„Karl H kommt wieder!“
Salzburg, Donnerstag, der 5. Dezember 2002:
Mittags saßen wir im Büro meist an einem großen Tisch im Büro der Zeichner. Eigentlich war dies kein wirklicher Tisch, sondern gleich am Eingang in das Büro der Zeichner waren mehrere Tische zusammengestellt und diese Tischgruppe wurde sonst als Ablage für große Pläne genützt, aber auch im bei kleineren internen Besprechungen Pläne ausbreiten zu können und den Kollegen anhand der Pläne zu zeigen, was zu tun ist.
Mittags wurden dann allerdings meist diese Pläne am Tisch auf einer Seite zusammengeschoben und wir saßen an diesen Tischen, um die Mittagspause zu verbringen. Meist gingen wir zuvor in den nahegelegenen „Billa“ Mark, einen anderen Supermarkt gar es in dieser Gegend in Gneis in Salzburg zu dieser Zeit nicht, kauften uns dort eine Kleinigkeit zu Essen und verspeisten dies dann gemeinsam an eben dieser Tischgruppe. Hin und wieder hatten wir uns auch von einem Lieferservice Essen bestellt. Dann gab es eben etwas vom „Chinesen“, Ente süß sauer, oder dergleichen, manchmal hatten wir uns auch beim „Pizzamann“ Pizzen bestellt. So auch an diesem Tag.
Nun saßen wir also alle Kollegen zusammen mittags an diesem Tisch. Gab es Essen vom „Chinesen“ oder vom „Pizzamann“ saß auch meist die Sekretärin mit uns am Tisch. Und so verkündete sie uns nun, Karl H. sollte wieder kommen. Sie meinte,
„der Karl kommt wieder.“
Sie wäre sich allerdings nicht ganz sicher, ob sie dies auch sagen sollte. Aber es war schon geschehen. Daher wurde schnell und viel über die nun vielleicht anstehende Rückkehr von Karl H., welcher sich ja seit geraumer Zeit in Krankenstand befand, diskutiert. Denn es betraf eigentlich ja jeden. Unvergessen war noch die Besprechung vom Freitag der vorletzten Woche, als uns alle zusammen unser Chef Freitag nachmittags ins Besprechungsbüro rief und uns die aktuelle Situation beim Projekt der „Nahverkehrsdrehscheibe Linz“ darlegte. Der Tag, an dem ich dieses Projekt übernommen hatte.
Viel wurde nun darüber gesprochen, ob dies nun gut sei, dies überhaupt noch etwas bringen würde, oder ob es nicht doch viel besser wäre, er würde erst seine Krankheit restlos auskurieren, um vielleicht danach wiederzukehren. Einige Kollegen meinten glatt, ich könnte darüber nicht sehr erfreut sein, denn schließlich säße ich nun seit letzten Freitag ausschließlich bei diesem Projekt, um all das nachzuholen, aufzuarbeiten, den letztmöglichen Termin für die Abgabe der Leistungsverzeichnisses für dieses Projekt als Leseexemplar auszuarbeiten. Eigentlich wäre es besser, er würde derzeit nicht wieder ins Büro kommen, so war die beinahe einhellige Meinung am Tisch zu Mittag.
Aber die Sekretärin meinte auch, ich sollte auf jeden Fall an diesem Tag solange im Büro bleiben, bis Karl H. auch hier sei. Er hätte sich für 18:00 Uhr angekündigt. Aber alleine dies hatte bei manchen Kollegen, so auch bei mir, etwas Unmut erzeugt.
Kurz nach Mittag kam dann auch noch unsere Chefin, Christa K., zu mir und erzählte mir, Karl H. würde heute Abend noch vorbei kommen und ich sollte auf jeden Fall solange im Büro bleiben und auch noch mit ihm reden. Nun hatte ich in dieser Zeit mehr als genug zu tun, aber ich wollte deshalb nicht auch noch die halbe Nacht im Büro verbleiben, daher hatte ich mir die Zeit für die Erstellung des Leistungsverzeichnisses so eingeteilt, dass ich dies in der normalen Büroarbeitszeit, zwischen 8 Uhr am Morgen und spätestens 6 Uhr am Abend schaffen würde. Denn schließlich und endlich benötigt man auch die entsprechende Erholungszeit, um am nächsten Tag wieder fit für die Arbeit zu sein. Daher war ich, trotz dieses beinahe nicht bewältigbarem Arbeitspensums, in den Tagen zuvor meist spätestens um sechs Uhr am Abend von der Arbeit nach Hause gegangen. Nun sollte ich also an diesem Tag noch solange warten, bis Karl H. noch ins Büro kommt und mit ihm sprechen. Mir war es egal, denn ich sah ohnedies kaum mehr eine Möglichkeit ihn weiter in das Projekt mit einbinden zu können, daher dachte ich mir, ich bleibe solange im Büro, spreche mit ihm und mache ihm dabei klar, er soll das Projekt einfach gänzlich abgeben. Es hat keinen weiteren Sinn, wenn er daran weiter tätig ist. Daher blieb ich, obwohl ich eigentlich schon um 6 Uhr nach Hause gehen wollte, noch im Büro, um darauf zu warten, bis endlich Karl H. erscheint.
