Wien, Montag, der 14. April 2008:
An diesem Vormittag sollte nun eine Besprechung stattfinden, bei der die weitere Vorgehensweise bei den Auftragsverhandlungen zu diesem Hotelprojekt in Bukarest besprochen werden soll. In Outlook wurde dafür sogar eigens zu einer Besprechung in einem der Besprechungszimmer im Untergeschoß des Bürogebäudes eingeladen wurde. Markus B. hatte diese organisiert.
Doch tatsächlich waren dann mit unserem neuen Geschäftsführer Horst Sch., Markus B., dem kaufmännischen Projektabwickler, und mir die gleichen Personen bei dieser Besprechung anwesend, die auch schon am Donnerstag zuvor an der Auftragsverhandlung teilgenommen hatten. Lediglich Franz K. wurde dazu zusätzlich eingeladen. Deshalb dachte ich zuerst, nun würden wir eben in einer etwas erweiterten Runde darüber diskutieren, wie wir mit dem neuen Umstand, dass die rumänische Niederlassung dieses österreichischen Baukonzerns unser Auftraggeber werden soll, umgehen sollen.
Horst Sch. erläuterte zu Beginn auch noch diesen nun völlig neuen und für uns auch gänzlich unerwarteten Umstand. Aber kaum hatte er seine Ausführungen beendet, begann Franz K. loszulegen und meinte, solch ein Projekt wäre ohnedies nichts für dieses Unternehmen, schon gar nicht für unsere Abteilung. Daher wäre es auch völlige Zeitverschwendung gewesen, für dieses Projekt überhaupt ein Angebot zu legen. Schließlich wären solche Projekte, wie er sie zuletzt mit diesem Neubau einer Bankfiliale in Schwechat hatte, bei der er schon in der Planungsphase, vor Ausschreibung der Leistungen, in das Projekt durch das Ingenieurbüro eingebunden worden wäre, jene Projekte, welche er in Zukunft in unserer Abteilung bearbeiten möchte. Nicht allerdings solche dubiosen Projekte, bei welchen man nach einer ersten Auftragsverhandlung mit gänzlich anderen Voraussetzungen als zu Beginn der Kalkulation zurückkommen würde.
Wobei er dies allerdings richtig vorwurfsvoll in meine Richtung vorgebracht hatte. Dabei war es er doch, der mit diesem Projekt zu mir gekommen war und mich bat, mich mit dem Projektleiter des „FMZs“ in Wiener Neustadt dieses Immobilienentwicklungsunternehmens in Verbindung zu setzen, da dieses Unternehmen für uns ein neues Projekt hätte, wofür wir erst einmal ein Angebot legen sollten. Zudem wollte ich ihm noch einige Tage später, als ich die Unterlagen für dieses Projekt erhalten und mir diese durchgesehen hatte, ich zudem mit dem dafür vorgesehenen Obermonteur Franz M. darüber sprach und dabei feststellen musste, er wäre überhaupt nicht von solch einem Projekt begeistert, der Franz K. noch davon abhalten wollte, dass wir für dieses Projekt überhaupt ein Angebot legen. Dass war ihm damals völlig egal. Er selbst war es, der mir angeordnet hatte, ein Angebot zu erstellen!
Zudem fand ich es nur mehr als seltsam, ja beinahe schon lächerlich, als er sein Projekt, dieser Neuerrichtung einer Bankfiliale in Schwechat, als das Paradeprojekt für die Zukunft in dieser Abteilung gelobt hatte. Ging dies doch völlig daneben. War zudem längst abgerechnet, obwohl das Projekt noch längst nicht vollständig abgeschlossen war. Aber dies lag ganz einfach daran, dass die Planung, sowie die Kostenschätzung als auch das Angebot unseres Unternehmens derart danebengelegen war, sodass längst zwischen Auftraggeber und unserem Subunternehmen, welches die Leistungen zu 100% übernommen hatte, eine eigene Vereinbarung getroffen wurde, damit nicht für die unzähligen Nachträge, vor allem aber über die Höhe der Nachträge, auch noch ein Zuschlag vom Auftraggeber an unser Unternehmen zu bezahlen wäre. Also, dass schlug dem Fass regelrecht den Boden aus, als er dieses Projekt als das Zukunftsprojekt der Abteilung anpries, dieses Projekt, über welches wir nun sprachen, hingegen als dubios und wahrscheinlich auch höchst risikobehaftet angesehen hatte. Zumal er meinte, ich könnte bei diesem Angebot zudem noch eine Menge Fehler in der Kalkulation haben, welche erst im Zuge der Ausführung zu Tage kommen würden.
