Mondsee, Dienstag, der 23. September 2003:
Wenn es eines gegeben hat, was mich richtig verwunderte, dann war dies, dass es um die gesamte unsägliche Angelegenheit mit dieser „Silly“ seit 7. September beinahe völlig ruhig geworden war. Eigentlich wäre ich davon ausgegangen, als mich der „verrückte Wirt“ am 6. September – es war eigentlich schon der 7. morgens – durch seine Türsteher wegen „Silly“ aus seinem Lokal werfen ließ, ich wäre nun restlos dem Gespött der Leute, welche dies miterlebt hätten, davon gehört hätten. Doch es war darüber so gut wie überhaupt nichts zu hören. Lediglich diese kleine Bemerkung eines der Kollegen in der Arbeit, ich wäre eben hinausgeworfen worden, vom Montag darauf, und der freudigen Kunde, welche Richard B. mein Kollege vom Schreibtisch gegenüber in meinem Büro, sie hätte mich nun angerufen, dem gesamten Büro sofort mitteilen musste, von Donnerstag mittags, war überhaupt nichts mehr darüber zu hören. Als hätte es dies überhaupt nie gegeben. Als hätte sich noch nie jemand darüber den Mund zerrissen. Es war völlig ruhig geworden darüber. Und nun kam auch noch dazu, dass mir am Vortag der neue Abteilungsleiter in der Arbeit extra mitgeteilt hatte, „Hörbi“ wäre für mich so gut wie nicht mehr zuständig, ich sollte beinahe alles, auch den Urlaub und dergleichen, direkt mit ihm klären. Es war beinahe schon gespenstisch, so ruhig und angenehm war es geworden.
Aber ich traute dem nicht so recht. Daher hatte ich mir für diesen Abend vorgenommen, wieder einmal nach Mondsee zu fahren, um dort einmal auszuloten, wie denn dort die Stimmung mir gegenüber nun sei. Denn seit 6., beziehungsweise 7. September am Morgen war ich nicht mehr in Mondsee gewesen. Zudem ging ich auch davon aus, mittlerweile würde dieses Lokal auch für den Winter bereits geschlossen sein und ich dort auch niemanden mehr von dieser Truppe antreffe. Daher fuhr ich gegen 22 Uhr nach Mondsee, um dort in die Schlossbar, diesem „La Sita“, geführt von Bernhard B., zu gehen. Einfach nur, um zu sehen, wie andere Leute darauf reagieren, wenn sie mich sehen. Denn mir war dies mittlerweile in Unterach und auch in Salzburg beinahe unheimlich geworden, so ruhig, wie es dort nun geworden war.
Ich rechnete mit allem, als ich in das Lokal ging und mich dort an die Bar stellte. So wie früher, als noch Ralph T. dieses Lokal betrieb. Und von Bernhard B. war ich nun mittlerweile doch schon einige sehr abfällige Bemerkungen, auch direkt an mich gewendet, gewohnt, weshalb ich kaum mehr ein Wort mit ihm wechselte. Auch an diesem Abend wollte ich mich mit ihm keinesfalls unterhalten, sondern lediglich seine Reaktion auf mich beobachten. Aber er war regelrecht stinkfreundlich, als ich das Lokal betrat und mich an die Bar setzte. Das Lokal war sonst nur sehr spärlich von Gästen besucht. Auch an der Bar stand nur ein weiterer Gast, der Koch eines Gasthauses aus dem Ort, direkt an der Einfahrt von der Autobahn aus kommend in das Zentrum an der rechten Seite gelegen. Auch ihn kannte ich schon viele Jahre, allerdings auch mit ihm hatte in letzter Zeit kaum mehr ein Wort gewechselt. Aber auch er begrüßte mich beinahe auffallend freundlich, als wäre nie etwas gewesen.
Nun standen wir beinahe eine halbe Stunde lang stumm an der Bar und niemand wusste so recht, was er denn sagen sollte. Ich wollte erst gar nicht und Bernhard B. und dieser Koch, blickten sich immer wieder einfach nur an. Doch dann fragte mich der Koch plötzlich,
„und? Warst Du schon wieder einmal im B?“
Was ich sofort, wie aus der Pistole geschossen verneinte, sonst allerdings nichts weiter darauf sagte. Somit war es mit dem Gespräch schon wieder vorbei. Zudem war ich richtig überrascht, als er mich dies fragte, denn eigentlich wäre ich davon ausgegangen, dass das Lokal des „verrückten Wirtes“ mittlerweile längst wieder für die Wintermonate zugesperrt wäre.
Nachdem ich ja an diesem Abend nach Mondsee gekommen war, um auszuloten, wie denn auf meine Anwesenheit reagiert wird, passte ich mehr auf die restlichen Gäste im Lokal auf. Doch von denen war auch überhaupt nichts zu vernehmen. Wobei allerdings an diesem Abend wirklich wenige Gäste in dem Lokal waren, was um diese Jahreszeit auch nicht weiter verwunderlich war. Daher war ich zwar mehr als verwundert, nicht dem Gespött der Leute ausgesetzt zu sein, traute dem ganzen allerdings nicht so recht. Denn dazu hatte ich in den letzten Jahren viel zu viel erlebt. Wenigstens ließ meine Anspannung deshalb etwas nach, denn gerechnet hätte ich nun mit allem.
Nachdem ich das Lokal nach gut einer Stunde wieder verließ, ohne auch nur ein einziges weiters Wort mit jemandem zu wechseln, außer dem Dialog während des Zahlens mit Bernhard B., dachte ich mir, ich komme in einigen Tagen, vielleicht schon am Donnerstag, wieder, dann wenn mehr Leute unterwegs sind, denn dann würde ich eher erfahren, wie nun auf meine Gegenwart reagiert werden würde. Denn mir selbst war die ganze Angelegenheit mittlerweile mehr als unangenehm und ich wollte eigentlich nie mehr etwas davon hören. Zudem hatte ich auch noch eine regelrechte Wut wegen dieses Vorfalls vom 6. September. Der doch eigentlich so gut gemeint begann, dann allerdings in einer Katastrophe endete. Noch nie zuvor war ich aus einem Lokal geworfen worden, noch nie hätte es auch nur ansatzweise dafür einen Grund gegeben – und nun dies.
Am Heimweg fuhr ich dann auch noch einen kleinen Umweg durch die Allee zum See und an der Bundestraße am See vorbei, von wo auch das Lokal des „verrückten Wirtes“ zu sehen ist. Und, siehe da, das Lokal des „verrückten Wirtes“ hatte tatsächlich noch geöffnet. Scheinbar können sie in diesem Jahr überhaupt nicht genug bekommen, dachte ich mir und fuhr daran vorbei, mit dem Bewusstsein, dieses Lokal niemals mehr zu betreten.
(2019-11-13)