Salzburg, Freitag, der 1. August 2003:
Nun war er also gekommen, mein erster Arbeitstag bei VA Tech, auf welchen ich mich in den letzten Wochen so sehr gefreut hatte. Endlich wieder in jenem Bereich arbeiten, in welchem ich im Juli 1990, als ich überhaupt zu arbeiten begann. Es war zwar nicht gerade jenes Unternehmen, für welches ich unbedingt arbeiten wollte, aber von den einst sieben großen Betrieben im Bereich der Elektroindustrie, die im elektrischen Anlagenbau tätig waren, welche auch alle, als ich 1990 zu arbeiten begann, und auch alle in Salzburg eine Niederlassung hatten, sogar die AEG, als sie noch ein eigenständiges Unternehmen war, hatte eine Niederlassung in Salzburg, waren eben nur mehr zwei übrig geblieben. Dies waren die Siemens, welche sich allerdings ohnedies schon länger anschickte, diesen Bereich aufzugeben, und eben diese VA Tech, welche nun nach dem Zusammenschluss von zwei einstigen erbitterten Konkurrenten zu einem Unternehmen, als größtes Unternehmen in diesem Bereich in Österreich tätig gewesen ist.
Um acht Uhr sollte also mein Dienst in der VA Tech beginnen und ich meldete mich pünktlich, so wie es sich gehört, bei Erich H., welcher nun mein neuer Vorgesetzter sein sollte. Nach dem üblichen Rundgang durch die gesamte Firma, um jeden einzelnen Kollegen vorgestellt zu werden, ihm dabei die Hand zu schütteln, in der Hoffnung, man merkt sich auch all die Namen und Gesichter, welche einem dabei vorgestellt werden, zeigte mir Erich H. meinen neuen Arbeitsplatz.
Aber da gab es bereits die erste Überraschung für mich. Denn ich sollte nun nicht gleich meinen eigentlichen Arbeitsplatz erhalten, sondern erst einmal für zwei Wochen am Arbeitsplatz eines Kollegen, welcher noch zwei Wochen im Urlaub ist, platz nehmen. Dies war aber nicht wirklich ein Arbeitsplatz, so wie man sich diesen in solch einem Büro eines solchen Unternehmens vorstellt, sondern mehr ein Tisch, auf dem ein Rechner steht, mit davorstehendem Stuhl und rund um den Rechner samt Maus und Tastatur gerade mal so viel Platz, dass man gerade noch einen Zettel ablegen konnte, ohne dass dieser gleich von der Tischplatte rutscht und zu Boden fällt. Dieser „Arbeitsplatz“ befand sich allerdings direkt gegenüber dem Schreibtisch von Erich H. und dies wollte er offensichtlich.
Mein eigentlicher Arbeitsplatz, welcher mir zugeteilt wurde, im Zimmer gleich daneben, hinter dem Empfang, in einem Büro, welches nur durch eine Glastrennwand vom Empfang getrennt ist, sei noch nicht ganz fertig, so meinte Erich H. Zudem säßen in diesem Büro, neben dem Verkäufer Harald Z., dem Akquisiteur, wie man solch eine Position noch nannte, als ich zu arbeiten begann, noch Richard B., der allerdings ebenfalls noch eine Woche im Urlaub sei und ich daher beinahe alleine in diesem Büro wäre, was Erich H. als nicht passend empfand. Mir sollte dies recht sein, dachte ich mir zunächst, war dieser „Arbeitsplatz“ doch erheblich besser, als jener, welcher mir zugewiesen wurde, als ich im Mai 1999 bei dem Zivilingenieurbüro, für welches ich zuletzt gearbeitet hatte. Denn auf diesem Stand weder ein Rechner noch ein Telefon, zu diesem musste ich mich zum Arbeitsplatz hinter mir umdrehen, wenn ich einen Anruf erhielt, und auf den Stuhl, auf welchen ich sitzen sollte, musste man sich mit äußerster Vorsicht setzen, damit dieser nicht zusammenbricht. So gesehen war dies schon mal erheblich besser. Allerding hatte ich nur die Eingangstüre in dieses Büro, in welchem ich nun vorrübergehend sitzen sollte, gleich direkt neben mir, wobei man regelrecht aufpassen musste, diese nicht gegen sich gedonnert zu bekommen, wenn einer das Büro betrat. Aber was sollte es, war ich doch mittlerweile schon einiges gewohnt.
