„Um die müssen wir uns schauen, denn die machen das Gleiche wie wir“
Salzburg, Mondsee, Donnerstag, der 16. September 2004:
Wie so oft in dieser Welt der „Organisierten“ spielt der Kollege Zufall eine äußerst wichtige Rolle und entscheidende Rolle sodass sich plötzlich Verbindungen und Zusammenhänge erklären, welche man sonst niemals für möglich halten würde!
Aber um dies zu erklären, muss ich etwas ausholen.
Ich ging ja bis Ende der 1980er Jahre in die HTL in Salzburg. Diese HTL, die Höhere Technische Lehranstallt, ist eine österreichische Eigenart einer kombinierten Schul- und Berufsausbildung und endet mit der allgemeinen Hochschulreife, gepaart mit einer Vielzahl von Berufsausbildungsabschlüssen in der gewählten Fachrichtung. Diese Schule wird von Schülern aus dem gesamten Bundesland Salzburg und dem angrenzenden Oberösterreich besucht. Da ich zu dieser Zeit noch in Unterach bei meinen Eltern lebte und von dort aus diese Schule als Fahrschüler besuchte, hatte ich einige Jahre keinen einzigen Schulkollegen, welcher aus der näheren und auch nicht aus der weiteren Umgebung meines damaligen Heimatortes Unterach, dies liegt 45 Kilometer von Salzburg entfernt im angrenzenden Oberosterreich am südlichen Ende des Attersees liegt, kommt. Lediglich in den letzten drei Jahren hatte ich einen Schulkollegen welcher noch dazu aus der näheren Umgebung und zwar aus dem Gebiet um Mondsee kam. Allerdings war dieser Schulkollege, Rüdiger F., ein äußerst aktives Mitglied der Burschenschaft Germania zu Salzburg. Noch dazu war seine Großmutter eine der Haushälterinnen am Obersalzberg in der Zeit des Dritten Reiches. Nun habe ich grundsätzlich damit kein Problem, ich verstand mich mit ihm auch sehr gut, in sehr vielen Bereichen waren wir auch gleicher Meinung und vertraten die gleichen Ansichten, auch politisch, jedoch ab einem gewissen Punkt mussten wir gerade bei politischen Themen zu diskutieren aufhören, da es sonst mit der Freundschaft vorbei gewesen wäre. In dieser Zeit hatte ich auch einen Schulkollegen, welcher offen bekennender Kommunist war, auch mit ihm hatte ich grundsätzlich keine Probleme und verstand mich mit ihm bestens, aber auch bei ihm war es ähnlich, denn ab einem gewissen Punkt mussten wir bei politischen Themen zu diskutieren aufhören, da es sonst zu Konflikten gekommen wäre.
Nun hatte Rüdiger und ich nicht nur viel Zeit zusammen am Weg zur Schule und von der Schule im gleichen Bus verbracht, auch sonst hatten wir viel Zeit außerhalb des Unterrichts verbracht, daher kannten wir uns gegenseitig sehr gut und wussten auch über die gegenseitigen politischen Ansichten bestens Bescheid. Ich hatte damals bereits dieselben politischen Ansichten wie ich sie auch heute vertrete, daher hatte Rüdiger sehr bald seine Anwerbungsversuche mir gegenüber für die Burschenschaft aufgegeben, da er erkannt hatte, meine Ansichten passen nicht mit den Grundsätzen einer Burschenschaft zusammen. Trotzdem verbrachte ich allerdings immer wieder viel Zeit mit ihm auch in deren Räumlichkeiten der Burschenschaft, der Bude. Daher weiß ich auch sehr viel über deren interne Abläufe, deren Grundsätze, deren Ansichten und Einstellungen. Aber es ist eben einfach nicht meine Welt. Unvergessen sind viele gemeinsame Erlebnisse während der Schulzeit, an welche ich mich auch noch nun nach dreißig Jahren immer wieder gerne erinnere.
Aber am Ende der Schulzeit trennten sich die Wege, wie mit fast allen meiner Schulkollegen. Jedoch Rüdiger hatte ich, Mitte der 1990er Jahre zufällig wieder getroffen, nachdem er jahrelang für ein Unternehmen im Ausland tätig war und in Salzburg bei den Salzburger Festspielen als Techniker zu arbeiten begann. Ein Bundesbruder der Burschenschaft Germania in der Geschäftsführung der Festspiele, ein ehemaliger Professor an der HTL, hatte ihm diesen Job verschafft. Und ab diesem Zeitpunkt trafen wir uns auch wieder in unregelmäßigen Abständen, gingen dabei meist Mittagessen, welches dann allerdings meist bis in die Abendstunden andauerte, oder wir trafen uns ohnedies am Abend in diversen Kneipen. Meist in Salzburg, denn ich wohnte ja ab 1996 in Salzburg, aber auch in Mondsee, wo wir uns gelegentlich auch zufällig trafen.
