Salzburg, Dienstag, der 17. Februar 2004:
Es war einer jener Dienstagmorgen, an welchen ich „Zucki“, nach der wöchentlichen Führungskreis Sitzung bei der Geschäftsführung danach nicht mehr zu sehen bekommen hatte. Meist hatte er danach diverse Kleinigkeiten, welche dabei besprochen wurden, erzählt, weshalb ich manchmal auch gar nicht schlecht darüber informiert war, was im Unternehmen gerade geschieht. Meist war bei diesen Besprechungen auch extra Herbert N. aus Innsbruck angereist, mit welchem er danach gelegentlich verschwand und nicht mehr im Büro gesehen würde. Dies ist ja weiter nichts Ungewöhnliches, denn ich würde dies auch nicht anders tun.
Nun sah ich allerdings „Zucki“ an diesem Morgen zum ersten Mal seit dieser Besprechung. Ich kam gerade von der Raucherecke zurück, von der ich mir einen Kaffee mitgenommen hatte, da sprach „Zucki“ plötzlich laut vor sich her, als ich mich auf meinen Platz setzen sollte,
„nun gibt es nur mehr eine Position, welche neu besetzt werden muss!“
Auch mein Kollege Richard B. war über „Zuckis“ aussage regelrecht überrascht, dachte sich allerdings, er würde damit ansprechen wollen, dass es seit dem Tag zuvor offiziell sei, wer nun der neue Geschäftsführer im Unternehmen sei und es zudem der erste Tag gewesen wäre, an welchem der alte Geschäftsführer Josef Sch. nicht mehr im Unternehmen gewesen war. Doch dann schien es auch Richard B. so, als wollte „Zucki“ damit etwas sage und fragte nach, ob es denn nun noch eine Personalentscheidung geben werde. Worauf „Zucki“ gleich meinte,
„die vom Hörbi! – Die Position will Christian neu besetzen!“
Auch wenn ihm alle geraten hätten, dies nicht zu tun, die nun geltende Regelung beizubehalten, möchte Christian H. diese Position, welche „Hörbi“ eigentlich innehatte, als ich in das Unternehmen eingetreten war, die eines Gruppenleiters, neu besetzen. Denn die aktuell geltende Regelung wäre nur deshalb entstanden, da sich „Hörbi“ nicht als der geeignete Kandidat für solch eine Position erwiesen hätte und sein Verhalten mir gegenüber dazu beigetragen hatte, als er entmachtet wurde und nur mehr mit Teilen der Aufgaben des Gruppenleiters für die Gebäudetechnik betraut wurde. Der neue Geschäftsführer möchte allerdings in dieser Position jemanden als direkten Ansprechpartner hier in Salzburg haben und nicht erst mit Herbert N. in Innsbruck telefonieren und mit ihm einmal die Woche, anlässlich der wöchentlichen Führungskreis Sitzung direkt sprechen können.
Ich sackte regelrecht in meinen Stuhl am Arbeitsplatz, als „Zucki“ die erzählte und dachte mir, au weh, nun auch noch das! Selbst Richard B. war darüber keinesfalls erfreut, sondern eher irritiert, denn jeder im Büro wusste, welch Spinner, welch Choleriker dieser „Hörbi“ sei und nun stand auch noch seine Position, von der er ausgegangen war, irgendwann würde er diese wieder voll erhalten, zur Disposition. Selbst die Konzernleitung in Linz sollte, so „Zucki“, davon abgeraten haben, diese Position nun neu zu besetzen, sondern die nun bestehende Regelung bis auf weiters laufen zu lassen. Aber Christian H. lies sich nicht davon abbringen. Es soll dazu gemeint haben, auf die Beweggründe, welche zu dieser Regelung geführt hätten, könnte keine Rücksicht genommen werden, dies müsste ordentlich geregelt werden.
Wenigstens hatte ich mich mit „Zucki“ mittlerweile relativ gut verstanden, weshalb ich auch seit einiger Zeit mit ihm per Du war. Wobei, im Nachhinein betrachtet, dies für ihn wohl mehr Mittel zum Zweck war. Denn schließlich war er ja als einziger im Betrieb als Verkäufer angestellt, Akquisiteur, wie die früher bezeichnet wurde, und daher auch für die Einhaltung seiner Vorgaben verantwortlich war. Dazu gehörte eben neben der Anbahnung und Erhaltung der Kundenkontakte auch die Beschaffung von Aufträgen, wozu meist auf Basis von Ausschreibungen Angebote zu erstellen sind und die Machbarkeitsanalyse der beiden anderen Projektleiter in der Abteilung in Salzburg, „Hörbi“ und Richard B., meist ein Undurchführbar ergeben hätte. Wobei dies zwar eher dem persönlichen Wilen der beiden entsprochen hätte. Denn Aufträge gab es in dieser Zeit so gut wie keine in der Abteilung in Salzburg.