Richtig gespannt war ich darauf, welches Projekt ich denn nun zu bearbeiten und zu leiten hätte, hatte doch Erich H. bei meinem Vorstellungsgespräch von einem Projekt gesprochen, welches auch mich hier warten würde, mit einer Auftragssumme von 3 Millionen Euro, was für Salzburger Verhältnisse ein doch großes Projekt ist.
Da kam es allerdings schon zur nächsten Überraschung. Denn Erich H. kam mit einer Aufgabe zu mir, welche ich zunächst einmal dringend für sein Projekt erledigen sollte, denn sein Mitarbeiter, welcher dies sonst üblicher Weise für ihn täte, wäre eben nun im Urlaub – auf dessen Platz saß ich ja zunächst – er bräuchte dies allerdings sehr dringend, denn er müsste dazu noch Material bestellen, welches danach auf die Baustelle geliefert werden würde, damit sein Projekt fertiggestellt werden könnte. Dabei handelte es sich um eine Beleuchtungsberechnung für Technikräume, welche ich nun, mit Hilfe des Beleuchtungsberechnungsprogramm „Dialux“ erledigen sollte. Ich kannte das Programm zwar relativ gut, hatte ich doch zuvor selbst unzählige Male schon damit gearbeitet, sah dies damals allerdings, war dies doch eine der ersten Versionen dieses Programms, Version 1.x irgendetwas, du erst wenige Jahre auf dem Markt, wobei dies ja ein kostenloses Programm ist, welches von den Leuchtenherstellern finanziert wird, eher als ein „Spielzeug“ für Planer, konnte man damit doch sehr schöne Unterlagen für Präsentationen und Berichte erstellen, allerdings eher für Planungen, nicht allerdings für Ausführungsunterlagen. Und Technikräume hatte ich damit bisher noch nie berechnet, denn dafür war mir bisher die Zeit zu schade, mich für solche Räume mit diesem Programm zu beschäftigen, ist dies doch sehr umfangreich, weshalb ich solche Räume noch nach der alten Methode händisch mit der Wirkungsgradmethode berechnet hatte. Aber was sollte es, Erich H. hatte mir diese Aufgabe gestellt, daher erledigte ich sie auch für ihn.
Wobei mir allerdings nicht ganz klar war, was er nun dabei von mir wollte. Denn nach vielleicht einer halben Stunde kam er zu mir, fragte mich kurz,
„na! Wie sieht’s aus?“
Verschwand dann allerdings wieder und ward für den Rest des Tages nicht mehr bei mir gesehen. Weshalb ich ihm dann auch die Ausdrucke auf seinen Arbeitsplatz legte, welche ich von diesem Programm erstellen konnte.
Während ich allerdings an dieser Aufgabe saß, sah ich mir auch noch ein wenig die Unterlagen an, welche mir Erich H. dazu noch auf den Tisch gelegt hatte. Dies war das Leistungsverzeichnis, damit ich mir auch Leuchten aussuchen konnte, welche im Leistungsverzeichnis für diesen Technikraum enthalten sind. Dabei wurde mir aber nun ganz anders. Denn dabei sah ich auch die Auftragssumme, um welche es bei diesem Projekt, für welches ich nun diese Beleuchtungsberechnung erstellen sollte, geht. Dies waren knapp über 3 Mio. Euro!
Nun wurde mir ganz anders und ich dachte mir, hoffentlich handelt es sich dabei nicht um jenes Projekt, welches Erich H. erwähnt hatte, als ich am 14. Mai bei ihm hier beim Vorstellungsgespräch war, denn dieses Projekt, es handelte sich dabei um den Neubau eines Geschäftsgebäudes eines bekannten schwedischen Möbelhauses hier in Salzburg, welches noch diesen Herbst eröffnet werden sollte. Denn wenn es sich dabei um dieses Projekt handelte, und ein weiteres hatte ich in den wenigen Stunden, in welchen ich nun in diesem unternehmen war, noch nicht erkennen können, dann hat mich Erich H. damit richtig reingelegt, was allerdings nicht nur eine Frechheit wäre, sondern eine richtige Sauerei! – Heute nenne ich dies: Vortäuschung falscher Tatsachen!
