Endersbach, Donnerstag, der 14. Jänner 2010:
Wieder hatte ich den ganzen Vormittag über mit schweren Magenproblemen zu kämpfen, worüber sich auch noch mein Tischgegenüber, Tamara F., die CAD-Konstrukteurin des Unternehmens, auch noch richtig amüsierte und regelrecht freute. Daher wurde ich nachdenklich darüber, ob ich nicht doch etwas beim Frühstücken zu mir genommen hatte, was meinem Magen nicht bekommen würde. Daher hatte ich mir vorgenommen, am folgenden Morgen aufzupassen, was denn das sein könnte. Denn es gab in meiner Unterkunft eigentlich ein Frühstücks Buffett, an welchem man sich frei bedienen konnte. Daher konnte ich mir nicht echt erklären, was dies denn dann sein könnte.
Allerdings waren mir die Leute, mit welchen ich nun umgeben war, richtig suspekt. Daher traute ich ohnedies niemanden. Und war mir auch nicht mehr sicher, ob es wirklich gescheit war, mir dort auch nun noch dieses Appartement zu mieten, sondern nicht gleich nach einer ordentlichen Unterkunft in Stuttgart zu suchen. Aber dagegen sprach wieder, dass ich ohnedies so schnell wie möglich wieder von hier wegkommen wollte. Daher nahm ich es nun erst einmal so hin, wie es war.
Am späteren Vormittag regte sich dann etwas im Büro. Denn Markus E., der Abteilungsleiter für die technische Ausrüstung vor Tunnelanlagen, lief im Büro umher und beharrte darauf, dass nun gleich noch einmal eine interne Besprechung zur Durchführung der Planung für die Tunnelgruppe Annweiler stattfinden sollte. Denn sonst, wie er einmal wörtlich meinte, würden sie übrigbleiben, bei diesem Projekt.
So kam dann auch kurz vor zwölf Uhr mittags eine Einladung über Outlook vom Projektleiter Thomas T. zu einer internen Projektbesprechung im Besprechungsraum, in welchen wir uns schon tags zuvor am Nachmittag eingefunden hatten – für zwölf Uhr!
Also nichts war es mit meiner Mittagspause in meiner Unterkunft, in welcher ich mich etwas erholen, etwas abstand gewinnen wollte. Doch zunächst dachte ich noch, meine Mittagspause würde sich nun lediglich etwas verschieben. Aber ich sollte eines Besseren belehrt werden. Denn wieder fanden sich beinahe alle Kollegen des Unternehmens, nun sogar der Werkstätten Leiter, auch meine Kollegin, die CAD-Konstrukteurin, sowie alle Kollegen der Konstruktion, der Verkehrsabteilung, der Software-Abteilung, sowie ein Kollege, welcher nicht eindeutig zuordenbar war, allerdings, wie es hieß, die Beleuchtungsberechnung durchführen sollte, in diesem Besprechungsraum ein. Da blieben nun mehr die Sekretärin am Empfang, sowie die Kollegen der kaufmännischen Abteilung und einige Monteure, die in der Werkstätte tätig waren, die nicht zu dieser Besprechung eingeladen wurden, übrig. Also, eigentlich das gesamte Unternehmen, die gesamte Belegschaft, die auch nur irgendwie etwas mit der Ausführung bei so einem Projekt zu tun haben könnte, waren nun in diesem Besprechungsraum anwesend. Auch Herr D. selbst war nun teilweise bei dieser Besprechung anwesend.
Daher begann ich mich zu fragen, wie viele Projekte dieses Unternehmen nun tatsächlich aktuell im Auftrag hatte. Denn ausgenommen von jenem Projekt, welches der Projektleiter Thomas T. noch bearbeitete, dem Tunnel Dontzdorf, welcher allerdings ohnedies längst fertiggestellt sein sollte, hatte ich noch von keinem weiteren Projekt in diesem Unternehmen zu hören bekommen. Dabei hieß es doch bei meiner Bewerbung, dieses Unternehmen hätte derart viele Aufträge, würde zudem auch immer noch weitere Aufträge erhalten, sodass sie gar nicht mehr wissen würden, wie sie all diese Projekte bearbeiten sollten. Daher würde eben dieses Unternehmen sogar so weit gehen, dass es jemanden wie mich, der zudem aus Österreich kam, aufnehmen, ihn bei der Übersiedlung hierher unterstützen, nur um weitere Mitarbeiter zu gewinnen, damit diese Fülle von Aufträgen bewältigt werden könnten. Tatsächlich sah es nun allerdings so aus, als hätte dieses Unternehmen einen einzigen Auftrag, den es künftig abzuarbeiten hätte! – Also, auch dies stimmte keinesfalls, was mir dazu bei meiner Bewerbung erzählt wurde.
Zudem, die im Hof umherstehenden Firmenfahrzeuge standen nicht deshalb im Hof, da wetterbedingt derzeit nicht gearbeitet werden konnte. Sondern weil ganz einfach die Aufträge im Unternehmen fehlten!
