Hannover, Donnerstag, der 5.Juni 2008:
Heute war es endlich so weit. Mein Vorstellungsgespräch in jenem Unternehmen, bei welchem ich mich mit meiner Bewerbung am 7. April bei diesem kleinen Personalmanagement Unternehmen in Northeim in Niedersachsen beworben hatte, sollte tatsächlich stattfinden. Zwei Termine im Mail hatte ich dafür schon, welche aber jedes Mal, da der Leiter dieser Niederlassung in Hannover ein vielbeschäftigter Mann sei, kurzfristig wieder abgesagt wurden.
Ich hatte auf meine Bewerbung am 7. April auch schnell, kaum war ich vom Dienst in diesem Unternehmen in Wien Atzgersdorf vom Dienst freigestellt, eine Rückmeldung erhalten. Wobei sich der zuständige Herr dieses Personal Management Unternehmens schon von Beginn an sehr geheimnisvoll um diese Stelle gab. Mir allerdings sofort erzählte, es würde sich um jenes französische Unternehmen handeln, welches den Bereich Anlagenbau der AEG übernommen hatte. Ein Unternehmen, welches auch in Österreich, allerdings nur mehr in Wien, ansässig ist und bei welchem ich auch schon mit Personen aus diesem Unternehmen zu tun hatte. Kam doch schon der stellvertretende Leiter der Region Ost bei MCE, Christian M., sowie mein direkter Vorgesetzter bei diesem Elektrounternehmen am Wienerberg aus diesem Unternehmen. Aber dies in Hannover schien etwas ganz Besonderes zu sein. Jedenfalls erweckte mein Recruiter aus diesem Personalmanagement Unternehmen den Eindruck. Daher war ich auf dieses Gespräch heute sehr gespannt.
So fuhr ich am Morgen schon mit der Bahn nach München und danach weiter nach Hannover, denn um 14:00 Uhr sollte mein Termin stattfinden. Die Anreise hatte ich mir gut eingeteilt, sodass ich, nach Ankunft in Hannover, nur mehr aus dem Hauptbahnhof hinausgehen, in die Straßenbahn steigen, damit ein paar Stationen fahren und schon wäre ich, nach einen kleinen Fußweg in diesem Unternehmen in Hannover gewesen. Doch der Zug hatte etwas Verspätung. Sodass ich nach Ankunft in Hannover vor dem Hauptbahnhof stand und mir dachte, bis ich nun die richtige Straßenbahn gefunden habe, fährt mir die erste vor der Nase davon und ich werde mich zu meinem Termin verspäten. Und wenn ich vielleicht auch noch in eine Falsche einsteige, dann komme ich ohnedies viel zu spät. Was ich allerdings nicht wollte. Hatte mir doch mein Recruiter besonders auf die Pedanterie des Leiters dieser Niederlassung hingewiesen.
Daher fasste ich kurzerhand den Entschluss, nicht mit der Straßenbahn zu diesem Unternehmen zu fahren, sondern doch ein Taxi zu nehmen. Weshalb ich das erste, freie Taxi, welches ich am Vorplatz des Hauptbahnhofs entdecke, ansteuerte, kurz anzeigte, ob dieses Taxi frei wäre und danach neben dem Fahrer einstieg. Wobei mir der Fahrer, ein Orientale, von oben bis unten genauestens musterte, mich offenbar auch nur widerwillig befördern möchte, und, nachdem ich ihm sagte, wohin die Fahrt gehen sollte, dieser vor sich her murmelte,
„meine Güte. – Bin gespannt, was als nächstes kommt. Da wird er wahrscheinlich noch weiter nach Norden gehen! – Vielleicht nach Hamburg?“
Nun war ich doch sehr überrascht über dessen Gemurmel neben mir. Denn er schien zu wissen, wer ich bin! Nun war ich allerdings zuvor noch nie wirklich in Hannover. Lediglich anlässlich einer Werksbesichtigung eines großen österreichischen Leuchtenherstellers eines neu zugekauften Werkes in Lemgo war ich vor einigen Jahren, allerdings zusammen mit einer ganzen Truppe von gut zehn Leuten, an zwei Tagen hintereinander durch Hannover gekommen. Zudem war ich bis zu diesem Zeitpunkt gerade Mal zwei Mail mit dem Zug durch Hannover gekommen. Nun wusste aber dieser Taxifahrer genau wer ich war und auch, weshalb ich nun in Hannover angekommen war! Ein Taxifahrer eines von mir völlig zufällig ausgewählten Taxis! Dies ließ mich doch sehr nachdenklich werden. Alleine vor der mittlerweile für mich ungeheuren Ausbreitung dieses Theaters um meine Person! Und dies schien alles die gleiche Ursache zu haben!
