Wien, Donnerstag, der 20. August 2009:
Da ich diese Woche ohnedies schon mal in Wien war, musste ich mich doch nun arbeitslos melden, nützte ich die Gelegenheit auch gleich, um abends wieder einmal in Innenstadt zu gehen. Nur um nachzusehen, was nun los sei.
Doch es war schlimmer als ich es erwartet hatte, als ich mein übliches Lokal, dieses „1516“ in der Schwarzenbergstraße betreten hatte. Denn nicht nur, dass ich nun lauter freudestrahlende Leute um mich hatte, die sich freuten, weil ich nun wieder alleine dastehe, wie es seit Mitte Juli schon allerorts hieß, sondern an diesem Abend wurde auch richtig gefeiert in meiner Umgebung. Hieß es da doch, ich würde nun ohnedies gar keine neue Arbeit mehr bekommen. Aber vor allem, nun würde es mir überall so ergehen, wie gerade eben.
Allerdings konnte ich mir darauf gar keinen Reim bilden. Denn hatte ich mich doch bisher eigentlich gar nirgends, nachdem ich in diesem Immobilienentwicklungsunternehmen am 22. Juni gekündigt wurde, beworben. Bisher hatte ich lediglich versucht, bei diesem neuen Hotelprojekt in Graz der gleichen Hotelkette in irgendeiner Weise Fuß zu fassen, um dort in welcher Form auch immer tätig werden zu können.
Daher stand ich nicht nur fassungslos an der Bar dieses Lokals, sondern auch kopfschüttelnd darüber, weshalb sich beinahe alle Gäste und auch die Bedienungen darüber freuten, da mir nun wieder ein neuer Job verwehrt wurde. Ich dachte mir schon, in ihrem Übermut würden sie nun sogar schon zu fantasieren beginnen und ihr Gehabe hätte nun überhaupt nichts mehr mit der Realität zu tun.
Weshalb ich nach meinen üblichen drei kleinen Bieren auch gleich wieder das Lokal verlassen hatte. Nicht aber um noch in ein anderes Lokal zu wechseln, wie ich das sonst in letzter Zeit meist getan hatte, sondern um gleich wieder zurück in meine Wohnung nach Alterlaa zu fahren. Denn weiter wollte ich mir dies an diesem Abend auch nicht mehr antun. Denn von jenen Leuten, welche diese ab Ende Juni, ab der Woche, in welcher ich meine Kündigung erhalten hatte, regelrecht niederrennen wollten, davon war längst niemand mehr zu sehen. Und ich hatte auch nicht erwartet, in irgendeinem anderen Lokal noch irgendjemanden davon zu entdecken. Daher reichte es mir für diesen Abend und ich ging noch vor zehn Uhr abends wieder nach Hause.
Doch als ich am Nachhauseweg zur U-Bahn-Station am Stephansplatz durch die Krugerstraße kam und dort an einem erst vor wenige Wochen neu eröffneten Lokal voreigekommen war, dem „Stadtboden“, hörte ich, wie eine junge Frau zu einer weiteren an einem der Tische in der Straße meinte,
„wer weiß, vielleicht hat der ohnedies schon längst selbst aufgegeben.“
Worauf die zweite meinte,
„ja! Wundern würde es einen nicht. Denn so wie die darauf reagieren, kann man auch schon mal aufgeben. – Mehr als es ihnen zu zeigen kann man nicht tun. Aber wenn sie es auch dann noch immer nicht sehen wollen, wenn es schon einmal so eindeutig ist … Das sind richtige Sturköpfe! – Mehr als es ihnen zu zeigen, kann man nicht tun!“
Als ich das hörte, dachte ich mir, genau so ist es. Denn wenn das noch immer niemanden richtig aufgefallen ist, was da gespeilt wird, dann ist jenen, die sich schon jahrelang darum zu kümmern vorgeben, wer auch immer dies sein mochte, auch nicht mehr zu helfen. Das müssen wohl richtige Holzköpfe sein. Denn noch offensichtlicher könnte es gar nicht mehr sein.
Aber noch viel mehr hatte ich mich nun über gerade jene, welche noch Ende Juni vorgaben, sie niederrennen zu wollen, zu ärgern begonnen. Denn mit denen scheint wohl gar nichts anzufangen zu sein, wenn sie beim ersten lauen Lüftchen als Gegenwind sofort verschwinden, sich regelrecht verkriechen und niemand davon mehr zu entdecken ist. Da wäre es auch besser, sie würden sich erst gar nicht darum kümmern. Denn mit ihnen ist auf keinen Fall ein Krieg zu gewinnen. Mit denen kann man so gut wie alles vergessen. Ich hatte es einfach überhaupt nicht mehr verstanden, was das nun gewesen sein soll. Denn ich selbst hätte überhaupt keine Möglichkeit gehabt, mit auch nur irgendjemanden in dieser kurzen Zeit Kontakt aufzunehmen, mich ihnen vielleicht sogar anzuschließen. Zuerst ein Riesenwirbel, weil „die“ so etwas machen würden, und nur wenige Tage später sind alle, nur weil ein paar Gestalten aufgetaucht sind, um „die“ zu verteidigen, sind sie auch schon wieder verschwunden. Auch wenn dies diesmal, im vergleich zu ähnlichen Aktionen in der Vergangenheit, Denn so etwas war mir ja in den Jahren zuvor schon immer wieder einmal aufgefallen, richtig lange und sogar richtig intensiv gewesen war. Aber trotzdem. Mit denen ist auf keinen Fall ein Krieg zu gewinnen.