Lediglich Richard B. hatte gelegentlich mit der Errichtung von S-Bahn-Stationen in Salzburg zu tun. Dies hatte ich allerdings auch nur deshalb mitbekommen, da ich diesbezüglich einmal ein Telefonat von ihm entgegengenommen hatte, als er kurz aus dem Büro verschwand, und dabei einen Mitarbeiter der ÖBB am Telefon hatte, welcher dabei eben den Bedarf eines weiteren Schaltschrankes für eine S-Bahn-Station ankündigte. Sonst hatte ich kaum Einblick in die Schaffenswelt von Richard B., welcher für mich, seitdem ich ihn gekannt hatte, den Eindruck erweckte, als würde ein „10er Valium“ eher die Wirkung eines Aufputschmittels erzielen, denn die eines Schlafmittels.
„Hörbi“ hingegen lief im Büro als großer Projektleiter umher, dem es gelungen war, bei der rechtzeitigen Eröffnung dieses schwedischen Möbelhauses in Salzburg mitzuwirken, bei dem er offensichtlich auch einen unvorstellbaren Gewinn laut Auftragskalkulation von 30.000 Euro zu erwirtschaften, welchen er nicht nur stets an die große Glocke hängte, wenn darüber gesprochen wurde, sondern welchen er ja auch schon in einer Angebotskalkulation als Preisminderung eingesetzt hatte, was zu erheblichen Irritationen eines Nachunternehmers bei einem möglichen Projekt geführt hatte, weshalb dieser dann auch glatt sein Angebot zurückgezogen hatte. Es also gut war, wenn sich „Hörbi“ von Angebotskalkulationen fernhielt. Dies alles natürlich nebenbei, wenn er nicht damit beschäftigt war, alles und jeden aus dem Weg zu räumen, der ihm in die Quere kommen könnte. Noch dazu, da er ja nun nur mehr die sehr eingeschränkte Funktion eines Abteilungsleiters, wenngleich seine Position lediglich die eines Gruppenleiters gewesen ist, ausübte.
Daher landeten nun, da mir wenigstens die Kalkulation und Ausarbeitung von Angeboten genehmigt worden war, beinahe alle Ausschreibungen, welche „Zucki“ ins Haus holte, bei mir am Arbeitsplatz und von mir erhielt er dann die entsprechenden Angebote. Wobei dies ja eine meiner Lieblingsbeschäftigungen war, als ich noch bei ABB arbeitete. Daher hatte ich nun wenigstens etwas zu tun, auch wenn ich selbst noch kein Projekt zu bearbeiten hatte.
Da ich mich mit „Zucki“ nun relativ gut verstanden hatte, habe ich ihn auch gleich auf die nun als letztes neu zu besetzende Position, nämlich die von „Hörbi“, angesprochen und ihm dazu gleich klipp und klar gesagt, ich würde hoffen, nicht in die Disposition dieser Stelle hineingezogen zu werden. Denn was ich bisher in diesem Unternehmen erleben musste, würde mir reichen und ich hätte keinerlei Lust darauf, wieder in solch ein Intrigenspiel hineingezogen zu werden, ohne selbst auch nur das geringste dazu beitragen zu können, oder mich dazu zur Wehr setzen können. Dabei hatte ich die Beförderung von Christian H. als neunen Geschäftsführer zwar überhaupt nicht angesprochen. Doch „Zucki“ vermittelte eindeutig den Eindruck, er wisse wovon ich sprechen würde.