Daher war ich nun richtig gespannt, was mich bei diesem Vorstellungsgespräch erwarten würde. Denn mittlerweile wurde ich doch ziemlich nachdenklich, ob das nun auch der richtige Weg wäre, denn ich einschlagen wollte. Hatte es doch schon in München und Wien überhaupt nicht funktioniert, als ich dort eine neues Leben mit einem Job in einer neuen Stadt anfangen wollte. In München und Wien hatte ich bisher nur einige Stunden zu fahren, um zurück in meine alte Heimat nach Salzburg zu kommen. Nun wären es doch einige Kilometer mehr. Schließlich war ich an diesem Tag schon acht Stunden unterwegs.
Pünktlich auf die Minute kam ich dann bei meinem Termin zum Vorstellungsgespräch an. Und der Leiter dieser Niederlassung war, wie es mir mein Recruiter eschrieben hatte. Ein älterer Mann, wenige Jahre vor seiner Pensionierung. Noch einer, wie es schien, der alten Schule. Allerdings kam ich mit ihm gut aus und konnte mich auch mit ihm über alles unterhalten. Weshalb dieses Vorstellungsgespräch äußerst positiv, meinem Eindruck nach, verlaufen war. Sogar alle seine Bedenken gegen meine Anstellung, da dieses Unternehmen, wie er sagte, sehr viele Aufträge in der Petrochemie hätte, schließlich handelte es sich um die Niederlassung in Niedersachsen, welches ja auch an die Nordsee grenzt, konnte ich gut ausräumen. Und da dieses Gespräch deutlich über eine Stunde dauerte, ging ich davon aus, hier hätte ich zumindest keinen schlechten Eindruck hinterlassen.
Allerdings wunderte mich, weshalb ich nicht gefragt wurde, warum es mich nun nach Niedersachsen ziehen würde. Schließlich gäbe es von diesem Unternehmen auch eine Niederlassung in Wien. Daher musste ich dies – ich wollte es einfach – selbst ansprechen. Wobei ich ihm etwas von meinen Erfahrungen bei VA Tech erzählte, und deshalb nun eben in einer neuen Stadt, in einer für mich gänzlich neuen Umgebung ein neues Leben beginnen möchte. Nicht da ich damit noch Probleme hätte. Aber ich möchte eben nicht ständig mit einer Vergangenheit konfrontiert werden, zu der ich selbst nichts beigetragen hatte und mich gegen die Entwicklung aber auch nicht wehren konnte. Trotzdem aber nicht meinen Beruf aufgeben möchte. Wobei auch dies von meinem Gesprächspartner durchaus positiv aufgenommen wurde. Schließlich hätte er auch andere Mitarbeiter, welche nicht gerade aus der Gegend kämen. Wenngleich er auch meinte, er würde sich auch mit seinen Kollegen in Wien über mich unterhalten, bevor er mich einstellen würde.
Eigentlich hatte ich ja zwei Gesprächspartner bei meinem Vorstellungsgespräch. Aber der zweite Mann, der Leiter der Abteilung für Projektmanagement, ein junger Mann, offenbar in meinem Alter, saß das gesamte Gespräch über nur an seinem Platz und hörte dem Gespräch nur zu.
