Unterach, Mondsee, Samstag, der 28. April 2001:
Die Nacht über verbrachte ich im Wohnhaus meiner Eltern in Unterach, denn schließlich hatte ich ja ab neun Uhr meinen üblichen Dienst in diesem kleinen Laden, welcher zu unserem kleinen Betrieb gehörte, zu verrichten. Und ich hatte den ganzen Vormittag, ab zwölf Uhr war dieser Laden geschlossen, keinen einzigen Kunden!
War es an den Wochenenden zuvor noch so, dass gelegentlich jemand vorbeikam, nur um ein kleines Schwätzen zu führen – wenn auch nicht mit mir, sondern mit meinem Bruder, aber wenn ich schon mal da war, dann wurde eben auch mit mir geplaudert, so stand ich den ganzen langen Vormittag alleine in diesem Laden. Keinen einzigen Groschen hatte ich eingenommen! Keine Glühbirne, keine Batterie verkauft – nichts!
Ich war regelrecht froh, dass auch mein Bruder, eigentlich wie beinahe jeden Samstag, auch immer wieder im Büro war, denn sonst hätte ich nicht einmal ein einziges Wort mit jemanden wechseln können an diesem Vormittag.
Vielleicht hatte dann wenigstens er einen Kunden, als ich kurz vor Mittag noch schnell zum Bäcker an den Hauptplatz vor ging, um Brot fürs Wochenende zu kaufen, denn sonst hätten wir den Laden an diesem Tag erst gar nicht aufsperren müssen.
Aber als ich dann beim Bäcker an der Theke stand, sah mich eine ältere Frau, ich kannte sie lediglich vom Sehen her, fragend und verächtlich ansah und zur Verkäuferin, dies war übrigens die Lebensgefährtin – wenn man das so bezeichnen kann – von meinem Bruder, meinte,
„was ist denn da schon wieder los!“
Worauf diese mit einem leichten Lächeln meinte,
„des ist, als würde ein Schalter umfallen!“
Mehr hatte sie dazu nicht gesagt. Was mich auch nicht weiter wunderte, denn für einen Tratsch darüber ist an einem Tag, wenn ich nicht da bin, noch genügend Zeit und die würde spätestens am Montag, oder Mittwoch gekommen sein.
Eines war mir mittlerweile klar geworden. Dieses Theater muss ich einfach in den Griff bekommen, andernfalls würde ich wohl einen nicht nur einsamen Sommer, sondern auch einen mehr als anstrengenden und nervenaufreibenden Sommer erleben! – Und, ich habe noch überhaupt nichts getan! Lediglich mein Leben so geführt, wie ich es in den letzten Jahren immer führte, keine besonderen Vorkommnisse, nichts! Trotzdem war es für mich, als wäre ich nun regelrecht ein Aussätziger. Eine Person, welche hier einfach nicht erwünscht ist. Ein Fremdkörper, der nicht in diese Gesellschaft gehört. – Dies war allerdings wenige Tage zuvor noch ganz anders. Hatte sich doch dieses Theater interessanter Weise ab Anfang März zu legen begonnen und ich schon die Hoffnung hatte, dies hätte sich nun überhaupt wieder gelegt.
Ich war nun allerdings mehr als ratlos, was ich nun tun sollte. Denn womit dies zusammenhängt, das war mir klar. Aber wie ich dies nun in Griff bekommen sollte, dafür hatte ich keine Idee. Einfach den Kopf in den Sand zu stecken, das hätte ja auch nichts gebracht, denn dieses Theater, dieses Problem war ja da, egal was ich getan hätte. Und ohne Lösung dieses Theaters würde dies auch nicht aufhören!
Also blieb mir überhaut nichts anderes mehr übrig, als zu versuchen, abends wieder in dieses dämliche Lokal dieses „verrückten Wirts“ in Mondsee zu gehen, nur um zu versuchen, dieses Theater in Griff zu bekommen. Aber wie ich dies anstellen sollte, dafür hatte ich nun auch keinen Plan mehr. Denn war es früher so, dass ich überhaupt kein Problem damit hatte, nicht alleine in dieses Lokal gehen zu müssen, traf ich doch immer jemanden, der dort noch hingehen wollte, war mir nun klar geworden, dies würde wohl heuer niemand mit mir tun. Daher würde mir auch nichts anderes übrigbleiben, als dieses Problem selbst und alleine zu lösen. – Wobei ich allerdings immer noch nicht wusste, ob diese „Silly“ dieses Jahr überhaupt hier ist!