Franz K. saß links von mir und ich konnte einfach nicht fassen, was ich nun hier zu hören bekommen hatte. Doch eigentlich wären wir uns in Bezug auf dieses Projekt in Bukarest doch trotzdem einig. Denn somit möchte wohl auch er nicht, dass wir an den Auftragsverhandlungen weiter teilnehmen sollten. Somit wäre es doch das Einfachste, dem Auftraggeber nun mitzuteilen, dass sich mit der Änderung des Auftraggebers in ein rumänischen Unternehmen, auch wenn es sich dabei um eine Niederlassung dieses österreichischen Baukonzerns handeln würde, somit auch rumänisches Recht als vereinbart gelten sollte, sich derart wesentliche Faktoren bei diesem Projekt geändert hätten, welche es unserem Unternehmen unmöglich machen würde, solch einen Auftrag anzunehmen. Weshalb wir aus diesem Grund einfach unser Angebot auch zurückziehen könnten, da dies zu Beginn der Kalkulation, ja nicht einmal als uns mitgeteilt wurde, dass dieser österreichische Baukonzern als Mutterunternehmen dieses Immobilienentwicklungsunternehmen das Projekt übernommen hatte, bekannt war, sondern erst bei der ersten Auftragsverhandlung letzten Donnerstag mitgeteilt wurde. Und, da es eben klare Richtlinien in unserem Unternehmen gäbe, wir somit dieses Projekt nicht weiter verfolgen könnten.
Doch darauf meinte Franz K., der Umstand, dass bei diesem potentiellen Auftrag nun rumänisches Recht gelten sollte, auch die Vertragsunterlagen in rumänischer Sprache verfasst werden würden, auch Bukarest als Gerichtsstand als vereinbart werden sollte, würde überhaupt keine Rolle spielen, denn dies alles könnten wir, wie er wörtlich meinte, „handeln“. Jedoch wären die sonstigen Risiken bei diesem Projekt zu hoch und zudem möchte niemand im Unternehmen, schon gar nicht die Monteure, dieses Projekt in Bukarest ausführen. Weshalb es nun gelte, einen Grund für ein Zurückziehen des Angebotes zu finden. Worauf ich ihm noch einmal erklärte, dafür hätte doch der Auftraggeber mit der Weitergabe des Projektes an ihre rumänische Niederlassung den optimalen Grund selbst geliefert. Doch Franz K. meinte abermals, dies wäre für uns nicht ausschlaggebend.
So saß ich nur mehr an meinem Platz, schüttelte etwas den Kopf und wusste auch nicht mehr, was ich nun weiter vorbringen sollte. Denn dabei stellte ich mir gerade Franz K. vor, wie er einen Vertrag in rumänischer Sprache, bei dem vielleicht nicht einmal eine deutsche Übersetzung mit beigefügt ist, als Handlungsbevollmächtigter unterschreibt. Ihm traute ich es sogar zu! Dies mit allen anderen Folgen, die dies mit sich bringen würde.
Da sonst niemand mehr etwas vorzubringen hatte, wurde die Besprechung nach nicht einmal zwanzig Minuten beendet und alle verließen den Besprechungsraum im Untergeschoß. Ich allerdings, ziemlich angefressen darüber, was ich eben miterleben musste, ging dabei vor. Dabei noch ständig in Gedanken darüber, weshalb nun nicht einfach ein Dreizeiler an den Auftraggeber gesendet werden sollte, in der diesem, aufgrund der geänderten Umstände, das Angebot einfach, nämlich mit driftigem Grund, zurückgezogen werde. Nun sollte ich zudem einen anderen Grund dafür finden, weshalb das Angebot zurückgezogen werden soll.
Doch kaum ging ich durch die Brandschutztüre, ein paar Meter vor den restlichen drei Teilnehmern der Besprechung, wobei Franz K. diesen dreien voranging, merkte ich, dass ich gerade durch jene Brandschutztüre gegangen war, welche so schnell wieder zufällt. Und ehe ich es mir versehen hatte, bemerkte ich, dass diese Tür hinter mir zugefallen war. Wobei gerade Franz K. in diesem Augenblick an der Tür angekommen war. Jeder im Büro, der gelegentlich die Kantine aufsuchte, wusste, dass diese Tür äußerst schnell zufallen würde. So auch ich. Doch in diesem Augenblick hatte ich einfach nicht daran gedacht. Und als ich kurz zurück schielte, sah ich, dass Franz K. diese Türe vor die Nase geknallt bekommen hatte. Wobei ich mir anfangs noch dachte, dies würde ihm auch recht geschehen. Denn nun wäre es wohl wieder vorbei mit dem Frieden im Büro und er würde seine Aggressionen wieder an mir auslassen!
