Endersbach, Dienstag, der 12. Jänner 2010:
Geschlafen hatte ich in der Nacht nicht gerade gut. Denn irgendwie fand ich mich nun hier regelrecht wie eingesperrt. Wenigstens hatte sich am Vorabend noch herausgestellt, dass mein Laptop doch nicht, wie ich zuerst vermutet hatte, kaputt war. Sondern offensichtlich lediglich der Akku. Dem war es wohl, nachdem der Laptop, samt meinem gesamten Gepäck, von kurz vor Mittag bis in den Abend im Auto lag, zu kalk geworden. Sodass es darin wohl einen Kurzschluss gegeben hatte. Nachdem ich diesen, noch kalk, sofort angeschlossen hatte, als ich mein Zimmer bezogen hatte. Aber trotzdem lief mein Laptop nun auch noch im Akkubetrieb. Sodass ich zunächst nicht, wie ich befürchtet hatte, sofort etwas unternehmen musste.
Nach dem Frühstück um halb acht Uhr morgens im Saal der Gaststätte meines Hotels ging ich nun zu Fuß in die Arbeit. Da ich am Vorabend noch festgestellt hatte, dass es gar nicht weit von meiner Unterkunft bis zur Arbeit war. Zudem benötigte ich ohnedies etwas Auslauf.
Nachdem ich mir in der Arbeit, kurz nach acht Uhr, einen Kaffee geholt hatte, ging ich sofort zur Sekretärin am Empfang, um zu Fragen, ob den Herr D. schon im Büro wäre. Wollte ich doch an diesem Morgen gleich mit ihm sprechen, da mir am Vorabend meine Vermieterin in der Gaststube erzählt hatte, Herr D. würde mir nun auch die Unterkunft bezahlen wollen. Dies zudem mit der Begründung, einfacher könnte er mir keine Gehaltserhöhung geben. Was mir allerdings gar nicht recht war. Würde ich mich doch damit zusätzlich auch noch in eine weitere Art von Abhängigkeit von Herrn D. begeben. Wobei ich doch, nachdem was ich am ersten Tag in diesem Unternehmen erlebt hatte, so schnell wie möglich wieder von diesem Unternehmen, in welchem ich zudem ohnedies erst gar nicht zu arbeiten beginnen wollte, wieder weg.
Zu meiner Überraschung war Herr D. auch bereits im Büro. Denn am Vortag hatte ich ihn den ganzen Tag nicht ein einziges Mal zu Gesicht bekommen. Weshalb ich annahm, er wäre, da er ohnedies offenbar nur mehr an die Pension dachte, nur mehr eher gelegentlich im Unternehmen selbst anwesend sein. Doch die Sekretärin, Gabriele F., wies mir gleich den Weg in dessen Büro. Wo ich ihn auch gleich darauf angesprochen hatte, was mir Frau L., meine neue Vermieterin hier, erzählt hatte. Dabei erzählte ich ihm auch, dass mir dies gar nicht recht wäre. Denn dies war so auch nicht ausgemacht.
Doch Alfred D. bestand darauf, mir nun auch hier die Unterkunft zu bezahlen. Auch mit den Worten, welche mir Frau L. schon am Vorabend genannt hatte, mir damit doch am einfachsten eine Gehaltserhöhung geben zu können. Doch dies fand ich mehr als seltsam. Hatte ich doch erst tags zuvor meinen ersten Arbeitstag, bei dem noch gar nichts geschehen war. Nun möchte er mir schon eine Gehaltserhöhung geben. Zudem fand ich es nicht nur seltsam, sondern auch etwas beschämend. Denn hatte ich vielleicht bei meinem Vorstellungsgespräch viel zu wenig Gehalt gefordert?
Nachdem er gar nicht nachgeben wollte, schlug ich Herrn D. vor, mir lediglich, wenn er schon darauf bestehen möchte, nur die Hälfte meiner Unterkunft zu bezahlen. Wobei ich dachte, dies hätte er nun wenigstens akzeptiert, da er darauf nichts mehr sagte. Weshalb ich dann am Freitagmorgen, wenn ich meine Unterkunft für diese Woche bezahlen werde, darauf aufpassen wollte, dass ich nur die Hälfte davon bezahlen muss. Wobei ich mir dies etwas schwierig vorstellte. Aber ich dachte mir, nachdem sich meine Vermieterin, Frau L., und Herr D. offenbar sehr gut kannten, würde es auch dafür eine Lösung geben.
Dabei erzählte ich ihm auch, dass ich nun ab nächster Woche ein kleines Appartement von meiner Vermieterin erhalten werde. Noch dazu jenes, welches sonst sein Geschäftsführer aus Österreich gelegentlich mieten würde, wenn er hier wäre. Doch dafür. So meinte meine Vermieterin, würde sie auch eine Lösung finden.
