Flachauwinkl, Sonntag, der 10. April 2005:
Eines kam in diesem Winter bei mir viel zu kurz, das Schifahren. Eigentlich meine Lieblingsfreizeitbeschäftigung im Winter. Daher wollte ich dies, da ich ohnedies keine sinnvolle Möglichkeit mehr sah, diese Angelegenheit mit „Silly“ noch zu klären, nun wenigstens an den noch verbleibenden Wochenenden in diesem Winter etwas nachholen.
Wobei Schifahren für mich eher mehr Sport war, als ein reines Freizeitvergnügen, bei dem ich nicht bereits schon früh morgens losfuhr, einige Male der Berg hoch und runter fuhr und den Rest der Zeit in einer Schihütte verbrachte, sondern meist erst gegen Mittag auf die Piste kam und danach solange fuhr, bis ich mit der Letzen Bergfahrt sicher wieder zurück zu meinem Auto kam. Dabei dann aber auch meist wusste, was ich an diesem Nachmittag tat und danach auch dementsprechend müde war.
Meist fuhr ich dabei mit dem Auto nach Flachauwinkl, stellte dort mein Auto am Parkplatz ab, dann mit der Gondelbahn Richtung Zauchensee hoch und verbrachte dann den Rest des Tages auf der Schipiste in Zauchensee. Dies war einfach mein Lieblingsschigebiet. Für mich schnell von Salzburg aus zu erreichen und von den Pisten genügend anspruchsvoll.
So fuhr ich auch an diesem Tag gegen Mittag nach Flachauwinkl und verbrachte den Rest des Tages auf den Schipisten in Zauchensee. Doch mittlerweile war das Wetter ziemlich warm geworden. Die Pisten ins Tal ohnedies nicht mehr befahrbar und der Schnee selbst am Berg längst tief und nass. Eigentlich ein schöner Frühlingstag, bei dem viele längst nicht mehr an Schifahren denken. Daher war auch nicht mehr sehr viel los auf den Pisten.
Am späteren Nachmittag, vielleicht gegen 15:00 Uhr, fuhr ich daher auch nur mehr jene Piste, bei der ich beim Hochfahren mit dem Sessellift auch gleich die Bergstation in Flachauwinkl erreichen kann. Damit ich nur ja vor der letzten Fahrt mit der Gondelbahn ins Tal nach Flachauwinkl fahren kann, denn dort war die Piste ins Tal beinahe bis zur Mitte schon grün geworden.
Doch, als ich an der Zufahrt zum Einstieg in diesen Sessellift noch überlegte, ob ich danach noch einmal diese Piste runterfahren soll, oder nicht gleich zur Gondelbahn hinüberfahren soll, da hörte ich, wie einer der beiden Mitarbeiter der Bergbahnen zu seinem Kollegen meinte, gerade als ich an ihnen vorbeikam,
„wenn er jetzt noch einmal herunterkommt und noch einmal hoch fährt, dann müssen wir etwas sagen zu ihm. Denn bei seinem Auto steht schon eine ganze Menge Leute.“
Nun war ich doch etwas irritiert darüber und wusste nicht recht, was ich damit anfangen sollte. Denn, es mag zwar sein, dass ich dort schon des Öfteren gesehen worden bin, ich deshalb dort bekannt bin, jedoch hatte ich noch nie irgendetwas mit einem Mitarbeiter einer der Bergbahnen, weder hier in Zauchensee noch in Flachauwinkl, noch in Flachau zu tun. Allerdings war ich der einzige, welcher gerade zur Talstation dieses Liftes kam. Daher konnte eigentlich nur ich gemeint gewesen sein. Konnte mir allerdings keinen Reim darauf bilden, weshalb sich eine ganze Menge an Leuten um mein Auto befinden sollten.
Während der Fahrt hinauf auf die Spitze des Berges beschloss ich dann allerdings, doch gleich zur Gondelbahn und damit ins Tal zu fahren, denn für diesen Tag reichte mir mein Schivergnügen schon. Zudem, vielleicht wäre tatsächlich mit meinem Auto irgendetwas und dann wäre es nicht gerade klug, noch länger auf der Piste zu bleiben.
Als ich dann mit der Gondelbahn ins Tal fuhr, sah ich, kurz vor der Talstation tatsächlich eine große Menge, ungezählt mindestens dreißig Leute, welche um mein Auto herum standen. Alle längst nach dem Schitag abfahrbereit, räumten einige ihre Autos ein, der Rest stand um mein Auto, ich hatte dies gleich neben der Talstation am Parkplatz rechts der Enns geparkt, und warteten. Mittendrin ein Auto, an welchem zwei Personen am geöffneten Kofferraum saßen und etwas zerknirscht ebenfalls warteten.
