“Der totale Wahnsinn!”
A., Montag, der 29. Juni 2010:
Nun war es also so weit. Der Verkehr an der Straße wurde am 26.6.2010 gesperrt, sodass die Arbeiten vor Ort los gehen konnten. Dem war aber nicht so. Wir begannen die Arbeiten tatsächlich erst am 29.6., also am folgenden Montag. Eigentlich hätte laut Vertrag bereits sofort nach der Verkehrssperrung ab 26.6. 17:00 Uhr begonnen werden sollen und dies im Schichtbetrieb durchgehend 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche. Anders hätte der Auftraggeber gar nicht die Zustimmung für die Auszahlung dieser Beschleunigungsvergütung erhalten. Aber das war von Anfang an klar, dass tatsächlich nicht rund um die Uhr gearbeitet werden würde. Vielmehr war dies einfach nur eine Show um den Eindruck zu erwecken, das Ziel dieser vorzeitigen Verkehrsfreigabe wäre kaum zu erreichen. Zudem hatte ich ja auch den Terminplan für die Arbeiten erstellt und dabei festgestellt, eigentlich könnte sich dieses Ziel doch relativ einfach erreichen lassen.
Nun begannen also die Arbeiten erst am darauffolgenden Montag in der Früh. Da nun jeden Montag Nachmittag um 14:00 Uhr eine Baubesprechung abgehalten wurde, war auch ich an diesem Tag auf der Baustelle. Nach dieser Baubesprechung lief auch ich, wie alle anderen, noch durch die Baustelle durch. Ich hatte zuvor noch nie ein Projekt in der Tunnelausstattung geleitet, daher wusste ich auch nicht wie dies nun ablaufen würde. Mit war zwar schon klar, was nun auf mich zukommen würde und wie so eine Baustelle bei einer Tunnelsanierung abläuft, jedoch selbst hatte ich solch eine Baustelle noch nie geleitet. Für mich war dies daher beinahe Neuland. Aber da ich bereits seit über 20 Jahren Projekte im Bereich der elektrotechnischen Ausrüstung im Bereich der Gebäudetechnik und der Errichtung von elektrotechnischen Anlagen leitete, waren für mich eben nur die Besonderheiten einer solchen Anlage Neuland. Ich wollte mir allerdings schon von Beginn an alles genau ansehen um rechtzeitig reagieren zu können, falls etwas schief laufen würde, daher blieb es bei mir nicht nur bei einem kleinen Rundgang durch einen der beiden Tunnel des ersten Abschnitts, sondern ich bliesen n diesem Tag gleich etwas länger, um mir mit einem der bauleitenden Monteure, mit Peter W., die gesamte Baustelle etwas genauer anzusehen. Wir waren zwar, wie bei fast allen Besprechungen, wieder als große Delegation der Firma D. angereist, mittlerweile war ich aber selbst mit einem eigenen PKW der Firma unterwegs, damit ich auch unabhängig von den Kollegen beweglich war. Aber ich setzte mich zu Peter W. in seinen Firmenbus, um mit ihm die gesamte Baustelle zu besichtigen.
Da saß ich nun. Am Beifahrersitz, neben Peter W., an dem kaum Platz für mich war, so voll gekramt war der Wagen. Zwischen den Füßen leere Getränkeflaschen, darunter auch Bierflaschen, und Peter zeigte mir die Baustelle. Ganz aufgeregt wetzte er auf seinem Fahrersitz hin und her, deutete einmal mit der linken Hand dort hin, dann wieder mit der rechten Hand da hin. Manchmal hätte ich schon fast bedenken, ob es tatsächlich so eine gute Idee war, mit ihm mitzufahren, denn eigentlich wollte ich am Abend wieder heil nach Hause fahren. Aber mittlerweile kannte ich ihn gut genug, um mir nicht ernsthaft sorgen machen zu müssen. So fuhren wie also gemeinsam die gesamte Baustelle ab, die ja immerhin 4,5 Kilometer lang war. Einmal dort hin, dann da hin, Kreuz und Quer, hin und her und Peter W. meinte dabei,
“der totale Wahnsinn”
Er dachte wohl, ich wäre nun so schwer beeindruckt und würde gar nicht mehr mitbekommen, was er mir alles zeigte. Aber dem war nicht so. Das Meiste hatte ich schon erwartet und eben auch, Peter W. würde mir eine Show präsentieren, damit ich nur ja sehr, wie aufwändig und schwierig denn die Arbeiten vor Ort seien. Von totalem Wahnsinn war aber keine Spur. Gut, es stand schon eine Menge Arbeit bevor, bis die Anlage fertig saniert sein würde, aber nach meinem Terminplan ginge sich dies schön aus. Und wenn man weiß, wie man solch einen Terminplan erstellt, dann weiß man auch, es ist auch immer genügend Zeitreserve in die einzelnen Arbeitsabläufe einzuplanen. Genau dies hatte ich auch getan und trotzdem würde der geplante Fertigstellungstermin einzuhalten sein. Ich tat auch gut daran, denn meine eingeplanten Reserven würden bald verbraucht sein. Nicht etwa durch tatsächlich unvorhersehbare Vorkommnisse, sondern durch Störaktionen aus den eigenen Reihen.
Aber von totalem Wahnsinn keine Spur.
Selbst zuvor in der Baubesprechung wurde schon über die eigentlich vertraglich vereinbarte Arbeitszeit rund um die Uhr gesprochen, welche allerdings schon an den ersten Tagen nicht eingehalten wurde. Man einigte sich dabei auf eine Arbeitszeit von 10 Stunden pro Tag, mit einer Mittagspause von einer Stunde, und dies von Montag bis Freitag. Nur in Ausnahmefällen würde auch nachts, oder am Wochenende gearbeitet. Dies sollte aber als interne Vereinbarung gelten, da sonst die Gefahr bestünde, seitens anderer Verantwortlicher beim Auftraggeber könnte sonst Einspruch gegen die Ausbezahlung dieser vorgesehenen Beschleunigungsvergütung erhoben werden. Und gerade die war doch D. so sehr wichtig!
Eines wurde dabei aber auch wieder einmal ganz klar, seitens des Auftraggebers würde man auch alles versuchen, D. diese doch von ihm so heiß ersehnte Beschleunigungsvergütung zukommen zu lassen!