Endersbach, Mittwoch, der 27. Jänner 2010:
Die ganze Zeit über wurde im Büro schon darüber gesprochen, dass der Auftrag für die Sanierung der Annweiler Tunnelgruppe pauschaliert werden soll. Jedoch ich konnte davon nichts in den mir zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Unterlagen finden.
Nun hatte ich zwar mittlerweile viele Unterlagen, um die Planung für diesen Auftrag durchführen zu können. Jedoch der wirkliche Projektordner, also jener Ordner, in welchem sich alle wichtigen Schriftstücke für diesen Auftrag, der im Übrigen noch gar keiner war, befinden, dazu hatte ich keinen Zugang. Allerdings zur Leistungsbeschreibung und zur Angebotsaufforderung. Und darin stand lediglich, dass dieser Auftrag ach Aufwand abzurechnen sei. Weshalb ich dieses Gerede über eine Pauschalierung dieses Auftrages einfach als Gerücht abtat. Denn dies schien mir doch als etwas abwegig. War doch davon in der Leistungsbeschreibung und Angebotsaufforderung rein gar nichts zu lesen. Jedoch war längst bekannt, dass dieses Unternehmen einen äußerst wesentlichen Beitrag zur Erstellung der Leistungsbeschreibung durch das Planungsbüro beigetragen hatte. Viel mehr, dass die Ausschreibung durch dieses Unternehmen für das beauftragte Planungsbüro ganz einfach erstellt wurde. Das schien mir dann doch als etwas gewagt, würde nun auf Basis des durch das Unternehmen erstellte LV auch noch pauschaliert werden würde. Daher tat ich all das Gerede im Büro über die angebliche bevorstehende Pauschalierung als Unwissenheit der Kollegen und somit als Wunschdenken ab.
Doch, ich saß an diesem Morgen noch gar nicht lange an meinem Arbeitsplatz, da kam Herr D. zu mir an den Arbeitsplatz und trug mir auf, mir Gedanken darüber zu machen, welche Titel der Leistungsbeschreibung für diesen Auftrag pauschaliert werden könnten! Ich dachte mir, nun will mich Herr D. testen. Denn dies schien er ganz gerne mit Mitarbeitern zu tun. Weshalb ich dies einfach zur Kenntnis nahm, und damit begann mir zu überlegen, welche der vielen Titel man denn bei so einem Auftrag, wenn schon nicht der ganze Auftrag pauschaliert werden soll, in Pauschalen packen könnte. Oder vielleicht auch sollte.
Das ging mir auch sehr leicht von der Hand. Denn es gab viele Leistungen, welche wohl eindeutig klar sein müssten und somit auch mit allen Massen im Leistungsverzeichnis erfasst sein müssten. Zudem gab es allerdings auch viele Leistungen, bei welcher wohl eine Abrechnung nach Aufwand, also jedes Teil einzeln gezählt, in Aufmaßblättern erfasst und dann auch noch einzeln abgerechnet sehr aufwendig sein würde. Weshalb ich auf folgende Titel kam, welche man pauschalieren könnte. Das waren:
- Die Baustelleneinrichtung
- Der Titel „Sonstiges“, in welchem auch die Reinigungsarbeiten im Zusammenhang mit den Leistungen beschrieben waren
- Die Ersatzteile
- Die Demontagen
- Die Installation der Betriebsräume
- Die Verkehrssicherung
- Die NSHV-Anlagen
- Die Verkabelungen
- Die Kabeltrassen
- Die Rauch- und Druckschutzanlagen (RDA-Anlagen)
- Die Installationsböden
- Die Steuerschaltschränke
- Die Messwerterfassung
- Lüftungssteuerung
- Die Elektro- und Notrufnischen
Natürlich war ich bei der Auswahl meiner Titel für eine mögliche Pauschalierung auch immer davon geleitet, Herr D. möchte mich damit testen. Weshalb ich auch nur jene Titel aussuchte, bei welchen für das Unternehmen am meisten heraus sieht und auch am wenigsten Aufwand bei der Abrechnung entsteht. Zudem nur solche Titel zur Abrechnung nach aufwand übrigbleiben, bei welchen die Leistungen auch leicht zu erfassen und abzurechnen sind. Auch jene Titel übrigbleiben, bei welchen in der Ausschreibung scheinbar nicht die tatsächlichen Leistungen ausgeschrieben sind und somit auch ein Potential für Nachträge übrigbleibt.