Nun ging ich von der Gondelbahn eilig zu meinem Auto und als ich dort angekommen war, sah ich was geschehen war, eine Delle in meinem Auto. Es war also doch etwas mit meinem Auto geschehen und diese beiden Mitarbeiter der Bergbahnen schienen dies wohl schon gewusst zu haben. Offensichtlich hatte jenes Auto, an welchem die beiden etwas älteren Personen im geöffneten Kofferraum saßen, beim Ausparken mein Auto touchiert und meinem Auto im hinteren Kotflügel eine größere Delle verpasst.
Da standen tatsächlich nun gut dreißig Leute um mein Auto herum und warteten, bis ich von der Piste zurück zu meinem Auto komme, weil mir jemand einen Schaden an meinem Auto zugefügt hatte und passten auf, damit der Fahrzeuglenker sich nicht einfach aus dem Staub macht. Ich war schon deshalb sprachlos.
Doch dann sah ich das Kennzeichen des Fahrzeuges, welches mein Auto beschädigt hatte. Es war ein Kennzeichen aus Tschechien. Nun hatte ich vor ziemlich genau 10 Jahren bereits einen Autounfall mit einem ausländischen Kraftfahrzeug. Damals rammte mich ein niederländischen Reisebus beim Linksabbiegen an einer Kreuzung in Salzburg und beschädigte dabei mein Fahrzeug so stark, dass es nicht mehr fahrbereit war. Damals rief ich die Polizei zur Aufnahme des Unfalls. Doch da die Ankunft der Polizei noch sehr lange dauern würde, wurde einer dieser standardisierten Unfallberichte ausgefüllt, die Lenkerin des Reisebusses zeigte mir auch noch ihre grüne Versicherungskarte, und es kam zu keiner Aufnahme mehr durch die Polizei. Dies wäre nicht mehr notwendig, dachte ich, da ohnedies alle Daten ausgetauscht und der Unfallbericht unterschrieben war. Jedoch stellte sich danach, ich hatte mein Auto längst wieder reparieren lassen, war ich ja auch nicht schuld am Unfall, stellte sich heraus, dieser niederländische Reisebus war gar nicht versichert. Daher wäre ich beinahe auf den Kosten der Reparatur meines Autos, diese betrug immerhin über 50.000 Schillinge, selbst sitzen geblieben. Dabei half mir lediglich, dass ich den Unfall der Polizei gemeldet hatte, diese jedoch wegen anderer Angelegenheiten den Unfall nicht aufnehmen konnte. Weshalb mein Schaden durch einen Fond bezahlt wurde, in welchen alle Haftpflichtversicherer einzahlen müssen, damit solche Fälle davon abgedeckt werden können.
Somit war ich vorgewarnt, als ich das tschechische Kennzeichen am Auto gesehen hatte. Zögerte nicht lange und rief über die Vermittlung der Polizeiposten, damals eigentlich noch Gendarmerie Posten in Flachau an, damit diese kommen und diesen Unfall aufnehmen. Doch es sollte auch gut eine halbe Stunde dauern, bis ein Polizeifahrzeug kommen würde und den Unfall aufnehmen kann, denn es gäbe zurzeit mehrere Einsätze. Wobei mir dies egal war, denn schließlich konnten die beiden Insassen des Fahrzeuges, ein Mann und eine Frau auch kaum Deutsch.
Aber kaum hatte ich mit der Polizei zu telefonieren begonnen, meinte ein Mann aus der Gruppe, welche um mein Auto herumstanden,
„gut! Der ruft eh die Polizei!“
Dann weiter,
„der hat es auch nicht leicht! Nun schikanieren sie in eh schon dermaßen und dann hat er so etwas auch noch!“
Da schien mich wohl jemand gekannt zu haben. Obwohl ich keinen einzigen der Leute, welche um mein Auto herumstanden und das Fahrzeug, welches mein Auto touchiert hatte, nicht wegfahren ließen, kannte. Ja noch nie zuvor in meinem gesehen hatte.
Als klar war, die Polizei würde den Unfall aufnehmen, löste sich danach die Menge schön langsam wieder auf und nach und nach verließen diese Leute, welche auf mein Auto aufgepasst hatten, den Parkplatz.