Dazu hatte ich ihm auch noch erzählt, ich hätte das bisherige Verhalten mir gegenüber in diesem Unternehmen, mich hinzustellen und über mich zu sprechen, ich müsste hier etwas werden, wie dies stets ausgedrückt wurde, ohne mit mir selbst darüber zu sprechen, ohne mich überhaupt darin einzubinden, ohne mir eine Möglichkeit zu geben, mich dazu in irgendeiner Weise zu äußern, als letztklassig empfunden. Wobei er darauf meinte, hier hätte wohl jemand in Erfahrung bringen wollen, wie ich mich in solch einer Situation verhalte. Allerdings hatte ich ihn darauf aufmerksam gemacht, hier wäre nicht, dem Sprichwort entsprechend, mit Kanonen auf Spatzen geschossen worden, sondern hier wären gleich Raketen, bestückt mit Atomsprengköpfen zum Einsatz gebracht worden. Dies noch dazu ohne irgendeinen Grund. Denn, auch ihm hatte ich erklärt, ich hätte derzeit überhaupt keinerlei Ambitionen eine leitende Position auch nur in irgendeiner Art und Weise zu bekleiden, sondern lediglich hier meiner Arbeit als dies, wofür ich eingestellt wurde, als Projektleiter für elektrotechnische Anlagen in der Gebäudetechnik nachkommen. Denn dazu hätte ich auch derzeit gar nicht den Rückhalt im Leben dies, um eine leitende Position in jener Form, in welcher ich dies sonst ausüben würde, zu bekleiden. Dazu hatte ich einfach, nicht zuletzt auch wegen des Todes meiner Mutter und den Folgen, welche sich daraus ergaben, um die Ohren. Deshalb wäre ich eigentlich in dieses Unternehmen gekommen, um hier endlich die notwendige Ruhe im Leben zu finden, um dies in einigen Jahren dann erfüllen zu können. Allerdings hatte bisher meine Zeit in diesem Unternehmen genau den gegenteiligen Effekt erzielt, welchen ich eigentlich wollte – mir wurde nämlich durch das bisherige Verhalten mein Leben bis dato beinahe vollkommen zerstört.
Dabei habe ich ihm gegenüber auch den Konflikt mit dem „verrückten Wirt“ und auch diese Angelegenheit mit „Silly“ angesprochen, wobei ich eben anfangs meiner Zeit in diesem Unternehmen dachte, hier all dies endlich bereinigen zu können. Eine Angelegenheit, in der mindestens 90% erfunden wurde, 9% stets völlig verdreht wiedergegeben wird und vielleicht gerade mal 1% den Tatsachen entspricht, nämlich jenen, dass ich diese Personen und vielleicht noch einige andere kenne, wenn auch nicht wirklich gut. Jedoch sich dabei ebenfalls genau das Gegenteil eingestellt hatte und ich nun kaum mehr eine Möglichkeit sehe, all dies doch noch so zu bereinigen, um ein weiteres Leben nebeneinander zu ermöglichen. Da dies ja nun, seitdem ich in diesem Unternehmen arbeite, mit dem, „ich sollte hier etwas werden“, einfach miteinander verbunden wurde. Auch darauf reagierte er nicht direkt. Jedoch war ihm auch hier eindeutig anzumerken, er wüsste nur all zu gut, wovon ich spreche. Er war vielmehr regelrecht überrascht darüber, wie offen ich gerade über die beiden Angelegenheiten mit „Silly“ und dem „verrückten Wirt“ spreche. Aber dazu hatte ich eben selbst überhaupt nichts zu verbergen, daher konnte ich darüber auch völlig offen sprechen, was leider deshalb, da gerade diese Angelegenheit mit „Silly“ von derart kindischer Natur ist, weshalb offensichtlich niemand darüber mit mir auch nur ein Wort wechseln will. Ich hingegen hatte nun jeden nur erdenkliche Möglichkeit genützt, um dies zur Sprache zu bringen, denn anders hatte ich kaum mehr eine Möglichkeit gesehen, dies doch noch zu lösen.
Ich hatte ihm auch noch erklärt, wie oft ich in der Zeit, in der ich nun bei VA Tech arbeitete, an meinem Arbeitsplatz gesessen hatte, all dies Gerede, wobei mir dies meist ohnedies egal war, jedoch auch dieses „Gerenne“, mich nur ja von einer gewissen Position fernzuhalten, jeden Tag von Arbeitsbeginn bis Arbeitsende miterleben musste und keinerlei Möglichkeit hatte, dies zu beenden. Wie oft ich vor dem Telefon gesessen hatte, mir dachte, die einzige Möglichkeit dies zu beenden wäre jemanden anzurufen, und dies klarzustellen – aber wen? All dies wollte ich nun nicht weiter erleben. Daher hatte ich im klipp und klar gesagt, ich würde derzeit niemals für eine leitende Position in Unternehmen zur Verfügung stehen.
Beinahe den gesamten Tag lang hatten wir uns immer wieder darüber unterhalten. Auch Richard B. war dabei immer wieder im Büro und auch teilweise in die Gespräche miteingebunden. Der hingegen verließ immer wieder das Büro, um den Kollegen „Neuigkeiten“ zu berichten. Aber auch dies nahm ich bewusst in Kauf. Denn schließlich, ich hatte nichts zu verbergen!
Etwas an Hoffnung hatte ich, als ich ihm dies sagte. Doch diese würde sich nicht als reell bestätigen.
(2020-01-29)