Wien, Montag, der 16. Jänner 2006:
Ein Kollege war noch übrig geblieben, der sich weiterhin mit mir unterhalten hatte, Oliver K., mein direkter Tischnachbar gegenüber. Eigentlich ganz im Gegenteil zu den anderen Kollegen. Je schlechter das Verhältnis zu Alois H. und den Kollegen wurde, desto besser hatte ich mich mit ihm verstanden und auch in der Arbeit unterhalten. Auch er war mit der Entwicklung in diesem Unternehmen gar nicht zufrieden und erzählte mir ständig davon, dass er am liebsten gleich das Unternehmen verlassen möchte. Schließlich stammte auch seine Frau aus Vorarlberg. Weshalb er gerne in den Westen Österreichs, in die Heimat seiner Frau, lieber allerdings noch weiter in die Schweiz ziehen und dort arbeiten möchte.
Allerdings kam dies nicht von irgendwo. Galt er doch auch als Spaßvogel, obwohl er einer der Kompetentesten jungen Mitarbeiter in diesem Unternehmen war, so wurde auch er immer mehr angefeindet, was schließlich auch soweit ging, dass auch er aus dem Unternehmen hinausgedrängt werden sollte. Offensichtlich wollte man in diesem Unternehmen keine jungen und kompetenten Mitarbeiter, welche bewusst und mit Eigeninitiative ihre Arbeit erledigen und dies auch noch erfolgreich. Als wäre die mittlerweile eine Grundhaltung in diesem Unternehmen geworden.
So kam er an diesem Tag kurz nach Mittag von einer Baustelle zurück ins Büro. Dabei spielte er wieder einmal Kasperl und tat dabei so, als wäre die Eingangstür ins Büro verschlossen. Als wäre er ausgesperrt. Dies sah unsere Sekretärin der Abteilung Andrea S., als sie gerade das Großraumbüro betrat, ich mit Werner N. und „unserer“ Einkäuferin am Weg zum Rauchertisch im Stiegenhaus waren, lachte kurz darüber und meinte dann dabei,
„schade um ihm!“
Dann meinte sie weiter,
„der wird es auch selbst nicht kapieren, dass sie ihn so aus der Firma hinaus haben wollen.“
Jeder katte dies gehört. Doch niemand hatte darauf reagiert.
Doch diese Anfeindungen gegen Oliver K. hatten auch für mich etwas Gutes. Nicht nur, dass ich sah, nicht nur mir erging es so in diesem Unternehmen, sondern er erzählte mir immer mehr über Vorfälle in diesem Unternehmen, welche ich sonst niemals erfahren hatte.
So erzählte er mir von der Zeit, als Alois H. erst im Frühsommer des Vorjahres Abteilungsleiter bei BISOI geworden war. Als es niemanden mehr in diesem Unternehmen aus den Reihen der Kollegen im operativen Geschäft mehr gab, der sich überhaupt noch für diese Position in Stellung gebracht hatte. Ewald M. wäre der letzte gewesen, der seine Ambitionen dafür zum Ausdruck brachte. Jedoch innerhalb des Unternehmens keinerlei Zustimmung gefunden hatte und von der Geschäftsleitung im Vorhinein gleich abgelehnt worden war. Jedoch Alois H. wurde, wider erwarten innerhalb der Kollegenschaft, nach seiner Bewerbung als Abteilungsleiter bei BISOI sofort angenommen. Dies, obwohl er selbst überhaupt nie im operativen Geschäft im Anlagenbau tätig gewesen war. Aber als er in der Position als Abteilungsleiter von BISOI offiziell bestätigt wurde, soll er all seine neunen Mitarbeiter in der Abteilung um sich geschart haben, sich inmitten der versammelten Kollegen gesetzt und dann lachend gesagt haben,
„ich habe überhaupt keine Ahnung, was ich da jetzt machen soll!“
Worauf sich Gelächter innerhalb der Kollegen eingestellt haben soll und danach jeder wieder zufrieden an seinen Arbeitsplatz zurückgegangen sein soll, da jede Befürchtung, es könnte sich nun etwas ändern, sich damit zerschlagen hatte! Oliver K. hatte mir dies derart häufig wortgleich erzählt, sodass dies wohl den Tatsachen entsprochen haben musste. Schließlich hatten dies dabei auch Kollegen an den umliegenden Arbeitsplätzen gehört, wobei diese darauf selbst immer wieder zu lachen begannen, dies allerdings niemals in Frage stellten. Sogar Ewald M. meldete sich darauf wieder zu Wort. Obwohl er doch erst die Woche zuvor voll auf die Seite von Alois H. gewechselt war.
Aber auch über Christian M., dem stellvertretenden Regionsleiter, hatte er etwas zu berichten. Denn dieser war ebenfalls er kürzlich in dieses Unternehmen gewechselt. Wobei er zuvor lediglich Bauleiter bei einem Projekt in einem Krankenhaus in Wien für das Nachfolgeunternehmen der AEG im elektrischen Anlagenbau war. Dort allerdings stets nur in seinem Container auf der Baustelle gesessen wein soll. Wobei schon damals jedem klar war, was er dann dort tatsächlich getan hatte. – Nur die Zeit totgeschlagen. Schließlich gibt es keinen besseren Arbeitsplatz als in einem Container auf einer Baustelle, um mit Nichtstun sich die Zeit zu vertreiben, wie dies doch Alois H. einmal so schön bezeichnet hatte. Denn kaum jemand kann dabei die tatsächliche Anwesenheit überprüfen, geschweige denn die erbrachte Leistung. Und wenn er seinen Mitarbeitern dabei selbst tun lässt, was sie wollen, dann wird darüber auch nie jemand berichten. Ist man zudem einmal nicht an seinem Mobiltelefon zu erreichen, dann gibt es keine einfachere Ausrede als ein Funkloch in einem abgelegenen Bereich der Baustelle, wo zwischen dem vielen Eisen, welches in Stahlbeton Wände eingebaut wird, eben keinen Empfang gibt.
Eigentlich hätte Christian M. gleich Leiter der Region Ost werden sollen. Doch dann gab es zu hohen Widerstand innerhalb des Unternehmens dagegen, da es nicht zu Begründen war, weshalb jemand ohne ersichtlichen Grund ein derartiger Karrieresprung zu Teil werde. Weshalb er lediglich die stellvertretende Regionsleitung erhielt und der Geschäftsführer Dietrich F., neben seiner Funktion als Geschäftsführer weiter auch Leiter der Region Ost blieb. Aber so hatte Christian M. wenigstens eine leitende Funktion. Noch dazu eine, bei welcher de facto ohne Verantwortung agieren kann.
So ging es nun beinahe täglich, dass ich stets neue Geschichten über BISO von Oliver K. zu hören bekam. ER war zudem auch der einzige Kollege, der von mir meine private Telefonnummer erhalten hatte – und diese auch wollte.
(2021-01-10)