Wien, Mittwoch, der 11. Jänner 2006:
Kaum hatte am 9. Jänner für mich das neue Arbeitsjahr begonnen, begann auch schon wieder dieses gegenseitige Belauern, wer denn nun den nächsten Schritt tätigt und was als nächstes geschehen würde, hatte doch Christian M., der stellvertretende Regionsleiter der Region Ost, zu mir auf dieser kleinen Weihnachtsfeier gesagt, er würde noch einmal über meine Kündigung sprechen wollen, nachdem ich mit ihm gesprochen hatte und sich dabei herausgestellt hatte, Alois H. hatte wohl nicht ganz die Wahrheit über die Gründe für meine Kündigung angegeben. Doch ich hatte keine Ambitionen dafür den ersten Schritt zu gehen. Denn einerseits fehlte mir dazu längst das Vertrauen, nach all dem, was ich in den drei Monaten von meinem Arbeitsbeginn Anfang September bis zu meiner Kündigung nur drei Monate später Anfang Dezember. Andererseits waren seit meiner Mail an die Geschäftsleitung mit, unter anderem, meiner dringenden Anregung, doch endlich eine Entscheidung bezüglich der Projektleitung für MCC zu fällen, schon wieder zwei weitere Monate vergangen, in der sich das zu erwartende Projektergebnis noch weiter verschlechterte. Daher war für ich klar, ich rühre mich nicht. Weshalb ich weiter an meinem Arbeitsplatz saß und lediglich die Zeit bis zu meinem letzten Arbeitstag am 27. Jänner totschlug.
Doch an diesem Vormittag stand plötzlich unsere Abteilungssekretärin Andrea S. bei mir am Arbeitsplatz und fragte mich,
„und hast Du jetzt schon einmal gesprochen mit ihm?“
Worauf ich ihr erklärt hatte, ich werde nicht zu Christan M. gehen und mit ihm sprechen, schließlich kam dieses Angebot auch von ihm. Und bei diesem aktuellen Projektstand werde ich mich davor hüten, selbst noch einmal die Initiative zu ergreifen und mit ihm zu sprechen, damit ich dieses Projekt übernehmen könnte. Denn schließlich galt dieses Projekt doch auch als ein äußerst wesentliches Projekt, bei welchem sich, wie es hieß, auch die weitere Entwicklung des gesamten Unternehmens entscheiden würde. Ich möchte mich nun keinesfalls selbst vordrängen und dann, sollte es mir nicht gelingen, das Projektergebnis noch zu verbessern und dies danach vielleicht auch negative Auswirkungen auf das gesamte Unternehmen mit sich bringt, auch noch als der Schuldige dastehen und vielleicht auch dafür die Verantwortung übernehmen zu müssen.
Dazu meinte Andrea S.,
„dann würde ich aber trotzdem mit ihm reden, denn schließlich würden andere darauf warten, wie die nun weiter geht.“
Worauf sich unter meinen Kollegen, vor allem Christian L. und Oliver K. mit Andrea S. noch eine heftige Diskussion entwickelt hatte, welche Konsequenzen ein derart negatives Projektergebnis für das gesamte Unternehmen haben könnte, wie dies derzeit prognostiziert wird.
Da melde sich plötzlich Ewald M. zu Wort und meinte,
„jetzt reicht es dann aber!“
Und begann weiter auszuführen, so etwas hätte noch nie negative Konsequenzen für ein ganzes Unternehmen gehabt. So ein Defizit würde von den Eigentümern des Unternehmens einfach übernommen werden und dann ginge es wieder weiter, wie zuvor. Dies wäre schon immer so gewesen. Denn dies könnten sich Eigner solch eines Unternehmens gar nicht leisten, so ein Unternehmen vielleicht gar in den Konkurs gehen zu lassen. Daher würde dieses Defizit auf jeden Fall ausgeglichen werden und nichts weiter geschehen. Abschließend meinte er noch, nun müsste aber Ruhe sein mit diesen Diskussionen, denn schließlich müssten andere hier auch noch arbeiten und könnten sich nicht ständig mit solchen internen Diskussionen beschäftigen. Womit die Diskussion auch schlagartig zu Ende gewesen war.