Daher war ich nun richtig sauer. Und als ich dann auch noch diesen Dialog dieser beiden jungen Frauen an den Tischen des Lokals „Stadtboden“ in der Krugerstraße hörte, dachte ich mir, lass es nun einfach sein. Denn das wird ohnedies nichts mehr. Hatte es bis Mitte Mai sogar noch so ausgesehen, als würde ich sogar in Salzburg wieder alles in Griff bekommen, so war ich nun zur Ansicht gekommen, nicht einmal in Wien würde das noch einmal etwas werden. War ich doch mittlerweile fünf Jahre in Wien und fristete hier ein Leben regelrecht als Einsiedler. Als wäre ich einfach nicht in der Lage, mich in die Gesellschaft einzubringen, dort meinen Platz zu finden. Doch dieser blieb mir einfach bisher versperrt. Weshalb ich auch nicht mehr daran dachte, dass das noch einmal etwas werden würde.
Daher beschloss ich an diesem Tag, mich nun nur mehr vereinzelt in Wien und Umgebung, um eine neue Arbeitsstelle zu bewerben. Gerade mal so viel, sodass ich vom Arbeitsamt keine Probleme bekomme, weil mir nachgesagt werden könnte, ich wäre gar nicht willig eine neue Stelle zu finden. Und mich von nun an hauptsächlich in Deutschland zu bewerben. Dort allerdings auch nicht mehr nur in München, wohin ich eigentlich immer noch gerne gegangen wäre. Denn auch dort hatte ich es längst aufgegeben, eine neue Stelle zu finden. Sondern in ganz Deutschland. Und sobald ich dort eine neue Stelle gefunden habe, wollte ich in Österreich meine Zelte ganz abbauen, um dort in Deutschland ein neues Leben anzufangen. Wieder einmal! Vielleicht, so dachte ich mir, wären sie dort etwas gescheiter als hier!
So richtig zu ärgern hatte mich nun dieses „Feiern“ begonnen, sobald ich eine Absage zu einer Bewerbung bekommen hatte, was nun auch regelrecht intensiv wurde und für jedermann sofort zu erkennen. Denn das konnte ich nun überhaupt nicht mehr verstehen. Schon gar nicht, dass dagegen jemand eingegriffen hatte. Konnte ich es doch zudem auch überhaupt nicht verstehen, dass es nicht jemanden in Österreich geben würde, der mich, gerade nach meiner Leistung bei diesem Hotelprojekt in Linz, einstellen mochte. Müsste man doch denken, gerade solche Leute wären ungemein gefragt, da sie ja genau die Interessen eines Investors, eines Auftraggebers, vertreten. Und da war ich eben der Meinung, müsste es doch jemanden geben, der noch dazu bei all dem Rummel, welcher sich darum entwickelt hatte, mich einfach in sein Unternehmen einstellt. Denn an einen freien Arbeitsmarkt, gerade in diesem Bereich, glaubte ich ohnedies schon längst nicht mehr. Daher wäre es doch das einfachste, nachdem ich mich ohnedies schon beinahe bei allen sogenannten Headhunters in Österreich mindestens einmal beworben hatte, dort vielleicht auch einmal gezielt nach mir zu suchen, wenn man schon, wie viele immer vorgegeben hatten, gerade solche Leute händeringend gesucht werden würden. Damit ich nicht erst mühsamst alle nur erdenklichen Stellenausschreibungen in Zeitungen, im Internet, und wo auch immer sonst noch, durchsuchen müsste, um dann vielleicht endlich jene Stelle zu finden, wohin man mich nun haben möchte. Daher hatte ich es einfach aufgeben, in Österreich noch weiter an eine Zukunft für mich zu glauben und kam daher zum Schluss, wieder einmal völlig neu in meinem Leben beginnen zu müssen.
Doch gerade dieses „Feuern“ an diesem Abend könnte ich nun zudem überhaupt nicht verstehen. Hatte ich mich doch seit meiner Kündigung im Juni erst gar nicht mehr auf weitere Stellen beworben. Sondern wollte zuvor den Ausgang meiner Vorstellung bei diesem Hotelprojekt in Graz abwarten. Viel zu wichtig erschien mir dies, als dass ich es durch vielleicht unkontrolliertes Bewerben bei irgendwelchen Unternehmen, welche dann vielleicht auch noch Anspruch auf mich erheben könnten, zu gefährden.
Was ich allerdings an diesem Abend noch nicht wusste und erst am Wochenende, als ich wieder zurück in Salzburg war, erfuhr, ich hatte an diesem Tag um 17:22 Uhr eine Mail gerade zu meiner Vorstellung bei diesem Hotelprojekt in Graz erhalten. Denn mein Rechner stand in meiner Wohnung in Salzburg, Laptop hatte ich zu dieser Zeit noch keinen, und ein Smartphone schon gar nicht. Daher konnte ich diese Mail auch erst Tage später, zurück in Salzburg lesen.
In dieser Mail hatte ich eben eine Absage von jenem Unternehmen, an welches ich mich zuerst für dieses Projekt wandte, erhalten, da dieses für die Projektsteuerung bei diesem Projekt nicht zuständig wäre, diese allerdings nun scheinbar schon vergeben wäre. Allerdings ohne Angabe, um welches Unternehmen es sich dabei handelte. Weshalb ich diese Mail auch nicht mehr besonders wichtig nahm. War doch seit meiner Vorstellung nun gut ein Monat vergangen und in diesem einem Monat würde sich wohl sehr viel getan haben.
Der Inhalt dieser Mail dürfte wohl schon bekannt gewesen sein. Noch lange bevor ich ihn kannte. Daher wird wohl an diesem Abend deshalb so richtig „gefeiert“ worden sein. Aber das konnte es wohl nun nicht mehr sein. Daher war für mich der Entschluss klar, gehe nach Deutschland und beginne dort ein neues Leben, Beginne ganz von vorne noch einmal. Vielleicht sind sie dort etwas gescheiter.
(2021-10-27)