Bei der Besprechung ging es dann um die gleichen Themen, wie schon tags zuvor. Allerdings erlebte ich nun Herrn D. einmal selbst. Denn während dieser Besprechung, ich nehme es vorweg, sie dauerte bis halb zehn Uhr abends, ging es dann gut sechs Stunden (!) darüber, ob nun in der Kabeltrasse an der Tunneldecke ein Trennsteg eingebaut werden soll oder nicht! Eigentlich keine Frage. Denn, wenn in einer Kabeltrasse gleichzeitig Stark- und Schwachstromkabel gemeinsam verlegt werden, und dies ist in bei dieser Anlage der Fall, dann ist eben ein Trennsteg zu installieren. Allerdings kostet so ein Trennsteg, ausgeführt noch dazu in rostfreiem V4A-Stahl, grundsätzlich eine Menge Geld. Doch hier bei diesem Projekt schien dieser sehr kostengünstig angeboten worden zu sein. Weshalb gerade Herr D. diesen nicht ausführen möchte. Auch wenn dieser nach Aufmaß abgerechnet werden würde. Würde dieser doch im Einkauf mehr kosten, als dieser im Angebot angeboten wurde. Immer wieder wurde darüber diskutiert, ob dieser nun ausgeführt werden sollte oder nicht. Wobei Herr D. auch immer wieder die Besprechung verlassen hatte. Dann aber doch wieder gekommen war und mit äußerst Mahnenden, allerdings in einer richtig widerlichen Art, darauf hingewiesen hatte, dass dieser sehr viel Geld kosten würde. Von dreißig bis vierzig tausend Euro war dabei immer wieder die Rede. Allerdings auch nicht festlegen wollte, ob dieser nun ausgeführt werden sollte oder nicht.
Ich konnte es fast nicht mehr fassen, was ich da nun miterleben musste. Denn ich hatte zwar mittlerweile einen der Projektordner auf meinem Platz liegen. Doch das ausgepreiste Leistungsverzeichnis, das Angebot selbst, das blieb mir noch – noch lange – vorenthalten. Selbst wollte ich mich allerdings in diese Diskussion darüber auch nicht einmischen, denn dies gehörte nun nicht zu meinem Aufgabengebiet. Ich würde lediglich in die Pläne einzeichnen lassen, was bei dieser, oder einer der folgenden Besprechungen dazu festgelegt werden würde.
Bei dieser Besprechung musste ich auch zudem zum ersten Mal miterleben, welch ein widerlicher Chef dieser Herr D. sein kann. Denn Thomas T., der Projektleiter, der eigentlich bei dieser Besprechung der Wortführer sein sollte, hatte bei dieser Besprechung, gerade wenn Herr D. anwesend war, überhaupt nichts zu melden. Ganz im Gegenteil. Hier schien es längst extreme Spannungen zwischen Herrn D. und Thomas T. zu geben, sodass dieser einem beinahe schon leidtun konnte.
Dabei zeigte sich allerdings auch, dass es, ganz im Gegenteil dazu was ich zunächst angenommen hatte, niemand in diesem Unternehmen gibt, der auch nur eine gegensätzliche Position zur Ansicht von Herrn D. einnehmen wagte! Es war, als würde Herr D. wie ein Patron in diesem Unternehmen regieren. Dessen Wort wie ein Gesetz zu gelten hatte.
Denn, obwohl es mit zunehmender Dauer der Besprechung mehreren Kollegen klar wurde, dass diese Besprechung von wenig Sinnhaftigkeit geprägt war, wagte es niemand festzulegen, ob dieser Trennsteg nun ausgeführt werden sollte oder nicht. Auch wagte es kaum jemand die Besprechung vorzeitig zu verlassen. Nur wer ausdrücklich einen Grund dafür hatte verließ die Besprechung vorzeitig. Auch wenn, gerade mein neuer Kollege von der Verkehrstechnik, der auch als Leiter, oder wie auch immer man dies bezeichnen sollte, fungierte, immer öfter den Besprechungsraum verließ, um sich in der Kantine etwas zu trinken holte.
Zuletzt kam auch noch Herr D. mit Getränken aus der Kantine. Allerdings nicht mit Wasser oder Limo, sondern eben mit Bier in der Hand. Wobei er mich extra noch aufforderte, mit ihm ein Bier mitzutrinken.
Erst als es so aussah, als würde Herr D. nun doch nicht mehr zur Besprechung dazustoßen, nachdem er diese bereits verlassen hatte, lichteten sich die Reihen im Besprechungsraum. Wobei mir zuletzt dann auch noch Ingo W., der Einkäufer im Unternehmen, erklären wollte, dass im Unternehmen ohnedies jedem klar wäre, dass in diesem Fall ein Trennsteg einzubauen wäre. Doch dabei ginge es nun eben darum, die Kosten zu minimieren. Und sollte eben bei einem Projekt ein Trennsteg ausgeschrieben sein, dann würden sie eben versuchen keinen einzubauen. Jedoch falls eben keiner ausgeschrieben wäre, dann würden sie eben versuchen, diesen trotzdem einzubauen und dabei mit Hilfe eines Nachtrages mehr zu verdienen. Jedoch war mir dies ohnedies klar. Jedoch wunderte es mich, wenn darüber derart ausgiebig und langwierig darüber gesprochen würde. Denn diese Besprechung an diesem Tag hätte wohl längst mehr Kosten verursacht, als man damit jemals an zusätzlichem Ertrag erzielen könnte.
Kaum hatte ich dies Ingo W. erklärt, endete diese Besprechung endlich um halb zehn Uhr abends. Zum Essen bekam ich an diesem Abend ohnedies nichts mehr, da Donnerstag der Ruhetag in der Gaststätte meiner Unterkunft war. Allerdings hatte ich seit dem Frühstück nun nichts mehr zu mir genommen. Daher war ich mehr als froh, wenn der folgende Tag der letzte in meiner ersten Woche in diesem Unternehmen sein sollte.
(2021-12-29)