Wolfsburg, Dienstag, der 10. Mai 2005:
Nun wurden wir tatsächlich auch noch zu einer Auftragsverhandlung bezüglich meines Angebotes für diese elektrotechnische Ausstattung einer Werkshalle für eine Lackieranlage in Südafrika eingeladen. Dieser Termin sollte direkt beim Auftragsgeber, dem Automobilhersteller in Niedersachsen am frühen Nachmittag stattfinden.
Auch Karl P. werde an diesem Termin teilnehmen. Jedoch hatte er zuvor noch einen anderen Termin. Daher fuhren „Adi“ und ich wieder direkt zum Auftraggeber. Dort sollten wir uns mit Karl P. treffen.
Bei dieser Auftragsverhandlung wollte ich mich jedoch heute etwas zurückhalten. Zumal auch Karl P. daran teilnehmen wird. War es doch „Adi“ deutlich anzumerken, dass ihm seine Rolle bei der letzten Auftragsverhandlung in Stuttgart gar nicht recht war, als er beinahe drei Stunden wortlos dem Gespräch zwischen mir und dem Projektleiter des Auftraggebers mitverfolgen musste. Zudem war ich auch noch etwas müde, da es am Vorabend in der Gaststätte meiner Unterkunft etwas länger wurde, wie schon an den meisten Abenden in den vergangenen Wochen.
Kurz nach Mittag trafen wir uns mit Karl P. in der Autostadt. Dort hatten wir jedoch noch einiges an Zeit zur Verfügung, denn wir waren mehr als rechtzeitig angekommen. Deshalb saßen wir vor dieser Auftragsverhandlung noch in einem Café zusammen.
Als wir dann endlich in das Besprechungszimmer des Einkaufes, der für solche Anlagen zuständig ist, in eines der Backsteingebäude hochgeleitet wurden und diese Auftragsverhandlung endlich begann, war ich doch etwas verwundert. Denn dies war keine Auftragsverhandlung, sondern dies konnte man nur als Projektbesprechung, als Planungsbesprechung bezeichnen. Über das von mir erstellte Angebot wurde so gut wie gar nicht gesprochen. Sondern die Projektleiterin des Planers besprach viel mehr mit ihrem Auftraggeber, ich glaube, es war gar der Leiter des Einkaufes für technische Anlagen, die genaue Bezeichnung dessen Position hatte ich nicht erfahren, ihren bisherigen Planungsstand. Dazu sollten allerdings auch wir, vielmehr ich, meine Ansichten und auch Vorschläge für mögliche Ausführungen vorbringen. Dafür fühlte ich mich nun allerdings überhaupt nicht zuständig. Daher kam von mir nur dann eine Wortmeldung, wenn ich direkt danach gefragt wurde, was allerdings auch kaum vorkam. Diese „Auftragsverhandlung“ verlief gänzlich anders als jene zwei Wochen zuvor in Stuttgart.
Dazu kam noch ein weiterer Grund, weshalb ich mich bei dieser „Auftragsverhandlung“ zurückhalten wollte. Denn der Projektleiter des potentiellen Auftraggebers für diese Werkshalle in Zilina in der Slowakei, zwei Wochen zuvor, schien von meinem Angebot und auch meiner Vorstellung bei der ersten Auftragsverhandlung in Stuttgart richtig angetan gewesen zu sein. Seitdem hatte ich alle paar Tage mit ihm telefoniert. Ihm noch weitere Erläuterungen zu meinem Angebot vorgebracht. Aber er fragte auch gleich noch weitere Teilanlagen bei mir an, welche bereits viel weiter gingen als die reine elektrotechnische Grundausstattung dieser Werkshalle, wie zum Beispiel eine Telefonanlage, auch schon die restlichen Verteilungen Versorgung der Anlagenteile für die Lackieranlage selbst und dergleichen. Allerdings sagte er mir dabei einmal, schön langsam sollten sich unsere hohen Herren darüber klar werden, ob sie diesen Auftrag auch wirklich mit ihnen ausführen möchten, denn, wenn nur der Preis das ausschlaggebende Kriterium für die Vergabe dieses Auftrages werden würde, dann hätten wir ohnedies keine Chance, da es in der Slowakei einige größere Unternehmen gäbe, welche auf Arbeitskräfte aus der Ukraine zurückgreifen, und dagegen hätten wir niemals eine Chance. Mir war nicht wirklich klar, was er mir damit sagen wollte. Jedoch schien es so, als würde der Auftraggeber auch tatsächlich an uns einen Auftrag vergeben wollen. Jedoch möchten offenbar einige unserer Verantwortlichen in der VA Tech diesen Auftrag gar nicht annehmen. Dies verwirrte mich doch sehr. Zudem, beide Aufträge hätte ich ohnedies selbst nicht als Projektleiter bei VA Tech ausführen können, daher wollte ich mich alleine deshalb schon bei dieser „Auftragsverhandlung“ zurückhalten. Da war mir, wenn schon, ein möglicher Auftrag in der Slowakei viel angenehmer als ein Auftrag in Uitenhage, nahe Port Elizabeth, in Südafrika.
