Der Nachfolger
W.-E., Dienstag, der 6. April 2010:
Am Dienstag, dem 6.4.2010, es war der erste Arbeitstag nach den Osterfeiertagen, kam ich wie jeden Morgen kurz vor 8 Uhr in die Arbeit. Doch an diesem Tag war etwas anders, es stand ein neues Firmenauto, leicht erkennbar an den Initialen von Herrn D. im Kennzeichen, vor dem Eingang. Noch dazu auf dem Parkplatz von Herrn D. Ein Audi A6 Quattro mit getönten Scheiben. Als ich den Wagen sah, dachte ich mir, dies passt einfach nicht zu D. Und auch sonst konnte ich mir nicht vorstellen, dass einer der Mitarbeiter von D. solch ein Auto von D. als neues Dienstauto erhält. Daher musste es etwas Neues im Unternehmen geben, eine Veränderung, welche bisher nicht möglich war. Irgendwie war die Situation seltsam. Aber ich war die letzten zwei Tage nicht in der Arbeit. Die Woche zuvor, die Karwoche, hatte ich mir ab Mittwoch Urlaub genommen, sodass es durchaus sein konnte, ich hätte irgendetwas nicht mitbekommen und an mir vorbei gegangen ist. Aber dabei war ich doch nur zwei Tage weg.
Ich begann also meinen Arbeitstag wie sonst auch, holte mir, kurz nachdem ich an meinen Arbeitsplatz gegangen bin, einen Kaffee und stellte mich vor die Eingangstür um eine Zigarette zu rauchen. Kaum wieder zurück an meinem Arbeitsplatz, meinte meine Kollegin, Tamara F., die Kamera F., wie sie sich auch gelegentlich bei einem internen Anruf am Telefon meldete, welche mir direkt gegenüber am Tisch saß, vor sich her redend, „bin gespannt, wie er heute reagiert.“ Ich dachte mir weiter nichts, denn solche Äußerungen, ohne jemanden direkt anzusprechen, kamen von meiner Kollegin eigentlich ständig. Daher hatte ich dies schon beinahe nicht mehr wahr genommen. Aber kurze Zeit später hörte man D. mit einer weiteren Person durch das Gebäude gehen und in jedes Büro eintreten um dabei jemanden vorzustellen. Kurze Zeit später stand er auch bei mir im Büro und meinte, nachdem er kurz aber tief Luft geholt hatte, „und das ist mein Nachfolger!“ Ich weiß nicht, was man sich von mir nun bei D. erwartet hätte, aber irgendwie war man etwas enttäuscht, da ich so gut wie kaum darauf reagiert hatte. Denn ich dachte mir lediglich, ohne auch nur den Bruchteil einer Sekunde nachzudenken, „na, Gott sei Dank, dann brauch‘ ich wenigstens nicht mehr reden mit D.“
Ich weiß nicht, welche Reaktion sich D. von mir in diesem Augenblick erwartet hätte, aber es war jedenfalls nicht das, was er offensichtlich bewirken wollte, daher wollte er es besonders spannend gestalten. Dies misslang allerdings vollkommen, denn ich war wirklich froh, selbst nun nicht mehr mit der Nachfolge von D. in Verbindung gebracht werden zu können und somit dieses Kapitel endlich abschließen zu können.
Schon bei meinem Bewerbungsgespräch im November des abgelaufenen Jahres hatte er mich nach Beendigung des Gespräches noch gebeten, mit ihm mitzukommen. Er wolle mir noch das Unternehmen etwas zeigen. Dies allerdings ohne die Vertreterin des Headhunters, welche mich zu diesem Unternehmen vermittelt hatte und auch ohne Ingo W., welcher neben D. auch noch bei meinem Bewerbungsgespräch dabei war. Nun ging ich also mit D. noch in die Werkstatt, wie es genannt wurde, also jenem Bereich, in welchem die Schaltschränke gefertigt werden. Außer dem Werkstättenleiter war sonst niemand mehr da. D. stellte mich vor und führte mich weiter durch die Werkstätte. Plötzlich fragte mich D., ob ich nicht eine Zigarette hätte. Als Raucher habe ich nun mal immer welche bei mir und so rauchten wir zusammen in seiner Werkstätte. Am Rundgang durch die Werkstätte zeigte mir D. plötzlich ein Schild, welches an einem der Regale im Lager montiert war. Darauf stand ein Gruß von der Belegschaft zu seinem 40 jährigem Firmenjubiläum und D. meinte in seiner unverkennbaren Art, „hhh! – Such´ einen Nachfolger!“ Ich stand daneben und dachte mir, nicht schon wieder! Denn dies hatte ich in den Firmen, in welchen in zuvor gearbeitet hatte, auch schon erlebt. Ohne etwas selbst dazu beizutragen kam ich immer wieder ins Gespräch, ein Nachfolger für eine Führungsposition im Unternehmen zu werden und dies kann nicht gut ausgehen und dies ging auch nie gut aus. Daher hatte ich schon damals, nach Ende dieses Vorstellungsgespräches gehofft, doch noch eine andere Anstellung zu finden, sodass ich nicht schon wieder in solch ein Dilemma komme. Es blieb mir dann allerdings nichts anderes mehr übrig, als diese Anstellung anzunehmen.
