Linz, Dienstag, der 15. Juli 2008:
Diese Woche stand Projektbegleitung bei diesem Hotelprojekt in Linz auf dem Programm. Ganze zwei Tage hindurch soll ich nun mit meinem Kollegen Stjepan M. dort verbringen. Zudem fand die Woche zuvor bereits eine Baubesprechung statt. Bei welcher ich allerdings, da ich mit meinem Kollegen aus dem Bereich der Elektrotechnik in Tschechien und München war, nicht mit dabei war. Daher war ich auch gespannt, wie diese nun hier ablaufen würden.
Dazu hatte mein Kollege am Vortag für uns beide ein Zimmer reserviert. – Im Wohnheim der Landwirtschaftskammer in Linz auf der Gugl. Wobei ich mich fragte, wie gerade er zu dieser Adresse gekommen war. Denn dies passte so überhaupt nicht zu ihm. Aber es war eine günstige Unterkunft. Das schien wohl das einzige Kriterium für ihn gewesen zu sein. Wobei ich es trotzdem nicht ganz verstanden hatte, schließlich wurde die Unterkunft vom Unternehmen bezahlt.
Schon früh am Morgen holte mich mein Kollege Stjepan M. mit seinem Firmenwagen bei mir in Alterlaa ab. Gespannt war ich zudem, wie es mir diese Woche mit meinem Kollegen, noch dazu da ich ganze zwei Tage mit ihm verbringen musste, ergehen würde. Zwei Wochen zuvor war es regelrecht eine Tortur. Bei der er mich zudem, als er ich am Abend am Rückweg bei mir zu Hause absetzte, fast regelrecht aus dem Auto hinausgeworfen hatte. Aber schon die Fahrt nach Linz war wieder wie zuvor. Denn der Mann redete einfach nichts! Wobei ich auch nicht gerade der große Geschichtenerzähler bin, wenn ich mit jemandem im Auto unterwegs bin. Aber er war richtig schlimm. Auch sonst. Das fiel mir schon in den ersten tagen in diesem Unternehmen auf. Aber diese Fahrt schien schon einfach nicht zu enden.
Auch die Kurze Kaffeepause in einer der Autobahnstationen am Weg brachte keine Entspannung. Ganz im Gegenteil. Ich wusste einfach nichts mit ihm anzufangen. Ich war richtig froh, als wir endlich gegen zehn Uhr in Linz auf der Baustelle angekommen waren. Aber auch dort wusste ich nicht, was ich mit ihm anfangen, wie ich mit ihm umgehen soll, denn das Einparken auf dem Baustellengelände war eine richtige Herausforderung für ihn. Dabei war er nicht das erste Mal auf dieser Baustelle. Schon monatelang soll er in den wenigen Worten, welche er von sich gegeben hat, soll er regelmäßig auf dieser Baustelle sein.
Schon kurz nach neun Uhr waren wir in Linz angekommen. Aber das entsprach auch dem Zeitplan. Denn schließlich hatten wir nun unseren Arbeitsplatz dort, wenigsten in der Zeit, wenn wir auf der Baustelle vor Ort das Projekt betreuen sollten. Daher galt es am Morgenerst einmal den Arbeitsplatz mehr oder weniger aufzubauen. Zumindest den Rechner. Wobei, es war nicht mehr als Bauüberwachung, was hier unsere Aufgabe war. Eine Aufgabe, welche ohnedies nicht der Bauherr selbst übernehmen sollte. Sondern üblicherweise von einem Ingenieurbüro übernommen wird. Aber, dies wurde dezidiert aus dem Vertrag des Planers für Elektrotechnik herausgenommen – beziehungsweise aus allen Planungsaufträgen herausgenommen, auch vom Architekturbüro – denn diese Aufgabe wollte das Unternehmen selbst übernehmen. Daher war zum Zeitpunkt, als ich dieses Projekt übernommen hatte, der Auftrag des Ingenieurbüros längst abgeschlossen und auch abgerechnet. Lediglich hin und wieder würde das Planungsbüro noch unterstützend zur Verfügung stehen. Was ich auch etwas seltsam fand. Aber so war es eben. Wobei, wirklich abgeschlossen schien die Planung für dieses Hotel noch lange nicht gewesen zu sein, als der Planer seine Schlussrechnung dafür legen konnte und diese auch längst schon bezahlt bekommen hatte. So fehlten einfach einige Leistungen in der Leistungsbeschreibung. Welche offenbar auch schnell aufgefallen waren. Wie zum Beispiel die gesamten Einlegearbeiten für die Elektroinstallation in den Betonwänden. Wofür offenbar kurzerhand schnell einfach ein Zusatzauftrag an den Elektriker erteilt wurde, diese Leistungen auch auszuführen und er dafür pauschal, ohne dafür eine Ermittlung der erforderlichen Leistungen durchzuführen, von 60.000 Euro vergeben wurde. Als wäre dies einfach nichts. Aber gut. Hier schien es eben alles etwas anders abzulaufen, als ich die bisher kannte.
