Wien, Prag, Montag, der 7. Juli 2008:
Drei Tage sollte ich nun mit meinem Kollegen Kurt M. aus dem Bereich der Elektrotechnik in diesem Immobilienentwicklungsunternehmen verbringen. Schließlich war ja auch ich von der Elektrotechnik. Es gab ja auch einen Kollegen in der Elektrotechnik, der allerdings nicht alle Projekte des Unternehmens mit betreuen konnte. Daher war es auch naheliegend, dass ich in der ersten Zeit eigentlich mehr Zeit mit ihm verbringe, damit er mir die Abläufe, Eigenheiten und Vorstellungen des Unternehmens wie Projekte zu betreuen wären, verbringe. Und nicht mit Stjepan M. Der ja selbst erst kürzlich in das Unternehmen gekommen war und zudem auch von der „Mechanik“, wie er es stets nannte, also von der Haustechnik, kam.
Da Kurt M. in den nun folgenden drei Tagen bei Projekten in Prag, Pilsen und München unterwegs war, sollte ich ihn dabei begleiten, damit er mich weiter in das Unternehmen einführt. Zimmer waren gebucht, versicherte er mir. Daher war ich ab dem späteren Vormittag mit ihm in seinem Firmenwagen erst einmal nach Prag unterwegs. Dort hätte er im Büro des Unternehmens am späteren Nachmittag eine Besprechung mit einem Lieferanten für die aktive Netzwerktechnik für ein neu zu errichtendes Hotel in Pilsen. Danach würden wir den Abend und die Nacht über in Prag verbringen und am nächsten Morgen nach Pilsen, eben zu diesem Hotelprojekt, weiterfahren, an einer Baubesprechung teilnehmen und dann weiter nach München in ein eben erst in Betrieb gegangenes Hotel weiterfahren, wo auch Kurt M. das Projekt im Bereich der Elektrotechnik betreute. Hier allerdings im Betrieb noch vereinzelt Mängel zu beheben wären. Also ein nicht unerhebliches Programm für die nächsten Tage. So dachte ich zumindest.
Nun hatten Kurt M. und ich ja eine gemeinsame Vergangenheit, auch wenn wir zuvor, vor meiner Zeit in diesem Unternehmen, direkt nichts miteinander zu tun hatten. Allerdings waren wir in der Zeit, als ich für VA Tech arbeitete, ja Arbeitskollegen. Auch wenn wir damals davon nichts wussten. Daher gab es, zumindest für mich, genügend Gesprächsstoff für die doch etwas längere Fahrt mit dem Auto von Wien nach Prag. Schließlich fährt man dabei nicht einfach in Wien auf eine Autobahn auf und in Prag wieder runter, sondern gut zweidrittel der Fahrt sind zuerst auf Bundesstraßen zurückzulegen.
So befragte ich Kurt M. worin denn seine Aufgabe bei VA Tech lag. Dass er in der Niederlassung in Hamburg tätig war, das hatte er mir schon am ersten Tag erzählt. Doch nun erklärte er mir, er wäre damals als Projektleiter in diesem Unternehmen tätig gewesen und dies zudem auch genau bei jenem Projekt in Stuttgart, welches im Frühjahr 2005 dazu führte, dass diese Niederlassung in große Probleme geraten war und schließlich auch geschlossen wurde. Doch von ihm klang nun doch sehr viel ganz anders, als ich es damals selbst in Ismaning bei München mitbekommen hatte. Hieß es doch damals, die Niederlassung wäre gänzlich aus Personal eines niederländischem Baukonzern zusammengesetzt gewesen. Nun, da Kurt M. dort als Projektleiter tätig war, dort auch andere Kollegen aus Österreich hatte, musste dies schon mal ganz anders gewesen sein.
Angesprochen darauf, wie es denn geschehen konnte, dass bei einem einzigen Projekt ein derart großes Defizit eingefahren werden konnte, meinte er, dies wäre bei diesem Projekt in Stuttgart gar nicht so groß gewesen. Vielmehr war damals das gesamte Unternehmen in schwere Schieflage geraten. Und auch nicht nur die Niederlassung in Hamburg, sondern auch das Mutterunternehmen in Wien, an welche diese Niederlassung angeschlossen war. Dies soll dabei sogar so weit gekommen sein, dass ganze LKW-Züge, voll mit Material für Baustellen der Wiener Zentrale, von Hamburg nach Wien unterwegs waren, damit die gesamten Kosten auf die Niederlassung in Hamburg geschrieben werden konnten, um die Zentrale in Wien damit zu entlasten.