So begann ich am 10.1.2010 meine Tätigkeit bei Firma D. Kaum zu arbeiten begonnen, kam Herr D. an meinem zweiten Arbeitstag zur Mittagszeit, meine Kollegin Tamara F. ging gerade zur Mittagspause, an meinen Arbeitsplatz und setzte sich mir gegenüber auf den Arbeitsplatz meiner Kollegin und begann mir aus seinem Leben zu erzählen. Und auch da meinte er wieder, „ich suche einen Nachfolger! Haben Sie Interesse?“ Ich sah D. kurz an, meinte, „naja, die Ausbildung dafür hätte ich“, aber einen wirklich dazu entschlossenen Eindruck dafür wollte ich ihm nicht entgegen bringen. Er erzählte mir noch weiter von sich, seinem Leben und seinem Unternehmen. Ich wollte ihm nicht ins Wort fallen, daher ließ ich ihn weiter erzählen, sagte dann aber, nun sei ich doch erst den zweiten Tag in seiner Firma, vielleicht sollte man erst einmal abwarten, wie sich das hier entwickelt und dann sollte man noch einmal darüber sprechen. Herr D. erzählte mir noch weiter von seinen Vorhaben innerhalb des Unternehmens und meinte dann noch einmal, „haben Sie Interesse?“ Ich antwortete darauf, „ja meinen Sie dies jetzt wirklich ernst?“ Herr D. meinte noch, „ich brauch‘ eine Führungsmannschaft“, hörte dann aber plötzlich auf weiter davon zu sprechen. Ich wollte ihm einfach nicht darauf einsteigen, denn viel zu oft hatte ich zuvor sehr schlechte Erfahrungen mit Spielereien von Vorgesetzten gemacht. Daher meinte ich noch, „jetzt schauen wir einmal wie dieses Projekt läuft und dann kann man ja immer noch darüber sprechen.“ Eigentlich wollte ich davon nichts mehr hören aber es blieb leider nicht dabei. Dies aber ohne mein Zutun, denn schon nach den ersten Wochen war mir klar, geschäftlich möchte ich mit D. niemals etwas zu tun haben. D. selbst hatte allerdings dies sehr, sehr oft noch, meist wenn ich nicht anwesend war, zur Sprache gebracht. Egal wo. Beim Kunden, in der Gastwirtschaft meiner Vermieterin, bei einem seiner Freunde, einem Anteilshaber des Ingenieurbüros, welches die Planung für dieses Projekt hatte, aber auch bei diversen Lieferanten, welche sich bei Firma D. einfanden. Ich wurde es einfach nicht mehr los, obwohl ich es gar nicht wollte. Zudem, schon Ende Jänner war mir klar, ich möchte keinesfalls in diesem Unternehmen eine leitende Position einnehmen. Viel zu dubios verlief dieses Projekt, für welches ich eigentlich nur in der Planung verantwortlich sein sollte. Bereits im März war mir klar, ich will dieses Unternehmen so rasch wie möglich wieder verlassen und suchte daher bereits wiederintensiv nach einer anderen Anstellung. Daher war meinerseits von einem Interesse der Nachfolger von Herrn D. zu werden, überhaupt keine Rede.
Dazu kam auch noch, Mitte März hatte ich ein Gespräch zwischen Herrn D. und dem Bereichsleiter, meinem direkten Vorgesetzten Markus E., mitbekommen, wo E. zu D. meinte, „was tun wir, wenn der (also ich) geht, bevor der Neue da ist.“ Herr D. antwortete darauf, „dann sagen wir einfach, das wäre ihm viel zu viel gewesen und er ist einfach abgehauen“. Gerade als ich dieses Gespräch mitbekam war mir klar, die wird noch eine sehr mühselige Zeit für mich werden in diesem Unternehmen.
So stand also Herr D. am Vormittag des 6.4.2010 bei mir an meinem Arbeitsplatz und präsentierte mir seinen Nachfolger und meinte offensichtlich, mich damit demütigen zu können. Das ging allerdings gründlich daneben. Ich wechselte noch ein paar Worte mit dem Nachfolger Markus R., wie er hieß, danach verließen sie mein Büro und D. stellte ihn weiter im Unternehmen vor.
Durch Gespräche mit den Kollegen und auch meiner Vermieterin, Markus R. wohnte die erste Zeit in einem der Zimmer im Gästehaus meiner Vermieterin, hatte ich erfahren, Markus R. war zuletzt in der Geschäftsführung in einem Bereich eines sehr großen Baukonzerns, welcher auch am U-Bahnbau in Köln beteiligt war und dabei in einer verantwortlichen Position in jenem Bereich, welche in die tragischen Ereignisse beim Einsturz des Kölner Staatsarchivs involviert war. R. musste daraufhin das Unternehmen verlassen und war ab dieser Zeit nicht beschäftigt. Herr D. holte ihn, er kannte in wohl schon vorher und machte ihn zu seinem Nachfolger, was allerdings bereits seit Mitte 2009 geplant gewesen sein sollte.
Spätestens ab diesem Zeitpunkt war mir klar, was man von D. halten kann.