Um zehn Uhr begann dann die Baubesprechung im Besprechungscontainer unserer Containeranlage auf der Baustelle. Gleich neben unseren Arbeitsplätzen. Denn, obwohl wir nun regelmäßig – geplant alle zwei Wochen für mehrere Tage, hier auf der Baustelle verbringen sollten, ein eigener Schreibtisch, vielleicht gar ein eigener Bürocontainer stand uns nicht zur Verfügung. Hierfür mussten wir mit den Tischen im Besprechungscontainer vorlieb nehmen.
Nachdem es nicht die erste Baubesprechung bei diesem Bauvorhaben war, wenngleich es erst seit einer Woche dafür regelmäßige Termine gab, dachte ich eigentlich, ich würde nun einen eingespielten Ablauf unter der Leitung von Markus L. erleben. Doch so war dies ganz und gar nicht. Denn Mark L. war erst gar nicht auf der Baustelle, als die Baubesprechung begann. Seine beiden Mitarbeiter vom Bau übernahmen dies. Wobei sonst daran nichts weiter darüber zu berichten wäre. Denn die beiden machten dies auch ganz gut. Zudem war dies gleich einer jener Tage, an welchen auch der Architekt mit dabei war. Allerdings rein als Planer, beziehungsweise Architekt des Objektes.
Doch mein Kollege Stjepan M., der wusste nicht recht, was er dabei zu tun hatte. Wobei ich mir dies schon dachte, als ich seine bisherigen Protokolle durchgelesen hatte. Es schien eher so zu sein, als würde der Mitarbeiter des Heizung-, Klima- und Lüftungsunternehmens ihm erklären, was nun zu geschehen hatte. Daher schaute ich mir die ganz gespannt an. Denn die Elektrotechnik sollte zuletzt an der Reihe sein. Doch dabei blieb ich auch nicht ganz untätig und reichte, während die Kollegen der Haustechnik nun allerlei besprachen, dem bauleitenden Monteur des Elektrounternehmens Unterlagen vor seinem Platz am Besprechungstisch. Wobei die dem allerdings gar nicht zu passen schien. Denn ganz verstört wirkend darüber blickte er nun alle anderen Besprechungsteilnehmer an, als hätte ich nun etwas getan, was überhaupt nicht gehen würde. Da dämmerte mir schon, womit ich es hier wieder zu tun haben werde. Denn zuvor hatte ich ihn noch nicht zu sehen bekommen. Mir allerdings erklärt wurde, er wäre ein ganz umgänglicher und auch tüchtiger Mann dieses Unternehmens. Allerdings, für mich war er ein typischer Oberösterreicher. Wobei ich dies auch sagen darf, stamme ich doch selbst aus diesem Bundesland. Mit seinem gelegentlichen Schnalzen aus dem Mundwinkel heraus, dass ich auch aus meiner alten Heimat nur allzu gut kannte, mir allerdings sonst noch nie irgendwo aufgefallen war – eben ausgenommen in Oberösterreich. Weshalb ich dies auch als typisch bezeichne.
Diese Baubesprechung dauerte ziemlich lange. Was allerdings nicht nur daran lag, dass an diesem tag auch der Architekt mit am Tisch saß. Sondern vielmehr daran, dass der dann folgende Teil der Haustechnik doch äußerst unkoordiniert ablief. Bis in den frühen Nachmittag hinein saßen wir am Besprechungstisch. Wobei dies sogar relativ amüsant war, denn es brauchte nur ein kleines Stichwort und der Mitarbeiter des Haustechnikunternehmens begann alles bis ins kleinste Detail zu erklären. Als säßen ohnedies am Tisch nur Leute, welche davor überhaupt keine Ahnung hätten und erst in die Materie eingeführt werden mussten. Das erledigte er dann auch sehr gut. Weshalb ihm dafür auch nichts anzulasten ist. Es allerdings einfach komisch wirkte. Schließlich sollte es, wenn schon, dann eher umgekehrt sein. Schließlich sollten seine Leistungen auf der Baustelle überwacht werden und nicht er erklären, was zu geschehen hätte.
Am späten Nachmittag tauchte dann auch noch Markus L. auf der Baustelle auf. Wobei niemand eine Erklärung hatte, wo er sich zuvor aufgehalten hatte. Auch er nicht. Weshalb dies viel Platz für Spekulation ließ. War es doch mittlerweile Sommer geworden und tagsüber richtig schön heiß. Einfach Badewetter. – Die Andeutung dafür kam zudem von seiner Sekretärin. Löste aber bei den Kollegen nur Heiterkeit aus.
