Wiener Neustadt, Montag, der 14. Mai 2007:
In der zweiten Woche hatte ich dieses Projekt „FMZ“ in Wr. Neustadt bereits vollständig von Franz K. übernommen und besuchte daher auch die wöchentliche Baubesprechung von nun an alleine. Mittlerweile waren auch alle drei Monteure wieder im Einsatz, sodass die Arbeiten, wie es schien, auch zügig voranschreiten könnten und es mit dem Auftraggeber wohl auch kaum Probleme geben würde.
Doch dieses Mal würde ich auch gleich so manche Eigenheiten dieser Montagetruppe, vor allem des Obermonteurs, kennenlernen. Denn, nachdem ich bereits kurz nach Mittag auf die Baustelle gefahren war, hatte ich noch etwas Zeit mich mit dem Obermonteur zu unterhalten, bevor um 14:00 Uhr die Vertreter des Auftraggebers zur Baubesprechung kommen würden. Wobei es sich bei diesen Besprechungen nicht etwa um eine Besprechung in einem Raum auf der Baustelle, oder gar in einem Besprechungscontainer handelte, sondern mehr um eine gemeinsame Begehung der Baustelle, bei der eben die einzelnen Punkte angesprochen wurden. Zudem wurde über diese Besprechung auch niemals ein Protokoll geführt, sondern dies waren eben reine, ich möchte beinahe sagen, Plaudereinen auf der Baustelle über die einzelnen Arbeitsschritte und eventuelle Probleme, die dabei auftreten könnten.
Als wir nun, der Obermonteur und ich, gegen 14:00 Uhr vom Hausanschlussraum in die mittlerweile längst leergeräumte Halle des Gebäudes gingen, in welcher danach die einzelnen Shops eingerichtet werden sollen, um dort die Vertreter des Auftraggebers zu treffen, traute ich meinen Augen nicht, als ich den Obermonteur dabei begleitete. Denn kaum waren wir in diese Halle gekommen, wollte der Obermonteur diese von links hinten nach rechts vorne regelrecht durchqueren. Wobei allerdings die Vertreter des Auftraggebers schon am Parkplatz zu sehen waren und zur linken Seite der Halle gingen. Die Fassade war zu dieser Zeit noch offen. Daher war auch freie Sicht zum Parkplatz. Das Gebäude war eben beinahe bis zum Rohbau nach dem Auszug des Baumarktes zurückgebaut. Aber der Obermonteur steuerte quer durch die Halle, obwohl die Vertreter des Auftraggebers schon längst sichtbar waren. Er hatte sie auch gesehen. Denn sein Blick richtete sich ständig zu ihnen. Trotzdem steuerte er weiter quer durch die Halle, von den Vertretern des Auftraggebers regelrecht weg, zur rechten Frontseite der Halle. Wobei er sie allerdings immer fest im Blick hatte. Nun lief ich mittlerweile schon hinter ihm her, denn ich konnte nicht verstehen, weshalb er nicht zu den Vertretern des AGs gehen möchte. Auch als ich ihn mehrmals darauf aufmerksam machte, unsere Gesprächspartner wären mittlerweile längst auf der Baustelle eingetroffen, blieb er stur auf seinem Kurs auf die andere Seite der Halle. Ich lief sogar schon kopfschüttelnd hinter ihm her, da er auch auf mich einfach nicht reagierte. Doch plötzlich schlug er einen Haken nach links und steuerte nun direkt auf die Vertreter des Auftraggebers zu. Mittlerweile musste ich regelrecht lachen über ihn. Denn für mich war es einfach nicht zu verstehen, weshalb er nicht sofort, als sie zu sehen waren, den Weg zu ihnen suchte. Allerdings fand ich es doch etwas beunruhigend. Denn mit so viel Eigenheiten hätte ich nun auch wieder nicht gerechnet.
Die Besprechung selbst dauerte gut zwei Stunden. Wobei diese tatsächlich mehr oder weniger eine Plauderei über die nächsten Arbeitsschritte war. Wobei es darüber kaum etwas Erwähnenswertes zu erzählen gab. Doch kaum war diese Besprechung zu Ende, meinte der Obermonteur, er hätte noch einiges zu besprechen. Dazu gingen wir zwar anfänglich in den im Gebäude eingerichteten Aufenthaltsraum für unsere Monteure. Doch, wir hatten uns gerade dorthin auf den Weg begeben, da meinte er, wir könnten uns allerdings auch in eines der Lokale im angrenzenden Gebäude setzen und dabei etwas trinken. Dabei spräche es sich viel einfacher. Aber das hätte ich wohl nicht tun sollen. Denn diesmal dauerte diese „Besprechung“ mit dem Obermonteur lediglich nur bis zum Ende der regulären Arbeitszeit um 16:30 Uhr. Diese sollte sich allerdings in den folgenden Wochen und Monaten deutlich verlängern.
Zu dieser Zeit dachte ich noch, hier in diesem Unternehmen würde ich regelrecht eine ruhige Kugel schieben.
(2021-04-03)