Für den Rest des Vormittags saß ich nun auf meinem „Arbeitsplatz“ und wusste nicht recht, was ich tun sollte, denn irgendwie hatte ich mittlerweile mehr als ein mulmiges Gefühl, ob ich nun nicht einen riesigen Fehler begangen habe!
Dann meinte auch noch ein Kollege kurz nach elf Uhr, welcher auch in dieser Abteilung tätig zu sein schien, er saß am äußerten linken Eck, direkt am Fenster, machte allerdings den Eindruck, als würde er überhaupt nicht zur Truppe um Erich H. gehören, ich müsste nicht gleich am ersten Tag als letzter aus dem Büro gehen. Daher könnte ich schön langsam daran denken, mich ins Wochenende zu begeben. Nun war ich allerdings gerade erst einmal gut drei Stunden in diesem Unternehmen, daher war ich auch über diese Äußerung mehr als verwundert. Aber wenigstens machte dieser neue Kollege nicht nur sonst einen kompetenten Eindruck, sondern schien auch in Ordnung zu sein.
Ich sah mir danach noch ein wenig das Leistungsverzeichnis für diesen Neubau dieses schwedischen Möbelhauses an, welches mir Erich H. auf den Tisch gelegt hatte, danach ging ich gegen zwölf Uhr tatsächlich schon in Wochenende. Allerdings mit einem Gefühl, das ich gar nicht richtig beschreiben kann. Denn dies war Enttäuschung, Wut, Ärger, Ratlosigkeit, Frustration, Trauer, alles in einem! Wobei ich mir noch nicht einmal sicher war, ob ich all dies auch schon empfinden sollte. Ich hoffte nur, ich hatte mich bei diesem Projekt getäuscht und auch sonst würde dies noch besser werden, denn sonst hätte ich einen riesigen Fehler begangen!
Nach diesem ersten Arbeitstag fuhr ich in meine Wohnung in Salzburg, aß dort zu Mittag, las noch die Zeitung und fuhr danach in mein altes Heimatdorf nach Unterach, um dort, wie jeden Freitagnachmittag, meinen Geschäftsdienst in dem kleinen angeschlossenen Laden des kleine Elektrobetriebes, welchen ich, zusammen mit meinem Bruder, hatten. Dort unterhielt ich mich auch noch ein wenig mit meinem Bruder über meinen ersten Arbeitstag bei VA Tech – damals sprach ich eben auch noch mit ihm, trotz allem, über solche Angelegenheiten.
Eines sollte für diesen Tag nicht unerwähnt bleiben. Denn beim Zeitunglesen zu Mittag fiel mir ein Artikel auf, in welchem über den Verkauf jenes Unternehmensbereiches von ABB, mittlerweile hieß dies ABB Gebäudetechnik, an eine gewisse MCE, einem Unternehmen der Andlinger Gruppe, eines reichen Austro Amerikaners, der in den vereinigten Staaten eine Menge Geld mit der Sanierung von Unternehmen verdient hatte, berichtet wurde. Denn dies sollte in der Folge auch noch eine Rolle spielen. Las sich dies doch, als wäre dies ein Mega Deal gewesen, sollte ich aber doch in wenigen Jahren mehr darüber erfahren, wie dies abgelaufen ist.
Dazu noch eine kleine Randnotiz. Dieser Austro Amerikaner namens Andlinger hatte übrigens ein Wohnhaus, um dessen Villa einmal so zu beschreiben, am Attersee, und wir, mein Bruder und ich, mit unserem kleinen Elektrobetrieb waren dort in dessen Villa die Hauselektriker. – Wie klein doch manchmal die Welt ist. Schon mein Vater war in diesem Haus, oder mehr dieser Liegenschaft tätig, denn dieses Haus wurde in den Jahren zuvor neu gebaut mehrere Male gänzlich umgebaut, als es noch als die „Campeau Villa“ bezeichnet wurde.
(2019-08-27)