenden Projekte und darum, wie die einzelnen Aufträge an diverse Firmen zu vergeben sind. Ob das anstehende Projekt eine Größenordnung hat, bei der eine öffentliche Ausschreibung zwingend erforderlich ist, oder ob das Projekt klein genug ist, um die Vergaben als freihändige Vergabe oder gar im Rahmen der sogenannten „Jahreslos“ Arbeiten durchgeführt werden können. Dabei wurden bei diesen Besprechungen manchmal regelrecht Aufträge zugeteilt, sofern sich eine öffentliche Ausschreibung der Leistungen umgehen lassen konnte. Dabei wurde meist regelrecht um Begründungen dafür, eine öffentliche Ausschreibung zu vermeiden, gesucht. Zudem gab es noch ein „Steckenpferd“ unseres Leiters im Sachgebiet, die mechanische Belüftung von Schulklassenzimmern, denn er war der Ansicht, eine Lüftung der Klassenzimmer rein durch das regelmäßige Öffnen der Fenster, sei den Kindern in der Schule, gerade in der kalten Jahreszeit nicht zumutbar. Dafür wurden zur Begründung Normen zitiert, in welchen der für eine ausreichende Lüftung notwendige Luftwechsel festgelegt ist und dies durch das Öffnen der Fenster und den für den dafür erforderlichen Luftwechsel erforderlichen Zeitraum der offenstehenden Fenster für die Kinder nicht tragbar sei. Das ist ja grundsätzlich keine negative Einstellung. Allerdings, wehe den der die Notwendigkeit einer mechanischen Lüftung in Frage stellte.
Auch im Zuge dessen wurden bei diesen Besprechungen immer wieder Aufträge regelrecht zugewiesen und wenn es nur ein Auftrag für die Feststellung der ausreichenden Luftqualität in einzelnen Schulen war.
Aber da meinte einer meiner Kollegen, Andreas M., im Zuge dieser Besprechung,
„das ist ein Wahnsinn, was wir hier tun! Wir teilen hier regelrecht Aufträge zu!“
Darauf meinte unser Leiter im Sachgebiet Mathias M.,
„Naja! Die müssen sehen, dass wir die Mafia sind! – Die neue Mafia!“
Nun war ich doch etwas erschrocken, als ich dies hörte, wollte mir allerdings nichts anmerken lassen, denn mit so etwas hatte ich eigentlich schon gerechnet, aber offensichtlich hatte mein Chef doch bemerkt, dass ich nun etwas erschrocken drein blickte. Daher wandte er sich mir zu und meinte weiter,
„Naja! Die Mafia ist immer und überall allen anderen einen Schritt voraus. Da ist es doch besser, gleich selbst eine Mafia aufzubauen, denn damit macht man diesen Abstand wieder wett!“
Nun war ich noch etwas schockierter. Ich weiß auch gar nicht mehr, wie ich tatsächlich darauf reagiert hatte, aber, so viel ich mich erinnern kann, meinte ich, dies sei allerdings auch keine Lösung. Wovon ich auch überzeugt bin!
Gegen elf Uhr war diese Besprechung wieder zu Ende. Aber nun war ich doch etwas ratlos. Wenigstens wusste ich nun, wie dieses Unding noch genannt wird – die „Neue Mafia“!
(2018-06-10)