Also verfolgte ich diese Besprechung zwar sehr aufmerksam, hielt mich allerdings mit meinen Wortmeldung doch merkbar zurück. Zudem wollte ich auch nicht noch Karl P. vielleicht brüskieren, falls er eine ähnlich bedeutungslose Rolle bei der Besprechung erhält, wie dies bei „Adi“ in Stuttgart der Fall war. Daher verlief beinahe die gesamte Besprechung zwischen der Projektleiterin des Ingenieurbüros, dem Einkäufer des Automobilwerks und Karl P. Dem Einkäufer schien dies sogar regelrecht aufzufallen, dass ich mich an der Besprechung mit
Wortmeldungen kaum bemerkbar machen wollte. Daher er plötzlich zu Karl P., wie aus heiterem Himmel geschossen,
„der will nicht mehr!“
Und wandte dabei seinen Kopf kurz in meine Richtung. Es war, als würde ich bei diesem Termin an zwei Veranstaltungen, an zwei Besprechungen gleichzeitig teilnehmen. Denn gleich darauf meinte auch die Projektleiterin des Ingenieurbüros,
„Jaaaah!“
Und blickte ebenfalls dabei mich an. Karl P. hingegen saß kurzzeitig wie versteinert auf seinem Stuhl.
Wobei ich noch während der Besprechung darüber nachzudenken begann, was ich denn nun nicht mehr wolle. Dabei fielen mir eben nur diese seltsamen Spielchen in der VA Tech ein, in denen stets Gerüchte verbreitet werden, ich sollte in dieser VA Tech eine leitende Funktion übernehmen. Diese waren ja immer noch längst nicht vom Tisch. Ganz im Gegenteil. Diese wurden, da kurz nach Ostern ein paar Tage Ruhe einzukehren schien, nun wieder deutlich massiver. Wobei ich dafür wohl erst den Kasper spielen sollte und dabei mich mächtig im Unternehmen in Szene setzen sollte.
Aber da hatte der Mann recht. Denn dies wollte ich wirklich nicht und da er mich heute zum ersten Mal sah, ging er, anderen vorangegangenen Erzählungen über mich zufolge, wahrscheinlich davon aus, dass ich dies eben nun nicht mehr wolle. Aber dazu hatte ich grundsätzlich kein Interesse. Denn meine Ambitionen waren es, in diesem Unternehmen erst einmal Fuß zu fassen und dann, sollte es sich ergeben, dafür Ambitionen zu entwickeln. Aber solche Spielchen, kaum da ich in diesem Unternehmen zu arbeiten begonnen hatte, das widerte mich einfach nur an. Zudem hatte ich doch schon selbst erlebt, dass es tatsächlich niemals die Absicht sein konnte, mich in diesem Unternehmen in einer leitenden Position zu sehen. Das waren eben einfach nur Spielchen, wobei es längst keine Spielchen mehr waren. Allerdings war ich regelrecht erschrocken darüber, dass sogar ein Mann in dieser Position, meines Erachtens war er der Leiter der Einkaufsabteilung in diesem Bereich, üblicherweise als Einkauf für Investitionsgüter bezeichnet, in solche „Spielchen“ mindestens miteingebunden zu sein scheint! Immerhin ist dieser Automobilhersteller einer der größten weltweit! Und dieser Mann hat sicher sehr viele solche Aufträge an sehr viele Unternehmen in allen nur erdenklichen Bereichen und dies eben auch weltweit zu vergeben!
Nun war ich mehr als froh, mich bei dieser „Auftragsverhandlung“, was als eigentlicher Grund für diese Besprechung, vielmehr Besprechungen“ vorgegeben wurde. Ich habe eben an solchen Vorgehensweisen, gänzlich über meinen Kopf hinweg, als würde man über mich völlig frei verfügen können, überhaupt kein Interesse.
Kaum war dieser Termin zu Ende, meinte Karl P., wir sollten uns noch einmal kurz in jenem Café treffen, in welchem wir bereits zuvor saßen, bevor „Adi“ und ich wieder losfahren. Dabei schien er regelrecht aufgeregt zu sein. Wie schon die ganze Zeit, seit der Äußerung dieses Einkäufers mich betreffend. Er meinte, er möchte kurze Zeit nach diesem Termin noch einmal mit dem Einkäufer sprechen, wenn auch die Projektleiterin des Ingenieurbüros gegangen wäre. Nun war allerdings dieses Café, oder Bistro, wie auch immer, längst geschlossen, daher irrten wir beinahe etwas umher. Aber kaum hatten wir noch eine andere Gelegenheit gefunden, noch einen Kaffee zu trinken, zog Karl P. „Adi“ etwas zur Seite und meinte zu ihm,
„was machen wir denn, wenn der nicht geht! – Dann kriegt der womöglich einmal solch einen Auftrag und wir stehen schön blöd da!“
Darüber wollte er zudem noch einmal mit dem Einkäufer sprechen. „Adi“ meinte darauf,
„da wird uns wohl auch noch etwas einfallen!“
Ehrlich gesagt hatte ich nun von diesem Tag die Nase voll! – Und nicht nur von diesem Tag.
Nun stand mir allerdings noch eine sehr lange Autofahrt mit „Adi“ von Wolfsburg nach München bevor. Wobei, ich musste beinahe lachen über ihn, als in seinem Auto kurz nach Nürnberg die Öl Kontrollleuchte am Armaturenbrett aufleuchtete und er hektisch und nervös die nächste Autobahnstation aufsuchte, um dort ein paar Tropfen Öl in den Motor seines Autos nachzufüllen.
(2020-10-03)