Nachdem das Gespräch dann nach gut einer Stunde zu Ende war, mir der Leiter dieser Niederlassung noch erklärte, er würde sich in der nächsten Woche bei mir melden, wie seine Entscheidung, ob es zu einer Anstellung kommen würde, wollte ich zunächst nun mit der Straßenbahn zurück zum Hauptbahnhof fahren. Doch mittlerweile hatte ich doch etwas Zweifel, ob es für mich auch wirklich gescheit wäre, nun hier her zu gehen. Weshalb ich die Dame am Empfang bat, mir doch ein Taxi zu rufen, damit ich damit wieder zurück zum Hauptbahnhof fahren könnte. So hatte ich noch etwas Zeit, in diesem Unternehmen weitere Eindrücke zu sammeln, da ich mir, während ich auf mein Taxi wartete, am Empfang an einen kleinen Tisch setzte. Wobei ich mir allerdings dachte, hier käme ich mir vor, wie in einem x-beliebigen Unternehmen, in welchem ich bisher schon gearbeitet hatte. Lediglich der Dialekt wäre ein anderer – beziehungsweise nicht vorhanden. Weshalb ich noch mehr Bedenken bekam, ob ich, falls ich die Stelle bekommen würde, diese auch annehmen sollte. Aber da meine Gehaltsvorstellungen nun ausreichend hoch waren, welche ich beim Vorstellungsgespräch bekanntgegeben hatte, dachte ich mir, es wäre auf jeden Fall einen versuch wert. Schließlich könnte nichts Schlimmeres passieren, als mir ohnedies in den letzten Jahren schon passiert war.
Als ich dann wieder am Hauptbahnhof auf meinen Zug zurück nach München wartete, kam ich noch mehr ins Grübeln. Denn dort hatte ich doch einige kurze Dialoge in meiner unmittelbaren Umgebung vernommen, bei welches es darum ging, ob ich denn nun hier zu arbeiten beginnen würde. Wobei ein Mann gar meinte,
„offensichtlich kommt er nun hier her! Einen schlechten Eindruck dürfte er jedenfalls nicht hinterlassen haben!“
Mich beunruhigte einfach, dass ich nun doch 800 Kilometer von Salzburg entfernt war. Trotzdem aber Gespräche in meiner Umgebung vernehmen musste, als würde ich in Salzburg am Hauptbahnhof stehen! Die Ausbreitung dieses Theaters um meine Person, die machte mir schon richtig zu schaffen. Denn dies konnte nicht einfach nur mehr durch „Gerede“ von Leuten zustande gekommen sein, die zufällig etwas, vielleicht im Urlaub, in meiner alten Heimat aufgeschnappt hatten. Sondern dies sah schon eher danach aus als würde hier bewusst etwas verbreitet werden. Auch in Gebiete, in welchen ich zuvor noch nie war, auch nie Anzeichen zeigte, dorthin gehen zu wollen.
Als ich dann wieder im ICE nach München saß, entdeckte ich einen jungen Mann, der schräg meines Platzes an einem Platz mit Tisch saß, der offensichtlich auch aus meiner Branche, der Errichtung elektrotechnischer Anlagen im Hochbau, kam. Jedenfalls ging es in den Gesprächen bei seinen Telefonaten darüber. Aber es war ein junger Mann, wie ich sie schon von den Unternehmen, in welchen ich in den Jahren zuvor gearbeitet hatte, kannte. Der mehr einem Günstling von all den „Hörbis“, „Zuckis“, „Harrys“ und dergleichen aussah, als einem selbstständigen Mann, der selbst wisse, was er von seinem Leben will. Auch and er Kleidung war ihm dies anzukennen. Aber dies fiel nicht nur mich auf, sondern auch anderen Fahrgästen im Waggon. Was von denen allerdings nicht einfach nur zur Kenntnis genommen wurde, sondern ganz im Gegenteil, er wurde nun von ihnen regelrecht fertig gemacht! Worüber ich mich riesig amüsierte. Etwas, dass ich schon seit Jahren nicht mehr erlebt hatte. Wenngleich es doch eigentlich auf der Hand läge. Schließlich sind dies doch mehr als seltsame Leute. Aber dies beruhigte mich wieder in meinen Überlegungen, ob es eine gute Idee wäre, nun hierher nach Norddeutschland zu gehen. Denn nun kam es aus meiner Sicht nur mehr darauf an, in welchen Personenkreis ich in diesem Unternehmen kommen würde. In jenen dieser „seltsamen Leute“, oder in jenen, die diese gerne auch mal „fertig machen“ wollen! Bei denen ich selbst sofort und liebend gerne dabei gewesen wäre. Denn mittlerweile konnte ich solche Leute schon nicht mehr sehen! Und nachdem noch ein zweites Gespräch folgen sollte, war noch Zeit, um dies herauszufinden.
Erst nach Mitternacht kam ich an diesem Tag wieder zurück in meine Wohnung. Und dies, nach einem Vorstellungsgespräch, welches gerade mal gut eine Stunde dauerte!
(2021-06-20)