Mit Herrn D. hatte ich lediglich über meine Unterkunft und die Bezahlung derer gesprochen. Alles andere schien mir erst gar nicht der Rede wert zu sein, wollte ich doch nun ohnedies so intensiv wie möglich weiter nach einer neuen Stelle suchen. Denn hier schien es für mich nicht passend zu sein, wie ich schon vor Beginn meiner Arbeit befürchtet hatte. Daher war ich auch froh, nicht sofort mit der Leitung eines Projektes betraut zu werden. Denn dies hatte ich in den Jahren zuvor schon viel zu oft vernommen, würde einem Wechsel in ein anderes Unternehmen sonst nur im Wege stehen. Einem Projektleiter, der gerade aktiv ein Projekt bearbeitet, gibt man in einem anderen Unternehmen keinen neuen Job, hieß es da immer wieder. Was ich auch durchaus nachvollziehen konnte. So ging ich wieder zurück an meinen Arbeitsplatz und las mich erst einmal weiter in das Projekt ein. Den Projektordner, sowie ein leeres Leistungsverzeichnis, ohne Preise, hatte ich ja bereits am Vortag von Thomas T., dem Projektleiter jenes Projektes, bei welchem ich nun als Techniker tätig sein sollte, erhalten.
Doch irgendetwas schien sich nun im Betrieb getan zu haben. Denn plötzlich kam Gabriele F. zu mir an den Platz und übergab mir Inserate für Wohnungen in Weinstadt, welche für mich passen könnten. Worauf ich diese zwar dankend entgegengenommen hatte, ihr aber auch gleichzeitig erklärt hatte, schon etwas, zumindest vorübergehend, gefunden zu haben. Weshalb ich auch zuvor bei Herrn D. gewesen war.
Aber dies war nicht das Einzige, was sich nun tat. Denn auch Markus E., der Abteilungsleiter, lief nun ziemlich aufgeregt im Büro umher und besprach sich mit beinahe allen Kollegen im Büro über mich. Zuletzt sprach er mich selbst noch an und fragte mich, ob ich es denn mit Herrn D. so vereinbart hatte, an meinen ersten Arbeitstag erst gegen Mittag ins Büro zu kommen. Worauf ich ihm ziemlich erstaunt erklärte, darüber mit Herrn D. nicht nur einmal, sondern bei jedem Telefonat, welches ich mit ihm vor meinem Beginn hier führte, darüber gesprochen hatte. Wobei er es war, der darauf bestand, mir ein Zimmer zu reservieren, allerdings erst ab Montag. Weshalb ich ihm auch eindringlich erklärte, dann eben erst gegen Mittag ins Büro zu kommen. Denn sonst müsste ich, da ich doch mit einer Anfahrtszeit von sechs Stunden rechnen musste, noch dazu bei diesen Witterungsbedingungen, um pünktlich um acht Uhr ins Büro zu kommen. Doch obwohl ich es im bis ins kleinste Detail erklärte, meinte er dazu,
„das war nicht so gut!“
Denn mit mir hatte zu jener Zeit, als ich dann ins Büro gekommen war, niemand mehr gerechnet. Weshalb ich es ihm gleich noch einmal erklärte und meinte, wäre es nach mir gegangen, dann hätte ich mir bereits ab Sonntagabend ein Zimmer reserviert. Denn die Anfahrt bei diesen Witterungsbedingungen hätte ich mir am gestrigen Morgen gerne erspart. Aber auch dies erklärte nicht diese seltsame Einweisung in meine künftige Arbeit in diesem Unternehmen.
Da es nun vor der Arbeit in meine Unterkunft nicht weit war, ich ging gerade mal knapp zehn Minuten, als ich am Morgen in die Arbeit ging, wollte ich nun auch die Mittagspause lieber in meiner Unterkunft verbringen. Daher schlug ich auch das Angebot, mich an einer Ausspeisung in der Kantine durch ein Catering Unternehmen nicht zu beteiligen. Denn schließlich hatte ich ab nächster Woche ohnedies ein Appartement, in welchem ich mir gegebenenfalls auch selbst etwas zum Essen bereiten könnte.
So ging ich Punkt zwölf Uhr nun zurück in meine Unterkunft, um dort die Mittagspause zu verbringen. Ich brauchte auch etwas Abstand und Zeit für mich, denn den ganzen Tag hätte ich die Kollegen nicht ausgehalten. Wobei ich mir am Weg dorthin bei der Metzgerei, an welcher ich schon am Morgen vorbeigegangen war, etwas mitnahm. Eigentlich etwas völlig Unbedeutendes. Doch als ich kurz nach ein Uhr nachmittags, nachdem ich von der Mittagspause zurück in der Arbeit war, und dort nun vor dem Eingang mit einem Kollegen der Montage eine Zigarette rauchte, Herrn D. angetroffen hatte, fragte er mich nicht nur, ob denn nun alles in Ordnung wäre, sondern fand es als etwas ganz Besonderes, da ich nun eben auch bereits die Metzgerei Schäfer kannte. Als wäre dies ein Muss in dieser Gegend. – Zunächst weshalb auch immer.
