Wien, Montag, der 5. Dezember 2005:
An diesem Vormittag gab es bereits auch die ersten Rückmeldungen über die Pläne, welche wir für das Projekt MCC am letzten Freitag bei der Bauleitung abgegeben hatte. Und diese waren zudem äußerst positiv. Zwar wurde mein Kollege Christian L. extra noch einmal zu den Baucontainern gerufen, was unter den Kollegen etwas an Unruhe verursachte. Allerdings wurde er nur deshalb gerufen, um ihm diese Nachricht zu übermitteln. Denn er kam beinahe freudestrahlend von der Baustelle schräg gegenüber der Kreuzung zurück.
So schien es, als wäre nun wirklich noch alles in Ordnung gebracht worden. Allerdings bekam auch ich noch kurz nach Mittag einen Anruf der Bauleitung, bei dem es hieß, ich müsste umgehend zu den Baucontainern kommen. Was ich dann auch tat. Doch auch mir wurde vom Bauleiter lediglich mitgeteilt, dass die Planung nun in Ordnung gebracht worden wäre. Jedoch wir dies schon längst hätten tun sollen, denn mittlerweile war es knapp davor, dass dem Unternehmen der Auftrag entzogen worden wäre. Hätte es auch bei diesen Plänen Beanstandungen gegeben, dann wäre dies mit Sicherheit auch geschehen.
Aber der Bauleiter wollte offensichtlich nicht nur deshalb mit mir sprechen. Mich deshalb unter einen Vorwand auf die Baustelle bestellt. Sondern er meinte auch, wir, also das Unternehmen in welchem ich arbeitete, sollte sich etwas überlegen, denn mit dem bisherigen Projektleiter könnte es so nicht weitergehen. Wobei allerdings auch dessen Stellvertreter Niko R. wohl kaum in der Lage wäre und dieses Projekt zu übernehmen könnte. Daher sollte doch ich mich dafür stark machen und die Projektleitung übernehmen. Wobei mich diese direkten Worte etwas erschraken und ich darauf meinte, dies wäre wohl die Entscheidung des Unternehmens und nicht meine. Worauf er konterte, dabei hätten allerdings auch sie etwas mitzureden. Denn schließlich ginge es nicht um irgendein kleines, unbedeutendes Projekt und so könnte es nicht weitergehen.
Ich hatte dies wohlwollend zur Kenntnis genommen. Dem Bauleiter allerdings noch einmal gesagt, die Entscheidung würde diesbezüglich im Unternehmen fallen, ich aber nicht davon ausgehen würde, dass ich anstelle von Alois H. das Projekt weiter leiten würde.
Als ich dann wieder zurück ins Büro ging, kam mir, gerade als ich das Bürogebäude am Firmengelände betrat, der Geschäftsführer Dietrich F. entgegen, gerade jener, an welchen ich meine Mail am 30. Oktober geschrieben hatte. Dieser sah mich und sprach plötzlich vor sich her, gerade als er an mir an der Treppe zum Eingang ins Bürogebäude vorbeiging,
„den hätten wir nehmen sollen! – Der hätte uns das gemacht!“
Dabei musste ich regelrecht schmunzeln, als ich dies gehört hatte. Denn meine Mail hatte offensichtlich nicht nur den richtigen Adressaten erreicht, sondern offensichtlich auch etwas bewirkt – zumindest ein kleinwenig. Allerdings störte mich etwas, da er nicht, den nehmen wir, gesagt hatte. Daher sah ich meine Einschätzung, welche ich gerade zuvor dem Bauleiter mitgeteilt hatte, als vollkommen richtig ein. Schließlich hätte eine solche Entscheidung schon vor Wochen getroffen werden können – ja werden müssen. Gerade wenn es schon seitens der Bauleitung solche Aussagen Alois H. betreffend gibt.
Daher dachte ich auch nicht daran, dass es nun eine Änderung weder beim Projekt noch in der ganzen Abteilung selbst geben würde. Allerdings schien Alois H. mehr als angezählt zu sein. Obwohl die Abteilungsleitung auch durchaus von Christian M. übernommen werden hätte können. Denn schließlich war er nur stellvertretender Leiter der Region Ost, ohne sonstigen Aufgabenbereich. – Wenn man mich schon grundsätzlich von einer leitenden Funktion fernhalten möchte. Wobei ich eine Position als Abteilungsleiter in dieser Situation ohnedies nie angestrebt hätte. Aber die Projektleitung beim Projekt MCC, auch wenn dieses Projekt mittlerweile mit äußerst schlechten Prognosen über den Projekterfolg belegt war. Dies war alleine schon an den aktuellen Projektzahlen ersichtlich, welche für jeden Projektmitarbeiter einsehbar waren.
(2020-12-23)