Ismaning, Donnerstag, der 3. Februar 2005:
Mein Chef Karl Pi. hatte sich in den ersten Tagen der Amtsübernahme des neuen Zweigniederlassungsleiters Manfred B. regelrecht rar im Büro in München gemacht. Es schien beinahe so, als herrschte dicke Luft im Unternehmen deshalb.
Aber offensichtlich nicht nur deshalb, denn an diesem Vormittag kam Karl P. ins Büro und nach seinen üblichen Gesprächen mit „Adi“ setzte er sich zu mir an den Arbeitsplatz, gleich neben mir, an jenen Platz, an welchen bis Mitte Jänner noch Evelyn M., die Sekretärin von „Harry“ saß, wenn beide in München waren, und wollte mit mir sprechen. Dabei ging es um die bisherigen Angebote, welche ich in wöchentlichen Abständen kalkulierte. Von denen es allerdings bisher noch zu keinem Auftrag gekommen war. Nicht einmal zu einer Einladung zur Auftragsverhandlung.
Daher war Karl P. richtig ungehalten darüber, als er mit mir sprach. Es schien beinahe so zu sein, als würde er mir vorwerfen, ich hätte die Kalkulationen jeweils so erstellt, dass daraus kein Auftrag werden kann. Aber dies entsprach keinesfalls der Realität. Ganz im Gegenteil. Ich hatte eher stets die Befürchtung, mit unseren Kalkulationsansätzen wären wir wegen Unterpreisen gleich im Vorhinein von jeden Auftragsverhandlungen ausgeschlossen. Mir war der Kalkulationsansatz von 20 Euro je kalkulierter Stunde in der Montage einfach viel zu niedrig. Denn hätte ich mit sonst üblichen Stundensätzen kalkuliert, hätte ich mit Stundensätzen weit über 30 Euro, bis zu 40 Euro je Stunde, kalkulieren müssen. Und es war einfach davon auszugehen, dass anderen Unternehmen mit gleichen Kalkulationsansätzen ihre Angebote kalkulieren. Daher konnte ich mir einfach nicht vorstellen, dass die von mir kalkulierten Angebote preislich derart uninteressant für die jeweiligen Auftraggeber gewesen wären, sodass wir einfach nicht einmal zu einer Auftragsverhandlung eingeladen werden.
Aber Karl P. wollte mich nun regelrecht dazu einschwören, nun mit noch geringeren Kalkulationsansätzen zu kalkulieren und dafür jenen Stundensatz mit 12 Euro je Stunde weiter zu verwenden, welchen dieses slowenische Unternehmen, mit welchem Karl P. dabei zusammenarbeiten wollte, angeblich anbieten würde, in die Kalkulation zu gehen. Dazu hatte ich allerdings aber auch niemals eine Vereinbarung, ein Angebot, noch eine direkte Zusage des Chefs dieses Unternehmens gesehen oder erhalten. Lediglich die Zusage dafür von Karl P.
Selbst auf meinen Hinweis, wir würden uns hier, in einem für das Unternehmen neuen Markt, nichts Gutes tun, wenn wir mit Dumping Preisen in den Markt eindringen wollen, wollte Karl P. von seinem Vorhaben, nun noch tiefer zu kalkulieren nicht abgehen. Dazu meinte er lediglich, es wäre eben die Stärke der VA Tech, sich in Belangen der Preisgestaltung gegenüber der Auftraggeber beweglich zu zeigen. Auch der Auftrag für dieses neue Fußball Stadion in München sei eben nur dadurch erhalten worden, dass sich VA Tech bei den Verhandlungen bewegt hatte, wie er sagte. Daher müssten wir eben nun mit entsprechenden Preisen auf den Markt gehen, um wenigstens einmal zu Verhandlungen eingeladen zu werden.
Es klang, als würde er es mir zum Vorwurf machen, weil dies bisher nicht gelungen war. Daher erwartete er sich nun entsprechende Kalkulationen von mir. Dazu hatte er mir auch gleich wieder eine neue Ausschreibung übergeben, bei der er gleich von mir erwartete, dass ich dies umsetzen würde. Dabei ging es um den Umbau eines Motorenprüfstandes bei einem Automobilwerk in Ingolstadt.
Aber kaum war Karl P. wieder von meinem Arbeitsplatz verschwunden, hatte ich mir diese Ausschreibung näher angesehen. Dabei musste ich allerdings feststellen, es handelte sich dabei nicht um die Errichtung der Mess-, Steuer- und Regeltechnik für einen neunen Motorenprüfstand, sondern lediglich um den Umbau eines bestehenden Prüfstandes. Zudem war dazu auch noch ein Messgerät von Landis & Gyr ausgeschrieben, ein Unternehmen, welches damals bereits im Konzern von Siemens untergegangen war, welches zudem auch noch verbindlich anzubieten und dann auszuführen war. Somit war klar, diese Ausschreibung war bereits auf einen bestimmten Bieter zugeschnitten. Daher eigentlich die Erstellung eines Angebotes beinahe überflüssig, da die Aussicht auf Erfolg, auf eine Auftragserteilung beinahe nicht vorhanden war.
Aber auch wenn ich dies Karl P. zu erklären versuchte, es interessierte in nicht. Er bestand darauf, diesmal müsste ein Angebot abgegeben werden, bei dem es auf jeden Fall zumindest zu einer Auftragsverhandlung kommen müsste. Konkret meinte er dazu, dies wäre eben die Stärke der VA Tech, selbst keine eigenen Fabrikate zu verwenden, sondern von jedem beliebigen Hersteller die für den Auftraggeber am besten passenden Produkte einsetzen zu können. – Grundsätzlich klang dies auch nicht falsch.
Daher begab ich mich auch gleich an die Arbeit mit der Ausarbeitung eines Angebotes, um rechtzeitig vor der Abgabe übernächste Woche damit fertig zu sein. Zunächst standen dafür allerdings erst die Anfragen an die einzelnen Lieferanten der ausgeschriebenen Produkte in der Ausschreibung an, welche ich, wie zuvor schon üblich, nicht nur an den Zentraleinkauf in Linz übersendete, sondern auch an die Lieferanten in Deutschland. Schließlich kamen die meisten Lieferanten ohnedies aus Deutschland und diese Anfragen sollte ich, wie auch schon zuvor, hier selbst durchführen.
Darunter war auch jenes Messgerät von Landis & Gyr, welche verbindlich in der Ausschreibung vorgegeben war. Nach kurzer Recherche im Internet fand ich dazu auch die entsprechende Ansprechstelle bei Siemens hier in München, weshalb ich auch gleich am Folgetag dieses einzelne Gerät dort anfragte.
Aber man sollte nicht glauben, was sich daraus ergeben sollte!
(2020-08-31)