Den Nachmittag sollte ich dann mit eben jenem Kollegen der Montage verbringen, mit welchem ich zuvor, kurz nach Mittag, vor dem Eingang ins Büro stand. Dieser sollte mir nun zeigen, was das Unternehmen so leistet. Dazu sollte er mir eine erst kürzlich in Betrieb gegangene Anlage zeigen: Den Tunnel Leutenbach, nahe Winnenden. Wobei ich dieses Projekt bereits kannte. Denn dies begann schon zu einer Zeit, als ich noch in jenem Ingenieurbüro in Salzburg arbeitete – beim „Hopferl“. Und gerade dieses Ingenieurbüro war es, welches die ursprüngliche Planung für diesen Straßentunnel an einer Bundesstraße im Auftrag hatte. Wobei dies damals durch Stefan K., einem der jungen Kollegen, neben Rudi K., ausgeführt wurde.
So zeigte mir mein Kollege Peter von der Montage nun nicht nur stolz die Schaltanlagen der einzelnen Anlagen im Betriebsgebäude dieses Tunnels, sondern erzählte mir auch etwas über dieses Projekt, welches er selbst noch als bauleitender Monteur vor Ort geleitet hatte. Wobei er mir erzählte, dass in der Ausführung ein anderes Ingenieurbüro aus Stuttgart das Projekt übernommen hatte, da es, so meinte er, sehr viele Mängel in der Planung durch eben jenes Ingenieurbüro aus Salzburg gegeben hatte, sodass der Vertrag in der Leistungsphase 8 nicht länger weitergeführt wurde. Bei jenem Ingenieurbüro, welches dieses Projekt danach übernommen hatte, handle es sich zudem um jenes Ingenieurbüro, welche nun auch die Planung ausgeführt hatte, für welches Projekt ich nun tätig sein sollte: Der Tunnelgruppe Annweiler.
Doch die stolze Vorführung der Anlagen ging etwas in die Hose. Denn Peter meinte, dies allerdings nicht gerade beschämt, sondern bestens gelaunt, dass der Tunnel in Leutenbach, kaum war er letztes Jahr eröffnet worden, gleich wieder für mehrere Monate geschlossen werden musste, da die Anlagen erst wirklich fertiggestellt werden mussten. Der Straßentunnel also, nur weil es einen längst feststehenden Eröffnungstermin gab, eröffnet wurde, eröffnet wurde, obwohl die technischen Ausrüstungen dafür noch längst nicht fertiggestellt waren.
„Das Licht brennt – wir sind fertig!“
So meinte Peter, sei einer der Leitsprüche von Alfred D. Welcher bei diesem Projekt bei der Eröffnung wohl nur allzu ernst genommen wurde. Denn mehr als das Licht schien wohl noch nicht wirklich funktioniert zu haben. Und dies auch nur manuell. – Ein Leitspruch von Alfred D., den ich noch sehr häufig zu hören bekommen werde.
Ich hatte schon zur Zeit, als ich noch in diesem Ingenieurbüro in Salzburg arbeitete, stets die Ansicht, in dieser Branche, in diesem sehr speziellen Bereich der Verkehrstechnik und der technischen Tunnelausstattung ginge es wohl etwas seltsam zu. Nun hatte ich dies schon an meinem zweiten Tag eindrücklich bestätigt bekommen. – Aber nun arbeitete ich zudem selbst in diesem Bereich.
Pünktlich um 17 Uhr verließ ich an diesem Tag die Arbeit. Wobei ich dann bis in die Abendstunden dann die Zeit in meinem Zimmer verbrachte.
Doch als ich dann gegen halb neun Uhr abends in die Gaststätte gehen wollte, um dort abends zu Essen, staunte ich nicht schlecht, als ich die Gaststube betrat. Denn meine Vermieterin meinte, für jedem der sich in der Gaststätte befand, laut und deutlich zu hören, kaum hatte ich die Tür in die Gaststube geöffnet,
„grüß Gott Herr R.!“
Wie schon am Abend zuvor. Nun wusste also wieder jeder in der Gaststube, dass ich nun anwesend wäre.
Aber nicht nur dies. Denn kaum sah ich mich um einen kleinen Tisch im Lokal um, an welchem ich platznehmen könnte, fing mich Frau L. schon ab und meinte, ich könnte doch gerne auch am Stammtisch Platz nehmen.
Nun waren in der Gaststube ohnedies beinahe alle Tische besetzt. Weshalb ich nicht auch noch alleine einen ganzen Tisch für mich in Anspruch nehmen wollte. Weshalb ich das Angebot widerwillig angenommen hatte. Dort saßen schon ein paar Gäste, wovon ich allerdings natürlich niemanden kannte. Doch, obwohl sich die Gäste am Stammtisch, da sich die Wirtin so aufmerksam um mich gekümmert hatte, offenbar auch Mühe gegeben hatten – eine Konversation war nur sehr eingeschränkt möglich. Denn ich verstand diese Leute einfach nicht. Ich kam mir regelrecht vor, als hätte ich es mit einer mir gänzlich fremden Sprache zu tun. Dabei sprachen sie alle lediglich im Dialekt. Daher kam ich mir dort nicht nur richtig verloren vor, sondern bekam davon auch noch Kopfschmerzen. Denn der Tag war nicht weniger anstrengend als mein erster Arbeitstag. Nun auch noch dies. Daher war ich richtig froh, als ich dann wieder auf mein Zimmer gehen konnte.
(2021-12-28)