Es dauerte dann bis halb sieben Uhr, bis er endlich im Büro war. Allerdings war sein erster Weg nicht zu mir, sondern zum Chef, Walter H., was zwar grundsätzlich mehr als verständlich war, allerdings begannen beide sofort wieder über die Arbeit am Projekt zu sprechen und ich blieb lediglich unbeteiligt an meinem Platz sitzen. Daher würde ich schön langsam etwas aufgebracht. Aber schließlich und endlich meinte Christa K., wir sollten doch alle einmal über dieses Projekt und wie es mit dessen Bearbeitung weiter gehen sollte, reden. Auch sie war noch im Büro geblieben, so wie auch ihr Mann, Rudi K., welcher am Anfang dieses Projektes meist bei allen Besprechungen dabei war und daher auch die Situation am Projekt bestens kennen musste. So kamen wir also alle gegen 7 Uhr am Abend im Großraumbüro der Zeichner zusammen. Karl H., Walter H., der Chef in dessen Firma dieses Projekt abgewickelt wurde, Rudi K., der zweite Chef und Schwager von Walter H., sowie Christa K., die Schwester des Chefs und Frau des zweiten Chefs. Ich war natürlich auch dabei. Von den restlichen Kollegen war mittlerweile niemand mehr anwesend, denn diese waren, verständlicher Weise, längst nach Hause gegangen.
Nun ging es also darum, wie sich Karl H. die weitere Vorgehensweise, da er eigentlich noch krankgeschrieben ist, vorstellen könnte. Er meinte, er könnte doch nebenbei daheim weiter an diesem Projekt arbeiten, denn seiner Ansicht nach sei ohnedies beinahe alles fertig, es müssten doch lediglich nur mehr die Massen der einzelnen Positionen ermittelt werden und diese in das bereits bestehende Leistungsverzeichnis in der Ausschreibungssoftware eingetragen werden. Immer wieder begann er davon zu sprechen, es sei doch bereits beinahe alles fertig, zudem meinte er auch noch, er hätte bereits zu Hause bereits fast alle Massen ermittelt und diese müssten lediglich noch eingespielt werden. Doch die Realität sah gänzlich anders aus. Zudem bestand diese Ausschreibung nicht nur aus den einzelnen Positionen, welche in einer Ausschreibungssoftware erstellt werden müssten, sondern aus einem mehr als umfangreichen Ausschreibungspaket von der sogenannten „B1“ bis zur „B5“, also von allgemeinen Ausschreibungsunterlagen und Vertragsbedingungen, einer mehr als umfangreichen Leistungsbeschreibung als funktionale Ausschreibung, bis zum eigentlichen Leistungsverzeichnis mit Lang- und Kurztext-Leistungsverzeichnis, von dem so gut wie überhaupt nichts zum Projekt passendem vorhanden war. Er wollte es allerdings einfach nicht einsehen. Nun war ich Karl H. grundsätzlich nicht negativ gegenüber eingestellt, doch er hätte wenigstens etwas sagen können. Er hätte sagen können, dass ihm dieses Projekt viel zu viel wäre. Mit seiner Krankheit hätte er zudem dies auch noch gut überspielen können, sodass er dabei auch nicht das Gesicht verliert. Aber er wollte s einfach nicht einsehe. Immer wieder begann er davon zu sprechen, er hätte längst alles fertig, es müssten lediglich seine Ausarbeitungen, welche er daheim erstellt hatte, zusammen gespielt werden. Dabei war einfach nichts vorhanden und niemand glaubte, dass er tatsächlich zu Hause bereits brauchbare Unterlagen hätte. Sogar Rudi K. meinte, er hätte sich einmal dieses angebliche Leistungsverzeichnis angesehen und dabei festgestellt, es wäre nichts brauchbaren vorhanden.
Anfänglich hielt Walter H., der Chef ihm noch die Stange, aber nachdem er festgestellt hatte, ich wurde mit Karl H. Immer lauter, machte er sich aus dem Staub. Das war auch verständlich und besser so, denn Karl H., so leid er mir zwar mit seiner Krankheit tat, reagierte völlig unverständlich. Er hätte einfach sagen sollen, soweit es ihm möglich ist, stellt er weiter seine Leistungen für das Projekt zur Verfügung, aber im Zusammenhang mit seiner Krankheit sei von ihm eben nicht mehr zu erwarten. Es war einfach ein gänzlich unkollegiales Verhalten, was er in den Wochen und Monaten zuvor abgeliefert hatte. Ein einziges Wort, eine einzige kleine Besprechung unter Kollegen hätte gereicht und jeder hätte ihm geholfen. Ich hätte vielleicht sogar das Projekt übernommen, obwohl er immer noch offiziell als Projektleiter fungiert hätte. Denn ich war nicht heiß auf dieses Projekt. Aber er sagte einfach gar nichts. Jeder wusste zwar, er würde die niemals schaffen, aber zugaben, das war für ihn nicht in Frage gekommen.
Nun wurde ich allerdings richtig laut und begann regelrecht zu schreien mit ihm. Denn Einsicht, das kannte er wohl nicht. Obwohl er mir leid tat, aber nun musste ich ausbaden, was er verbrochen hatte und äußerst leicht zu verhindern gewesen wäre, hätte er nur rechtzeitig etwas gesagt. Irgendwie seltsam fand ich dabei, sowohl Christa und auch Rudi K. standen nun hinter mir und pflichteten mir bei. Vielleicht war es dies, was mich letztendlich dermaßen in Rage brachte, dass ich Karl H. nur mehr anbrüllte, bis er letztendlich das Büro einfach verlassen hatte, ohne sich zu verabschieden.
Ich ging danach auch nach Hause, denn für diesen Tag hatte ich genug! Wobei die Stimmung, welche ich nun von Christa und Rudi K. aufgenommen hatte, war zwar etwas seltsam, allerdings keinesfalls mir negativ gegen über. Walter H., der eigentliche Chef, war längst nicht mehr im Büro gewesen.
(2018-06-10)