Wien, Dienstag, der 20. Juni 2006:
Es sollte an diesem Tag das letzte Mal sein, dass mich unser Abteilungsleiter auf die Baubesprechung am Nachmittag begleitete. Das Projekt hatte ich längst vollständig übernommen und das Projekt lief nun auch ganz gut. Zudem war ich auch längst nicht nur von den Kollegen auf der Baustelle als Projektleiter, sondern auch von den Vertretern des Auftraggebern, des Architekturbüros, sowie auch des Generalplaners akzeptiert.
Wieder nützte ich die Fahrt mit Franz L., um mit ihm zu reden. Diesmal ging es dabei vor allem um die VA Tech und was mittlerweile daraus geworden war. Denn längst war es auch in den Medien zu lesen: Nach Übernahme beinahe des gesamten Konzerns durch Siemens, wurde nun das Nachfolgeunternehmen der VA Tech EEE, in welchem auch ich tätig war, in ein Dauer Joint Venture zwischen Siemens und einem Unternehmen der Haustechnik, welches ursprünglich auch Tirol stammte, eingegliedert. Wobei es allerdings zu erheblichen Stellenstreichungen in dieses Unternehmen kam. Gut 200 Mitarbeiter sollten nun in diesem Unternehmen abgebaut werden.
Worauf ich zu Franz L. meinte, dies wäre genau meine Aufgabe: In diesem Unternehmen nun jene herauszusuchen, welche aus solch einem Unternehmen nicht länger arbeiten sollten, um diesen Stellenabbau umzusetzen. Denn, wer in solch einem Unternehmen nichts verloren hatte, und davon musste es unzählige gegeben haben, würde ich nach all dem, was ich selbst in diesem Unternehmen erlebt hatte, würde ich sofort erkennen. Zudem würde ich selbst viele davon kennen.
Doch darauf meinte Franz L., für ihn wäre dies keine Aufgabe. Schließlich hingen an jedem einzelnen Arbeitsplatz auch Schicksale, für welche der Verlust eines Arbeitsplatzes auch Auswirkungen auf die gesamte Familie haben kann. Auch kannte er genau jenen, welcher die Aufgabe der Umsetzung dieses Stellenabbaus hatte, auch persönlich. Wobei es diesem dabei offenbar emotional nicht gut gehen würde.
Wobei ich dafür natürlich Verständnis hatte. Jedoch nach all dem, was ich selbst mit diversen Kollegen und auch Vorgesetzten erleben musste, würde es sicher so manchem davon gar nicht schaden, wenn er nun seinen Arbeitsplatz verlieren würde und damit selbst einmal miterleben müsste, was er zuvor anderen – in meinem Fall, mir – angetan hatte. Dabei würde es keinen Falschen treffen, müsste ich die Auswahl jener Treffen, die das Unternehmen verlassen müssen. Schließlich waren gerade die Führungskräfte doch, wie ich es erlebt hatte, selbst daran schuld, wenn es nun zu diesen Stellenstreichungen gekommen war.
Doch, mittlerweile hatte ich vieles darüber erfahren, wie es bei meinen vorherigen Arbeitgebern nun weitergeht. Die gesamte Region West der VA Tech wurde geschlossen, nun werden eine Vielzahl an Stellen im gesamten Unternehmen abgebaut, auch bei MCE gab es mittlerweile viele Veränderungen, wie auch Stellenabbau, sowie sogar ein Verbot von neunen Aufträgen, nicht einmal Angebote durften derzeit gelegt werden, wie es mir Franz L. die Woche zuvor erzählte. Ich hingegen saß nun in solch einem kleinen Elektrounternehmen des Gewerbes, mit einem Gehalt, welches nicht einmal meine laufenden Kosten abdecke. Wusste nicht recht, was ich hier verloren habe, da ich einfach keine wirkliche Alternative zu diesem Job hatte. Musste nun hier auch noch ein Projekt betreuen, welches eigentlich zu einem Kunden gehörte, den sonst ein anderer Kollege betreute, welchem dieses Projekt allerdings einfach nur zu groß war, wobei ich keine Sicherheit hatte, danach auch weiter in diesem Unternehmen beschäftigt zu werden. – Meine Situation war daher nicht gerade zufriedenstellend!
(2021-02-04)