Aber während ich mich nun um die Titel zur möglichen Pauschalierung kümmerte, unterhielt ich mich darüber auch mit meiner Kollegin, meinem Tischgegenüber, die CAD-Zeichnerin Tamara F. darüber. Wobei ich auch noch einmal erwähnte, dass ohnedies davon auszugehen sei, dass es keine Pauschalierungen geben werde, denn sonst müssten dazu bereits Hinweise im Leistungsverzeichnis, oder sonst irgendwo in der Angebotsaufforderung enthalten sein. Das waren sie allerdings nicht.
Wenn man nun allerdings diesen Auftrag nun tatsächlich auch noch pauschalieren würde, dann könnte ich mir auch vorstellen, dass tatsächlich auch die schon längst kursierenden Zahlen für die zu erreichende Abrechnungssumme von 9,5 Mio. Euro erreicht werden, meinte ich dazu noch lächelnd. Denn aus meiner Sicht würde dieser Auftrag niemals so viel ausmachen. Höchstens 6,5 bis vielleicht 7 Mio. Euro, weil eben sehr viel Verkehrstechnik und Tunnelvorfeld enthalten wäre, da die Umleitung um diese Tunnelgruppe durch die Stadt Annweiler sehr aufwendig sei. Aber sonst schien mir das für diesen Auftrag zur Verfügung stehende Budget von gar 10 Mio. Euro, wie im Büro schon längst darüber gesprochen wurde, als weit übertrieben. Schließlich soll ja auch eine sogenannte „Beschleunigungsvergütung“ an den Auftragnehmer für eine vorzeitige Verkehrsfreigabe nach Wiederinbetriebnahme der Tunnelgruppe von maximal 500.000, – Euro ausbezahlt werden. Auch dies soll längst budgetiert sein.
Doch dies löste bei meiner Kollegin noch mehr Gelächter aus und sie meinte gar,
„wirst schon sehen, dass das so viel ausmachen wird!“
Und amüsierte sich köstlich darüber.
Aber nicht nur das. Wie schon öfters sprang sie im Anschluss daran, wenn sie von mir etwas gehört hatte, was sie für die Kollegen, oder auch gar für Herrn D. interessant erachtete, sofort von ihrem Arbeitsplatz auf und begab sich im Büro auf den Weg, die Kollegen, manchmal eben auch Herrn D., davon in Kenntnis zu setzen.
Welches danach im ganzen Büro für Heiterkeit sorgte und sich manche Kollegen gar danach an den Arbeitsplatz von meiner Kollegin begaben, um sich darüber lustig zu machen und darüber zu scherzen, was denn nicht alles geschehen werde, damit tatsächlich das offenbar längst bekannte Budget für diesen Auftrag auch bei der Abrechnung erreicht werden würde. Wobei sich die Kollegen einig wären, es dann so zu machen, wie zuletzt beim Tunnel Leutenbach. Nämlich alles, was nur irgendwie laut Leistungsverzeichnis abzurechnen wäre, in den Anlagen einzubauen, egal ob dies notwendig wäre, nur um die maximale Abrechnungssumme zu erreichen.
Zu diesem Zeitpunkt dachte ich mir noch, hoffentlich wird die Enttäuschung darüber, dass nicht alles so laufen werde, wie sich das die Kollegen vorstellen, nicht zu groß sein. Aber wenigstens hatte ich meine Kollegen den ganzen Tag damit bestens unterhalten.
Im Zuge ihrer Plaudereinen im Büro darüber, worüber sich meine Kollegin Tamara F. mit mir unterhalten hatte, schien sie auch am Empfang vorbeigekommen sein. Denn plötzlich hielt sie eine Postkarte in der Hand, welche sie mir lächelnd am Arbeitsplatz überreichte. Es war eine Postkarte jener Personalberaterin, welche mir diesen Job bei Firma D. vermittelt hatte:
[Postkarte einfügen]
Das fand ich zwar etwas seltsam, mir, nachdem sie mir diesen Arbeitsplatz vermittelt hatte, nun nach wenigen Tagen, in welchen ich in diesem Unternehmen nun tätig war, eine Postkarte zu schicken, aber irgendwie fand ich das auch nett. Weshalb ich, nachdem ich am Abend wieder am Stammtisch meiner Vermieterin saß, es mir nicht nehmen ließ, ihr darauf eine Mail zu senden und mich dafür zu bedanken. Nicht aber ohne darin meine Kommentare anzubringen:
Denn, dass ich hier wohl das Gleiche erleben werde, wie schon bei VA Tech, gerade jenem, was ich ganz und gar nicht mehr wollte, weshalb ich eigentlich nach Deutschland gehen wollte, um gerade das nicht mehr zu erleben, das wurde nun immer deutlicher. Nicht zuletzt wieder an diesem Abend am Stammtisch bei meiner Vermieterin. Denn diese tat längst so, als würde ich eben der „Nachfolger“ von Herrn D. werden.
(2022-05-18)