So kam es, dass ich Rüdiger an diesem 16. September 2004 wieder einmal im Festspielhaus anrief, um mich mit ihm zum Mittagessen zu verabreden. Ich arbeitete damals für das Unternehmen, in welchem ich ab 2003 beschäftigt war, der VA Tech, an einer Ausschreibung für die Elektrotechnik bei einem Bauvorhaben für den Neubau der österreichischen Hauptniederlassung des Generalimporteurs eines äußerst bekannten deutschen Automobilherstellers, um den Namen nicht zu nennen. Allerdings war meine Arbeit dabei, die Hilfestellung für ein Ingenieurbüro, welches mit der Planung für die Elektrotechnik beauftragt wurde, bei der Ausarbeitung der Ausschreibung vor der Angebotsphase. Also eine Leistung, welche zwar nicht verboten ist, allerdings die Ausscheidung im Angebotsverfahren begründen könnte. Daher erbrachte ich meine Leistung hierfür nicht im Unternehmen, sondern bekam dafür Urlaub und erstellte meine Unterlagen in meiner Wohnung. Aber darüber berichte ich noch an anderer Stelle, denn gerade diese Aufgabe hatte es besonders in sich.
Aber, an diesem Tag hatte ich meine Arbeit bereits zu Mittag erledigt, daher rief ich Rüdiger an und fragte ihn, ob er nicht Lust hätte auf ein gemeinsames Mittagessen. Ich hatte auch nicht erwartet, dass er mir absagen würde, denn viel zu oft hatten wir dabei sehr vergnügliche Stunden verbracht. An diesem Tag meinte er allerdings, er müsste noch dringend in der Arbeit etwas erledigen, daher könnte er erst am späteren Nachmittag, zudem hätte er am Abend noch dringend zu Hause etwas zu erledigen, daher wäre es ihm recht, wenn wir uns in Mondsee treffen würden. Dagegen hatte ich auch überhaupt nichts einzuwenden. Dann nannte er mir auch noch das Lokal, wo wir uns treffen könnten und meinte, es gäbe da an der Einfahrt von der Autobahn nach Mondsee ein kleines Café, welches er sehr oft besucht. Nun war mir allerdings sehr schnell klar, welches Café er damit meint, denn ich kannte dies. Ich war zwar zuvor niemals in diesem Café, aber das hatte auch seinen Grund. Denn dieses Café betreibt, wie es der Zufall so will, der „verrückte Wirt“! Und daher war ich nun wirklich überrascht, dass sich Rüdiger gerade in diesem Café mit mir treffen möchte, wusste ich doch, dass auch er über die Differenzen zwischen mir und diesem „verrückten Wirt“ bescheid weiß. Dann kommt noch dazu, Rüdiger und der „verrückte Wirt“, diese beiden passen zusammen, wie die sprichwörtliche Faust auf das Auge. Aber eines war mir in den Jahren zuvor immer öfter aufgefallen, beide begannen sich immer besser miteinander zu verstehen, was mich mehr als überraschte.
Nun war ich mir anfangs doch nicht so sicher, ob ich mich mit ihm in diesem Café treffen sollte, hatte ich mir doch noch eine Woche zuvor vorgenommen, nie wieder etwas mit diesem „verrückten Wirt“ zu tun haben zu wollen und nun würde ich gerade einmal eine Woche später mit Rüdiger in dessen Café gehen. Ich hatte einfach die Befürchtung, dieser Konflikt könnte sich nun in dieses Café verlagern. Aber dann dachte ich mir, es bringt mir auch nichts, nun selbst auf stur zu schalten, schlimmsten Falls könnte ich immer noch behaupten, ich hätte nicht gewusst, dass auch dieses Café vom „verrückten Wirt“ geführt wird, daher sagte ich Rüdiger zu und wir trafen uns dort um ich glaube 17:00 Uhr.
Zufällig trafen wir uns auch noch zur gleichen Zeit beim Einparken auf dem Parkplatz, sodass wir auch gemeinsam in dieses Café hinein gingen. Ich war gespannt, was mich dort erwarten würde und wie andere Gäste auf mich reagieren würden, oder mir vielleicht gar der „verrückte Wirt“ selbst dort über den Weg laufen würde, aber kaum hatten wir das Lokal betreten und gingen durch an den letzten Tisch, hatte ich die Gewissheit, der „verrückte Wirt“ ist nicht anwesend, wovon ich eigentlich auch ausgegangen bin und auch sonst nahm niemand besonders Notiz von mir. Obwohl doch einzelne der wenigen Gäste etwas überrascht waren, mich dort zu sehen, noch dazu mit Rüdiger.
