Wien, Dienstag, der 13. September 2005:
Gleich am Morgen um acht Uhr ging es mit meinem neuen Chef Alois H. zur Baubesprechung beim Projekt MCC.
Weshalb nun gerade ich mit ihm auf diese Besprechung gehen sollte, war mir anfangs nicht ganz klar. Schließlich gäbe es einen Projektleiterstellvertreter, welcher da wohl eher richtig am Platz gewesen wäre, war ich doch nur für die Planung der Starkstrominstallationen bei diesem Projekt zuständig. Aber kaum hatte die Besprechung begonnen, wurde mir schnell klar, weshalb nun ein neues Gesicht bei dieser Besprechung mit dabei sein sollte. Denn schließlich fanden diese Baubesprechungen, eigentlich waren es zu dieser Zeit noch reine Planungsbesprechungen, aber schon mit denselben Verantwortlichen auf der Auftraggeberseite, schon seit vielen Wochen statt. Und die Stimmung bei dieser Besprechung war gar nicht gut. Ganz im Gegenteil, sie war katastrophal. Da wurde sogar schon darüber nachgedacht, dem Unternehmen den Auftrag zu entziehen, da seitens des Auftragnehmers, also nun jenem Unternehmen, für welches ich nun tätig war, bisher kaum etwas Brauchbares gekommen zu sein schien. Daher waren einige der Auftraggeber Vertreter richtig froh, als ich von Alois H. vorgestellt wurde, und er dabei auch meinen Aufgabenbereich in diesem Projekt erklärte.
Davon, dass Alois H. über den Dingen zu stehen schein, wie er letzte Woche den Eindruck vermittelte, als ich in diesem Unternehmen meinen ersten Arbeitstag hatte und er von eben dieser Besprechung am späteren Vormittag zurückgekehrt war, war überhaupt nicht die Rede. Ganz im Gegenteil. Wäre nicht auf der Auftraggeberseite jemand gewesen, welcher früher offensichtlich auch für ABB gearbeitet hatte und nun für dieses Projektmanagement Unternehmen, welches für den Auftraggeber die Projektsteuerung im Auftrag hatte, als Consulent bei diesem Projekt tätig gewesen, dann wäre Alois H. wahrscheinlich längst nicht mehr der Projektleiter bei diesem Auftrag gewesen, sondern es säße jemand anderer an seiner Stelle hier, oder das Unternehmen hätte diesen Auftrag längst nicht mehr.
Ich wollte es eigentlich gar nicht, aber es schien so, als sollte nun ich, wenn auch aus der zweiten Reihe heraus, auch die Projektleitung übernehmen. Denn Alois H. hatte, nachdem er mich vorgestellt hatte, erwähnt, dass am späteren Vormittag noch Niko R. zur Besprechung dazustoßen. Dieser hätte zur gleichen Zeit noch einen wichtigen Termin dieses Projekt betreffend. Aber auch dies löste bei der anderen Seiten nicht gerade Jubelstimmung aus.
Daher stellte ich mich schon einmal darauf ein, nun wöchentlich an diesen Besprechungen teilzunehmen. Denn offensichtlich gab es auch sehr große Kommunikationsschwierigkeiten innerhalb des Unternehmens dieses Projekt betreffend.
Als ich dann gegen Mittag mit Alois H. wieder zurück in das Büro ging, wirkte er wieder wie letzte Woche. Als stünde er gänzlich über den Dingen. Als wüssten auf der Auftraggeberseite ohnedies niemand was er eigentlich möchte, aber wir sollten dies zeitgerecht realisieren. Dabei hatte ich gerade vom direkten Vertreter des Auftraggebers, einem Elektrotechniker, welcher offensichtlich für den gesamten technischen Betrieb dieser Großküche auch im Bestand zuständig sein soll, den Eindruck, als wüsste gerade dieser ganz genau was er möchte und hätte zudem auch einen ganz genauen Plan darüber, wie dieses Projekt zu realisieren sein soll. Aber genau daran dürfen offensichtlich die Probleme liegen, da eben Alois H. dem offensichtlich nicht folgen konnte und er zudem auch all das, was er von diesem technischen Leiter des Betriebs mit auf den Weg gegeben bekam, nicht an den Rest der Projektbeteiligten weitergegeben hatte.
Auch seine Bemerkung vom Panoptikum der Eitelkeiten über diese Besprechung, wie er sie schon die Woche zuvor fallen gelassen hatte, wiederholte er an diesem Tag, als wir zurück im Büro angekommen, kurz bei unserer Abteilungssekretärin standen. Immer noch hatte ich gerätselt, woher ich Alois H. kannte, aber es viel mir einfach nicht ein. Allerdings würde es nicht mehr lange dauern, bis ich dies von den Kollegen bis ins kleinste Detail erklärt bekommen werde.
Sonst hatte sich Alois H. nun wieder vollkommen korrekt mir gegenüber verhalten. Schon seit Beginn der Woche. Von dem sie würden „Schlitten fahren“ mit mir, war nichts mehr zu erkennen. Allerdings nur an diesem Tag, der noch sehr lange dauern würde. Denn Niko R. kam zwar nicht mehr zur Besprechung beim Auftraggeber. Jedoch hielt er nachmittags noch einen langen Vortrag darüber, wie das Projektmanagement bei diesem Projekt aufgestellt sein werde. Völlig unbeeindruckt davon, dass bei diesem Projekt eigentlich schon die sprichwörtliche Kacke am dampfen war. Das gesamte Projektteam hatte er dazu offiziell eingeladen. Neben mir waren da noch Christian L., der die Niederspannungsverteilungen planen sollte, Werner N., der seine Projekterfahrung mit einbringen sollte und gleichzeitig einer der Betriebsräte war, und ich waren dazu eingeladen. Auch Alois H. Aber dieser hatte dafür leider nichts übrig.
Theoretisch kannte ich diese Projektablauforganisation ja schon längst. War diese doch schon zu Zeiten, als ich noch bei ABB arbeitete, längst in entsprechenden Verfahrensbeschreibungen und Handlungsanweisungen niedergeschrieben und in zwei Ordnern abgelegt. Alles entworfen von den damaligen sogenannten „Isostars“, welche diese damals, als es galt, unbedingt eine ISO 9001 Zertifizierung zu erlagen, monatelang ausgearbeitet und zu Papier gebracht hatten. Allerdings sah die Realität in unser damaligen kleinen Niederlassung in Salzburg, der INSSZ, wie unser Profitcenter damals bezeichnet wurde, etwas anders aus. Denn aufgrund der geringen Mitarbeiterzahl wurden eine Vielzahl von Aufgaben und Funktionen im Projekt eben in Personalunion ausgeübt.
Etwas irritiert war ich allerdings schon darüber. Auch wenn ich mich nun fast schon darauf freute, all dies endlich mit entsprechender Anzahl an Kollegen im Projekt auszuführen, fast schon hautnah miterleben zu dürfen. Denn irgendwie passte der stundenlange Vortrag von Niko R. und die daran schließende Diskussion nicht recht zu dem, was ich am Vormittag bei der Besprechung miterleben musste. Der Stimmung in dieser Besprechung und der Meinung mancher Besprechungsteilnehmer über die bisherige Arbeit im Projekt.
Da schien also richtig Arbeit auf mich zuzukommen!
(2020-11-23)