Baden, Donnerstag, der 7. Februar 2008:
Endlich hatten wir Anfang Februar 2008 alle Mängel in der Elektroinstallation bei unserem Auftrag in dieser Provisionen psychiatrischen Station, untergebracht in einem Haus, welches eigentlich für Senioren Wohnungen errichtet werden sollte, in Baden bei Wien, beseitigt. Wie sehr oft, wenn ich an einem Nachmittag auf der Baustelle war, gingen wir nach der Arbeit noch in dieses kleine Lokal im Häuserblock gegenüber, welches von einer Rumänin betrieben wurde, aßen noch etwas und blieben dann meist noch länger in diesem Lokal. Diese “Projektbesprechungen” zwischen meinem Obermonteur, welcher von seinen Kollegen mittlerweile fast liebevoll “Dr. Fladenstich” genannt wurde, waren wirklich legendär. Meist saßen wir bis spät in die Nacht hinein, ich trank dabei einen Kaffee, abwechselnd mit einem Mineralwasser, nach dem anderen, mein Obermonteur dabei ein Bier nach dem anderen. Aber dann, wenn es mir zu viel wurde, zahlten und gingen wir. Aufgrund des doch erheblichen Alkoholkonsums meines Obermonteurs fuhr er dann meist mit mir im Auto mit und ich brachte ihn bis zur U-Bahnstation, kurz vor meinem Wohnhaus in Alterlaa. Dort stieg er dann in die U-Bahn ein, fuhr damit nach Ottakring, seinem Bezirk, blieb dabei aber meist in einem einschlägigen Lokal am Gürtel hängen und war dann meist am folgenden Tag in der Arbeit nicht gesehen. Jeder wusste eigentlich was los war, niemand hatte aber jemals etwas gesagt. Meist waren seine Kollegen am folgenden Tag darüber gar nicht böse, konnten sie doch an so einem Tag ungehindert ihrer Arbeit nachgehen.
So begann auch dieser Tag, oder eigentlich sollte ich sagen, dieser Feierabend. Wir gingen also wieder nach der Arbeit in dieses Lokal der Rumänin, direkt neben einer Versicherungsagentur. Dieses Lokal existiert leider heute nicht mehr. Dort bestellten wir uns etwas zu essen und trinken, blieben dann aber noch länger sitzen.
Aber an diesem Tag, nachdem dieses Projekt endlich beendet war und alle Mängel beseitigt waren, ließ ich meinem Obermonteur und seinen beiden Kollegen von der Montage in den Gesprächen freien Lauf. Ich wollte einfach einmal wissen, worüber sie sprechen, wenn ich nicht die Themen vorgebe. Über das Projekt hatten wir ja nun nichts mehr zu besprechen, ausgenommen vielleicht eine Nachbesprechung, aber dafür war es noch viel zu früh. Also begannen die drei frei von sich aus zu sprechen und ich mischte mich dabei überhaupt nicht ein.
Nachdem ich ihnen eine Stunde lang zugehört hatte, mischte ich mich dann aber doch ein und meinte,
“nun redet ihr seit gut einer Stunde über Franz, Euren neuen Chef. Das klingt dabei aber nicht so, als wäret Ihr zufrieden mit ihm!”
Sie hatten sich tatsächlich über eine Stunde lang über den neuen Abteilungsleiter Franz K., welcher seit Ende Jänner die Aufgaben von “Körnchen”, wie er liebevoll genannt wurde, der nun in den Ruhestand gegangen war und dessen Position übernommen hatte, unterhalten.
Dann meinte ich noch,
“das seid Ihr doch Ihr selbst gewesen, welche ihn als neuen Chef haben wolltet. Da waren doch auch noch andere im Gespräch um die Agenden von K. zu übernehmen, aber Ihr habt auf Franz K. bestanden. Und jetzt redet Ihr, als wäre er völlig ungeeignet für diesen Job?”
Darauf meinte mein Obermonteur von dieser Baustelle,
“ich weiß! Du wärst ja auch als möglicher Kandidat gehandelt worden. Lange Zeit wollten eigentlich fast alle Dich! Aber hätten wir Dich genommen, dann wären wir weg gewesen, oder hättest Du uns so arbeiten lassen, wie wir es hier getan haben? Franz ist total angewiesen auf uns, der kann uns nichts tun. Wenn er doch etwas versucht hätte, dann hätten wir ihn einfach abgesägt. Du aber hättest Deine Arbeit alleine gemacht! Da hätten wir ganz schlechte Karten gehabt! – Du kennst uns ja! – Dann fehlt wieder einer …”
Ich sagte nichts darauf und lächelte nur ein wenig.
Naja. Bei ihnen gelten eben andere Regeln. Leistung, Kompetenz, Erfolg, Kenntnisse und Fähigkeiten – die zählen eben nicht bei ihnen. Hier muss man andere Anforderungen erfüllen, um erfolgreich zu sein. Je abhängiger der Vorgesetzte von den Mitarbeitern ist, desto größer sind seine Chancen, bei ihnen erfolgreich zu sein – sich bei ihnen durchzusetzen!
(2017-09-07)