Im Büro wurde danach tatsächlich darüber nachgedacht, mit welchem Grund nun dieses Angebot wieder zurückgezogen werden könnte. Ich konnte es nicht fassen. Lag der Grund dafür doch so einfach und greifbar regelrecht am Tisch. Wobei nun allerdings ich aus den Beratungen darüber ferngehalten wurde. Als wäre nun etwas im Büro geschehen.
Daher fasste ich am Nachmittag den Entschluss, wieder die Baustelle der Psychiatrie in Baden aufzusuchen. Wobei ich dort selbst seit Beendigung der Mängelbeseitigung Anfang Februar nie mehr auf der Baustelle selbst war. Sondern einfach nur die Gelegenheit nutzte, aus dem Büro hinauszukommen. Dies mit dem Vorwand, noch für die Erstellung der Projektdokumentation vor Ort etwas aufnehmen zu müssen.
Tatsächlich fuhr ich dabei allerdings seit Anfang Februar stets an der Baustelle vorbei und setzte mich gleich in jenes kleines Bistro in der Parallelstraße, in welches wir in jener Zeit, als die Baustelle noch voll im Gange war, des Öfteren mittags zum Essen gingen. Mittlerweile verstand ich mich dort auch relativ gut mit der Betreiberin dieses Bistros. Einer, wie könnte es anders sein, Rumänin. Mit der ich mich schon vielfach um diverse Seltsamkeiten des Unternehmens, in welchem ich in dieser Zeit arbeitete, unterhalten hatte, die auch ihr aufgefallen waren. Zudem traf ich dort mittlerweile meist einen ehemaligen Bediensteten der Stadtgemeinde Baden, welcher sich bereits im Vorruhestand befand und mit dem ich auch des Öfteren interessante Gespräche darüber führte. Schließlich war auch er im Bereich der Bauwirtschaft tätig. Hielt es allerdings nicht mehr in der Gemeindestube aus und wurde daher wegen eines Burn Out Syndroms in Frühpension geschickt. Wobei er nun allerdings sein Leben offensichtlich richtig genossen hatte und es ihm dabei auch nicht schlecht ergangen war. Fuhr er doch dort regelmäßig mit seinem neuen und damals so schicken knallroten Alpha Romeo Spider vor.
Ich hatte längst Befürchtungen, im Büro wäre längst bekannt, dass ich bei diesen Anlässen kein einziges Mal mehr auf der Baustelle selbst war. Aber mittlerweile war mir dies auch egal. Denn im Büro war es zu dieser Zeit auch nicht mehr auszuhalten. Es war eine regelrechte Qual. Jeden Tag, die ganze Arbeitswoche über. Hätte ich nicht wenigstens ausreichend Gehalt erhalten, dann hätte ich auch längst selbst gekündigt. Daher war es mir eben egal, wenn dies aufgekommen wäre und ich deshalb vielleicht auch Probleme erhalten hätte. So kann man eben nicht arbeiten.
Dort hatte ich auch gleich erzählt, was ich an diesem Tag und in den Tagen zuvor im Büro erlebt hatte und nun schon davon ausgehen muss, dass meine Tage in diesem Unternehmen gezählt sein werden.
Irgendwie hatte ich den Eindruck, die gesamte Geschichte mit diesem Angebot war nur inszeniert worden, um mich aufs Eis zu führen. Wobei zuerst dieses Immobilienentwicklungsunternehmen vorgeschoben wurde, da ich dazu durch das Projekt „FMZ“ guten Kontakt hatte, zumindest zum Projektleiter Wolfang St. Doch da dieses Immobilienentwicklungsunternehmen danach nichts mehr damit zu tun haben wollte, da mich aufs Eis führen zu wollen offenbar nicht funktionieren würde, wurde dies an diesem österreichischen Baukonzern zurückgegeben und dieser rückte erst zuletzt damit heraus, dass es sich dabei um ein rein rumänischen Projekt handeln würde und es ohnedies niemals angedacht war, einen Auftrag an unser Unternehmen zu vergeben. – Die Kontakte aus dem Unternehmen hin zu diesem österreichischen Baukonzern waren dafür einfach zu gut!
(2021-06-17)