Allerdings wären diese LKW-Züge danach nicht leer nach Hamburg zurückgefahren, sondern sollen randvoll mit Weinflaschen österreichischer Qualitätsweine gefüllt gewesen sein. Welche danach im Keller des Betriebs Gebäudes in Hamburg gelagert wurden. Wobei es hieß, manches Restaurant der gehobenen Klasse soll neidisch auf diesen Weinkeller der Niederlassung in Hamburg gewesen sein.
Nur mit Mühe soll es sich damals mit Hilfe dieser Materialtransfers von Deutschland nach Wien ausgegangen sein, die Zentrale Geschäftsstelle in Wien und deren Projekte so weit in ein positives Projektergebnis zu bringen, damit die zentrale Geschäftsstelle in Wien erhalten werden konnte. Daher soll dafür eben die Niederlassung in Hamburg geopfert worden sein. Denn so negativ, wie dies damals dargestellt wurde, soll das Geschäft in Hamburg nicht gelaufen sein. Da allerdings er der einzige Projektleiter in Hamburg war, musste sich zudem er mit seinem Projekt in Stuttgart auch dafür opfern. Weshalb er nach der Schließung der Niederlassung in Hamburg danach auch gleich in dieses Immobilienentwicklungsunternehmen wechseln konnte. Also, ein Job, den er als Wiedergutmachung dafür erhalten hätte.
Denn ein Schließen der zentralen Geschäftsstelle in Wien, das wäre eben schon gar nicht gegangen. Schließlich bestand dieses Unternehmen, in welchem wir damals 2005 gemeinsam tätig waren, aus zwei ehemals verstaatlichte Unternehmen, welche in diesen Konzern VA Tech, der aus der Retorte stammte, eingegliedert wurden. Und die zentrale in Wien stammte eben von einem Unternehmen, die zweite Zentrale in Linz, wofür ich von 2005 bis 2005 tätig war, eben vom anderen Unternehmen. Dies wäre eben politisch nicht annehmbar, als unmöglich angesehen worden, wenn eine der beiden Zentralen gar geschlossen worden wäre.
Ganz nebenbei erzählte er mir, deshalb gab es auch im Jahr 2005 diese Zweigniederlassung in München, für welche ich tätig war, damit auch die Zentrale in Linz eine zumindest Zweigniederlassung in Deutschland hätte, wenn schon die Zentrale in Wien eine Niederlassung in Hamburg betreibt. Wobei ich dies auch schon in meiner Zeit in München des Öfteren zu hören bekommen hatte. Weshalb dies wohl stimmen musste. Und Harald W., „Harry“, einer der obersten Leiter der Zentrale in Linz, der zudem weit und breit im Unternehmen als besonders ehrgeizig bekannt war, musste eben mindestens das Gleiche haben, was die Zentrale in Wien schon hatte. War ja „Harry“ die treibende Kraft bei der Zweigniederlassung in „München“. Man könnte also die Hände über den Kopf zusammenschlagen, wenn man so etwas zu hören bekommt. Denn wirklich logisch erklären kann das einem wohl niemand. Aber so ist es eben einmal in solchen Unternehmen.
Zwischendurch hielt Kurt M. auf der Fahrt nach Prag in Znaim. Denn dort wohnte seine Frau mit seinem Kind. Wobei ich dies nun schon mehr als seltsam empfand. Wohnte er doch in Wien Meidling. Wobei er selbst kein gebürtiger Wiener war, sondern ursprünglich aus Kärnten stammte. Er jedoch, wie er meinte, niemals mehr aus Meidling, aus seiner Wohnung ausziehen werde. Egal was auch immer passieren würde, und er vor nichts zurückschrecken würde, diese Wohnung zu behalten. Wobei ich auch dies bemerkenswert fand. Alleine schon deshalb, wie, mit welcher Emotion er mir dies erzählte. Denn gerade in dieser Zeit hatte ich vielfach in Zeitungsartikeln gelesen, gerade in den Bezirken Wieden und Meidling würde es zu beinahe mafiaähnlichen Kämpfen zwischen einzelnen Mietern kommen. Wobei es darum ginge, „andere“ aus deren Wohnungen, gar aus dem Bezirk hinauszudrängen. Ich hatte mich darüber nicht weiter mit ihm unterhalten, ob auch er davon betroffen wäre, da er mir dies gar so emotional erzählte. Oder ob er vielleicht nicht selbst Teil jener wäre, welche „andere“ aus dem Bezirk hinausdrängen würde. Dies deshalb, da er meinte, manche müssten eben aus diversen Gründen eben wieder dorthin zurückgehen, woher sie gekommen wären. Er allerdings eben niemals mehr nach Kärnten zurückgehen würde, da er eben seit seiner Zeit in der HTL in Mödling bereits in Wien leben würde und daher nicht mehr in seine ursprüngliche Heimat, wie es eben andere tun sollten, zurückgehen werde. Wobei er dies in einer Art mir gegenüber erwähnte, als sollte ich mich dabei auch angesprochen fühlen, einst wieder in meine Heimat zurückkehren zu müssen, wenn der Zeitpunkt dafür gekommen wäre, wie er es nebenbei erwähnte. Daher war er mir nicht nur wegen seiner Vergangenheit bei VA Tech doch etwas suspekt! Um dies vorsichtig auszudrücken.