Wir tranken dort jeweils zwei Biere und kurz nach halb acht Uhr verließen wir das Lokal wieder, mehr war dort nicht. Aber dann kam ich noch mit zu Rüdiger zu ihm nach Hause, denn er wollte mir noch seine Aufgabe, welche er noch so dringend an diesem Abend erledigen musste, zeigen. Dabei ging es einfach um seine selbst installierte Gebäudeleittechnik, welche er sich selbst in seiner Wohnung eingebaut hat. Kaum bei ihm zu Hause angekommen, meinte er, er müsste kurz nachsehen, ob seine Eltern zu Hause wären und schon verschwand er im Haus. Kurze Zeit später hörte ich allerdings, wie er sich mit seinem Vater, ebenfalls ein Bundesbruder der Burschenschaft Germania, unterhielt. Und dabei meinte sein Vater, nachdem er ihm erklärt hatte, ich wäre auch hier und er würde gerne noch mit mir an seiner Gebäudeleittechnik etwas begutachten,
„bei dem musst Du hier aufpassen, dass Du Dich nicht zu oft mit ihm Blicken lässt, denn die hier wollen ihn überhaupt nicht!“
Nun wurde ich hellhörig, denn so etwas hätte ich zu Hause bei Rüdiger nicht erwartet. Und dann ging es weiter und Rüdiger meinte darauf hin,
„ich weiß! Ich war auch gerade vorne mit ihm in seinem Café, aber da war nichts. Da war nicht einmal jemand da von denen!“
„Das ist auch kein Wunder, wenn die unten noch offen haben, ist da keiner von ihnen! Außerdem sind im Café nicht die Richtigen von ihnen da. Da musst Du runter gehen zu ihnen ins Lokal.“
Darauf meinte Rüdiger,
„das weiß ich eh selbst und das habe ich auch gerade gemerkt bei ihnen! – Weißt Du das? Ist da etwas mit denen?“
Darauf sein Vater,
„anscheinend nicht! Aber die machen das Gleiche, was wir auch machen, daher sollten wir uns um die umschauen! – Die können wir nützen! – Die bauen das gleich auf, wie wir auch!“
Wie fast immer hat sich auch diese Unterhaltung im Dialekt abgespielt und ich habe versucht, dies so wortgetreu wie möglich wieder zu geben.,
Aber als Rüdigers Vater meinte, „die machen das Gleiche, was wir auch machen“ und „die bauen das gleich auf, wie wir auch“, war ich doch etwas erschrocken und ehrlich gesagt auch verstört. Denn so baut man eine faschistische Gemeinschaft auf. Und wenn sie, das Gleiche machen und dies gleich aufbauen, wie diese „Botscherlbubenmafia“ des „verrückten Wirts“, dann machen sie auch das Gleiche, was ich seit 2001 aus meinem alten Heimatdorf aus Unterach kenne und dies ist der Aufbau einer Gemeinschaft, nach dem gleichen Muster, welches in einem Experiment eines Professors an einer High School in Palo Alto, Kalifornien, im Jahr 1967, durchgeführt wurde und in dem Film „The Wave“ verewigt wurde. Und dies entspricht dem Aufbau eines faschistischen Systems!
Was mir allerdings in der Literatur über dieses Experiment immer wieder viel zu kurz kommt ist, für den Aufbau dieses Systems wurde ein Feindbild kreiert, bzw. hat sich dies als das genaue Gegenteil dieses Systems gebildet, und spiegelt sich in der Person eines der Schüler dieser Klasse deutlich wieder. Für mich ist daher immer besonders erschreckend, wenn ich mich in diesem Feindbild selbst als Person in sehr Vielem sehr stark wieder erkenne. Daher müsste es eigentlich jedem völlig verständlich sein, wenn ich mich grundsätzlich und auch aus persönlichen Gründen gegen den Aufbau einer Gemeinschaft nach diesem Muster stelle. Aber für mich ist es ohnedies äußerst erschreckend, wenn beim Aufbau einer Gemeinschaft auf Basis eines Feindbildes, nach all dem, was sich im 20. Jahrhundert zugetragen hat, nicht sofort jeder vernünftige Mensch dagegen protestiert!
Nun möchte ich keinesfalls Rüdiger als Nationalsozialisten bezeichnen, oder mir nachsagen, ich würde dies von ihm vermuten. Dafür kenne ich ihn viel zu gut, als dass ich nicht wüsste, er ist keiner. Aber, er ist ein doch sehr überzeugter „Deutschnationaler“, welcher aus den Ursachen für die erzwungene – und zu recht erzwungene – bedingungslose Kapitulation des Dritten Reiches am 8. Mai 1945 gelernt hat. Und diese liegen natürlich im Holocaust, aber auch dem sonst offen dargebrachten Antisemitismus und Rassismus und natürlich der offen dargebrachten aggressiven Außenpolitik welche im Beginn des 2. Weltkrieges gipfelte – Aber mehr schon nicht! Und ich betone auch bewusst jeweils „offen dargebracht“! Man könnte heute auch durchaus sagen, er ist „modernisiert“! Und diese Gesinnung attestiere ich allen! Extremisten, im allgemeinen Sprachgebrauch auch als Neo-Nazis bezeichnet, welche sich daran nicht halten, akzeptieren sie ohnedies in ihren Reihen nicht und sortieren diese auch selbst aus, denn sie schaden ihnen lediglich.
Heute ist Rüdiger übrigens, für mich völlig überraschend – denn Ende der 190er Jahre wäre ich noch jede Wette dagegen eingegangen, obwohl ich eigentlich niemals wette – in der Region ein örtlicher Parteichef der FPÖ und regelmäßig Kandidat der FPÖ für das Amt des Bürgermeisters.
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