Allerdings war nun auch für mich die Frage, ob ich noch einmal mit Christian M. reden würde, auch gleich erledigt. Denn wenn hier ohnedies solche Meinungen vorherrschen, dann sah ich für mich auch keine weitere Veranlassung mehr, mich hier einzubringen. Schließlich wäre dies für mich auch mit einer sehr hohen Arbeitsbelastung begleitet gewesen. Wobei sich nun immer mehr herauszeichnete, ich wurde hier ohnedies nur ausgenützt.
Dieser Einwurf von Ewald M. war allerdings äußerst überraschend. Schließlich war es doch gerade er, der zuvor stets äußerst aktiv an gerade diesen Diskussionen über Alois H. und seine Funktion und Position in diesem Unternehmen beteiligte und an ihm überhaupt kein gutes Haar gelassen hatte. Er hatte dafür auch meist genügend Zeit. Schließlich war er für den Vertrieb und Realisierung von Mittelspannungsanlagen zuständig. Dies bereits in der Zeit, als MCE BIS noch Teil von ABB war. Jedoch verblieb bei ABB nach wie vor eine Abteilung für den Vertrieb und die Realisierung von Mittelspannungsanlagen, wofür er allerdings offensichtlich nicht weiter gebraucht wurde, und daher nun solch eine Funktion bei MCE BIS inne hatte.
Zudem war Ewald M. einer der wenigen, eigentlich der Einzige, welcher noch innerhalb des Unternehmens für die Abteilungsleitung bei BISOI zur Verfügung gestanden wäre. Dafür jedoch im Vorhinein dafür ausgeschlossen wurde. Wobei ich allerdings nie in Erfahrung brachte, weshalb dies geschah. Wobei, besonders verwundert war ich darüber auch wieder nicht, angesichts seiner Einstellungen, welche er gerne und intensiv preisgegeben hatte. Auch seine politische Gesinnung hatte er äußerst gerne dargeboten und verheimlicht, ein Sympathisant der BZÖ und Jörg Haider. Christian L., mein Kollege, der gleich links zu meiner Seite saß und Ewald M. am Tisch gegenüber saß, meinte gar, er würde in einer Gemeinde südlich von Wien auch gar für die BZÖ politisch aktiv in einem Gemeinderat sitzen.
Wobei mich bei MCE eines besonders verwundert hatte, gerade hier, einem Unternehmen, welches nie zu einem verstaatlichten Unternehmen oder einem Verbund, wie auch immer, gehörte, war die Bereitschaft von Kollegen über ihre politische Gesinnung und auch ihrem politischen Engagement zu sprechen, besonders hoch. Ganz im Gegenteil zur VA Tech, wo ich zuvor arbeitete. Wobei man es genau umgekehrt vermuten möchte. War die VA Tech doch ein Konzern, welcher ausschließlich aus ehemaligen verstaatlichten Unternehmen bestand, und gerade in verstaatlichten Unternehmen die parteipolitische Zugehörigkeit eine ganz wesentliche Rolle spielt.
Besonders interessant fand ich dies zudem, da es in der Zeit, als ich noch bis 1995 bei ABB arbeitete, als verpönt galt, auch nur eine Nähe zu einer Partei zu zeigen. Wie oft wurde damals hämisch darüber gelacht, als bei Siemens in Salzburg die Position des Regionaldirektors Anfang der 1990er Jahre neu zu besetzen galt und ein Mann namens Herbert S., der wahrscheinlich sogar deshalb von Wien nach Salzburg zurückgekehrt war und sich dafür Chancen ausgerechnet hatte. Allerdings wurde ihm nahegelegt, sich zwischen Wirtschaft und Politik zu entscheiden, da er im Gemeinderat einer Gemeinde im Salzburger Flachgau saß. Dort allerdings sein Mandat nicht abgeben wollte und danach lediglich Abteilungsleiter von ANL 3 wurde. Ihm wurde dies sogar direkt mitgeteilt, wurde damals darüber gewitzelt. Allerdings wollte er dies nicht glauben. Nun schien dies hier bei MCE binnen zehn Jahren gänzlich anders geworden zu sein.
Doch kaum verließ Andrea S. wieder meinen Arbeitsplatz, offenbar nun in der Gewissheit, dies, ein Gespräch zwischen mir und Christian M., hätte sich nun erledigt, kam plötzlich Alois H. ins Großraumbüro gestürmt und steuerte direkt auf Ewald M. zu. Beide verstanden sich plötzlich besonders gut und von Differenzen war überhaupt nichts mehr zu erkennen.
Somit war klar, was hier gespielt wird.
(2021-01-05)