Am frühen Nachmittag waren wir endlich in Prag angekommen. Dort ging es gleich ins Hotel, um einzuchecken. Denn die Geschäftsstelle des Unternehmens war damals in einem der umliegenden Gebäude um das ebenfalls erst kürzlich in Betrieb gegangene Hotel untergebracht. Schließlich war dieses Immobilienentwicklungsunternehmen damals für die Entwicklung eines ganzen Stadtteiles verantwortlich. Ein Betriebsgelände der Skoda Werke soll dies ursprünglich einmal gewesen sein, welches nun mit Bürogebäuden und Hotels voll bebaut wurde.
Im Büro hatte nun Kurt M. seine Besprechung mit dem Lieferanten für die aktive Netzwerktechnik, vor allem für die WLAN-Verbindungen, in diesem Neubau eines Hotels in Pilsen. Doch dabei musste ich meine erste richtige Enttäuschung der besonderen Art in diesem Unternehmen erleben. Denn die Vertreterin dieses Lieferanten für die WLAN-Verbindungen, eine junge Tschechin, verzweifelte mit Kurt M. bei dieser Besprechung. Wobei dies bereits eine Auftragsverhandlung sein sollte. Denn Kurt M. sprach zwar äußerst laut und deutlich, aber umso laut und deutlich war zu erkennen, dass er sich bei Verhandlungen in englischer Sprache doch etwas schwer tat. Nun möchte ich nicht gerade behaupten, ich selbst könnte wirklich verhandlungsfähig Englisch sprechen, gerade da ich dies zuvor noch nie beruflich musste, aber bei ihm klang dies doch schon etwas peinlich. Wobei er selbst davon völlig unbeeindruckt schien. Auch wenn ihm selbst aufgefallen war, dass bei diesem Gespräch kein Ergebnis erzielt werden konnte, weil so eben einfach kein Zusammenkommen gegeben war. Er sprach regelrecht an ihr vorbei. Denn neben mir lag das Angebot für die Netzwerktechnik, sodass ich dies auch deutlich lesen konnte. Darauf auch alles angeführt war, worauf Kurt M. Wert gelegt hatte, auch alle internationalen Normen. Die Vertreterin genau dies in ihrem Vortrag über das Angebot auch angeführt hatte. Doch er lehnte all dies einfach ab. Weshalb diese Vertreterin immer mehr die Augen verdrehte, mit der Stirn zu runzeln begann, da sie nicht mehr wusste, was sie weiter vorbringen sollte, und schließlich dann auch froh war, als diese Verhandlung, wenn auch ergebnislos, wieder zu Ende war.
Am Abend besuchten wir beide noch eine typische tschechische Kneipe, nur unweit des Hotels. Wobei wir dort noch weiter über VA Tech und was wir in unserer jeweiligen Zeit in diesem Unternehmen erlebt hatten. Wobei ich mich allerdings nun, da ich wusste, er wäre offenbar durch äußerst gute Beziehungen, dabei regelrecht als Belohnung für sein Verhalten in der Niederlassung in Hamburg, in dieses Unternehmen gekommen, äußerst zurückgehalten hatte.
Nebenbei auch über die zuvor stattgefundene Auftragsverhandlung. Wobei ihm wohl nun wohl selbst dämmerte, dabei offenbar an der Vertreterin dieses Unternehmens vorbeigesprochen zu haben. Denn er meinte, bis zur tatsächlichen Beauftragung wäre ohnedies noch genügend Zeit. Wäre doch die Baustelle, welche wir am folgenden Tag in Pilsen besuchen würden, befände sich erst am Beginn des Innenausbaus.
Allerdings hatten wir dabei auch über die Arbeit, und was mich dabei erwarten würde, gesprochen. Wobei die grundsätzliche Aufgabe in diesem Unternehmen, welche nun auf mich zukommen würde, nicht nur exakt meinen Vorstellungen entsprochen, sondern mir auch richtig Spaß gemacht hätte. Allerdings war ich von den ersten Tagen in diesem Unternehmen nicht gerade begeistert.
(2021-09-09)