Es hatte tatsächlich gut eine halbe Stunde gedauert, bis sich ein Polizeiauto dem Parkplatz näherte. Dies fuhr an mein Auto heran, blieb stehen, dann stiegen zwei Polizisten aus und kamen auf mich zu. Plötzlich sagte einer der beiden Polizisten,
„servus W.!“
ER begrüßte mich also per Du und nannte dabei meinen Vornamen! Nun war ich erst recht baff. Hatte ich doch zuvor noch nie in meinem Leben etwas mit der Polizei hier in der Gegend zu tun. Keine Verkehrskontrolle, obwohl ich gerade in diesem Winter sehr häufig auch abends und in der Nacht in Flachau war. Ja nicht einmal eine, was weiß ich, Verkehrsbehinderung, bei welcher die Polizei den Verkehr lenkte, oder dergleichen. Gar nichts! Da gab es nichts, wobei ich zuvor im gesamten Salzburger Innergebirg` mit der Polizei etwas zu tun hatte. Ich konnte mich auch nicht daran erinnern, jemals mit jemandem gesprochen zu haben, welcher vielleicht bei der Polizei sein könnte. Trotzdem kannte mich dieser Polizist, begrüßte mich zudem auch noch mit meinem Vornamen! Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Dann nahmen die beiden Polizisten den Vorfall auf, sein Kollege fotografierte auch noch mehrmals beide Auto und nach Beendigung der Amtshandlung drückte mir der Polizist auch noch seine Visitenkarte in die Hand, erklärte mir, dass ab Mitte des Jahres die Gendarmerie in Flachau Polizei sein werde, dies war das Jahr, in welchem Gendarmerie und Polizei zusammengelegt wurden, und meinte,
„wenn noch etwas ist, dann ruf uns einfach an, oder komme einfach bei uns vorbei. Du weißt ohnedies, wo wir sind in der Flachau!“
Nun war ich restlos baff. Denn ich wusste zwar, wo sich der Polizeiposten in Flachau befindet, hätte allerdings niemals damit gerechnet, dass dieser Polizist davon ausgeht! Wobei ich mir allerdings noch dachte, besonders oft werde ich wohl so schnell nicht mehr nach Flachau kommen, nach all dem, was sich in diesem Winter hier abgespielt hat.
Am Weg nach Hause dachte ich noch die gesamte Fahrt über das Erlebte an diesem Tag nach und kam dabei zur Ansicht, bei diesem Unding, dieser Gemeinschaft, welche sich nun mittlerweile um mich aufgebaut hatte, kann es sich lediglich um eine Randgruppe der Gesellschaft handeln. Eine Randgruppe, welche niemals wirklich in der Gesellschaft eine Rolle spielen werde. Denn, nachdem was ich heute erlebt hatte, dass sich Bedienstete der Bergbahnen, mit welchen ich zuvor noch nie etwas zu tun hatte, sich darum kümmerten, dass ich nur ja nicht mehr zu lange von meinem Auto entfernt bleibe, da bereits eine große Menge von Leuten sich um mein Auto versammelt hatten, welche jemanden, der mein Auto beschädigt hatte, vor dem Davonfahren hinderten, noch dazu alles Leute welche ich zuvor noch nie in meinem Leben wahrgenommen hatte, dann kennt mich auch noch der Polizist beim Vornamen, redet mit mir per Du, da kann diese Gruppe keine wesentliche Rolle in der Gesellschaft spielen. Dies ist eher eine Gruppe, welche in der Gesellschaft kaum auf Toleranz stößt!
Nie im Leben wäre ich zu dieser Zeit auf die Idee gekommen, ich selbst könnte einmal gegen diese Gruppe den Kürzeren ziehen! Nie im Leben!
Doch eines kann ich schon einmal vorwegnehmen: Dies war bisher, bis zu jenem Tag, an welchem ich dies niederschreibe, der letzte Tag, an welchem ich auf Schiern gestanden bin! Dies, obwohl ich zuvor von Ende November, sobald die Wintersaison angegangen war, bis zum letzten Tag, an welchem Bergbahnen im Winter in Betrieb waren, beinahe jede Möglichkeit genutzt hatte, um auf den Brettern zu stehen. Ja selbst bei einem Schneesturm Ende April fuhr ich manchmal noch Schi, bis hinter mir die Liftanlagen für die Saison zugesperrt wurden. Dieses war das letzte Mal, da ich auf Skiern gestanden bin.
(2020-10-01)