Also fuhr ich am Abend erst einmal nach Mondsee und ging dort in das Lokal im „Schloss“, welches bis Ostern des Vorjahres noch dieser Ralph T. führte. Und kaum ging ich in dieses Lokal, da stand auch Ralph T. mit seiner Freundin, mit welcher er seit dem letzten Jahr zusammen war, an der Ecke, gleich hinter dem Eingang. Dies war das erste Mal, dass ich ihn wieder getroffen hatte, seitdem er dieses Lokal aufgegeben hatte. Trotzdem wusste er über dieses Theater bestens Bescheid, lachte auch noch mit seiner Freundin darüber – aber, er unterhielt sich wenigstens mit mir. Ganz im Gegenteil zu den anderen Gästen, für welche ich seit einem Tag wie ei Fremdkörper war, obwohl ich die meisten schon ewig kannte. So konnte ich wenigsten ihm etwas klar machen, dass ich dieses Theater mit dieser „Silly“ eigentlich gar nicht so tragisch sehen würde, schließlich ist dies ihre Sache was sie tut, und meine Sache was ich tue. Selbst seine Freundin meinte noch, wenigstens mein Strahlen hätte ich deshalb noch nicht verloren. Wobei, warum auch!
Ralph T. hatte allerdings, während dieser Plauderei, einen Satz fallen lassen, welcher mich dann doch etwas nachdenklich stimmte, als er da meinte,
„ich hab‘ Dir ja gesagt, Du sollst in die Flachau fahren!“
Was ich ja auch tat. Bin ich doch im Winter beinahe ohnedies jedes Wochenende zum Schifahren in die Flachau (so spricht der Einheimische) gefahren, wenn auch meist eben nach Flachauwinkel. Mir war auch sofort klar, was er damit meinte. Denn schließlich arbeitete dort im Winter letzten Jahres eine seiner Aushilfen, noch dazu jene, welche mir am Karsamstag des Vorjahres diese „Silly“ im Lokal des „verrückten Wirtes“ hier in Mondsee, spät nachts um vier Uhr beim Nachhause gehen, vorstellte. Es war eben eine Anspielung, deren Aussage klar und deutlich war.
Also, mittlerweile war mir auch klar, dieses Theater hätte ich auch trotzdem am Hals gehabt, wäre ich letztes Jahr im Sommer kein einziges Mal mehr im Lokal des „verrückten Wirtes“ gewesen! Also, es blieb einfach nichts anderes übrig, als dieses Problem zu lösen. Wobei einen Weg zur Lösung, den hatte ich nun wieder überhaupt nicht mehr. Denn als die beiden gingen, blieb ich noch eine Weile in seinem ehemaligen Lokal, stand allerdings wie ein Aussätziger am Rande und es schien auch nicht so, als würde sich noch jemand mit mir unterhalten wollen. Allerdings, ob diese „Tussi“, so dachte ich bereits gelegentlich über diese „Silly“, heuer überhaupt wieder hier ist, das wusste ich immer noch nicht!
Daher blieb mir nichts anderes übrig, als auch dieses Jahr wieder in dieses Lokal des „verrückten Wirtes“ zu gehen, auch wenn ich dies schon letztes Jahr überhaupt nicht mehr wollte. Und dabei würde mir allerdings nichts anderes übrigbleiben, als dies alleine zu tun! Womit ich zwar grundsätzlich kein Problem hätte, hier schient dies allerdings nun alles etwas anders zu sein. Ich nahm mir also vor, nun gleich an den ersten Tagen, nachdem dieses Lokal heute „Saisoneröffnung“ hatte, wieder aufzusuchen, allerdings keinesfalls heute.
Wenigsten kam ich relativ früh an diesem Abend wieder nach Hause in meine Wohnung in Salzburg. Nun stand mir allerdings etwas für diesen Sommer bevor – das war nun klar. Denn dies brauchte einfach eine Lösung, anders ginge dies nicht!
Von nun an habe ich mich nur mehr gefragt, wie kann es sein, dass sich erwachsene Menschen derart verrückt benehmen können und wie Tiere jemanden aus ihrer Herde drängen wollen. Der Mensch, wobei ich anzweifle, ob man diese Personen überhaupt als Menschen bezeichnen kann, scheint wohl doch ein Herdentier zu sein! Man kann diesen Personen ja auch nicht einmal aus dem Weg gehen, denn tritt man nur einen Schritt vor die Haustür, dann laufen sie einem schon über den Weg.
(2019-07-12)