Auch dieser Tag schien überhaupt nicht zu Ende gehen zu wollen. Daher war ich richtig froh, als Stjepan M. und ich endlich gegen halb sieben Uhr abends in unser Quartier fahren konnten. Aber dies war eben eine Unterkunft für Kursteilnehmer der Landwirtschaftskammer, welche aus dem ganzen Land nach Linz kommen und dort, bei mehrtägigen Kursen nächtigen. Mehr war auch nicht zu erwarten. Aber weshalb sich Stjepan M. diese Unterkunft ausgesucht hatte, war für mich nicht wirklich zu verstehen. Denn er passte dort so gut wie überhaupt nicht hin. Und ich konnte mir nicht vorstellen, dass es in Linz keine andere Möglichkeit zur Übernachtung gegeben hätte, wie er dies begründete.
Nun wollte ich zu meinem neuen Kollegen nicht unhöflich sein und fragte ihn, ob wir nicht am Abend noch zusammen ein Lokal besuchen möchten. Um dort etwas zu essen, oder einfach nur ein paar Biere trinken. Aber das hätte ich wohl nicht auch noch tun sollen. Denn der Tag war ohnedies schon anstrengend genug. Nun hatte ich ihm auch noch am Abend am Hals. Denn selbst schien er zuvor noch nie irgendetwas in Linz unternommen zu haben. Kannte er sich dort doch überhaupt nicht aus. Weshalb ich selbst auch so tat, als wäre ich nun gänzlich neu in Linz und fragte ihn, ob wir nicht jenes Lokal, welches sich gleich neben der Baustelle an der Straßenkreuzung befindet, besuchen wollen. Dem er auch sofort zugestimmt hatte. Wir also gut eine Stunde, nachdem wir die Baustelle verlassen hatten, schon wieder mit dem Auto dorthin fuhren, er wieder beinahe vergeblich versuchte, dort einzuparken, und wir danach dieses Lokal, damals ein Irish Pub, besuchten.
Aber kaum gingen wir die wenigen Meter von der Baustelleneinfahrt zu diesem Lokal, kamen uns einige Passanten, ein paar junge Leute, entgegen. Worauf eine junge Frau aus dieser Gruppe meinte, als sie sah, dass wir nun dieses Irish Pub aufsuchen wollten,
„sehr gut! Die warten schon oben auf der Terrasse auf ihn!“
Worauf ich etwas irritiert war. Nicht deshalb, weil nun mi gänzlich unbekannte Personen solch Äußerungen neben mir geäußert hatten, sondern, wer um alles in der Welt würde auf mich in diesem Lokal warten. Weshalb ich nun hoffte, dort niemanden anzutreffen, den ich kennen würde. Schon gar niemanden von der VA Tech. Denn dies wäre nun gar nicht so unmöglich gewesen, hier in Linz nun ehemalige „Kollegen“ aus meiner Zeit bei VA Tech zu treffen. Was ich so gar nicht wollte, sondern sogar vermeiden wollte. Daher blickte ich mich, als wir dann ebenfalls auf der Terrasse des Lokals saßen, das Innere des Lokals war leer, ganz genau um, ob ich nicht doch jemanden entdecken würde, den ich kenne – vielleicht auch noch aus meiner Zeit bei VA Tech. Aber zum Glück war niemand zu sehen, den ich kenne.
Trotzdem schien es allerdings so, als hätten tatsächlich Gäste auf dieser Terrasse darauf gewartet, dass ich an diesem Abend mit meinem Kollegen dort ebenfalls anwesend wein werden. Denn gemustert wurde ich wieder einmal von oben bis unten – und danach wieder bis oben. Wirklich aufgefallen war dies allerdings erst, als wir das Lokal wieder verlassen hatten. Denn da meinte doch einer der Gäste vom Nebentisch, als wir gingen,
„den werden wir schon kriegen hier!“
Aber so schnell war es an diesem Abend noch nicht so weit. Denn zuerst saß ich nun mit meinem Kollegen auf dieser Terrasse und mir ging es, wie schön den ganzen Tag, ich wusste nicht, was ich mit ihm anfangen soll. Er redete einfach nichts. Nur, wenn ich ihn selbst direkt auf etwas angesprochen hatte, meist bezüglich der Arbeit, was sonst sollte ich nun mit ihm besprechen, kamen wenigstens Antworten von ihm. Aber sonst nichts. Er erzählte einfach nichts. Von sich schon gar nicht. Aber auch sonst. Es war, als müsste man ihm jedes einzelne Wort aus der Nase herausziehen. Der Abend schien einfach nicht enden zu wollen. Ich war schon fast ratlos, wie dies am nächsten Tag, aber auch in den folgenden Tagen, Wochen und Monaten weitergehen soll. Denn ich wusste mit ihm nichts anzufangen. Daher war ich richtig froh, als er dann von sich aus selbst nach gut zweieinhalb Stunden gehen wollte, ich in meinem Zimmer angekommen war und endlich an diesem Tag wieder einmal alleine sein konnte.
(2021-08-09, 2021-09-08)