Salzburg, Donnerstag, der 10. August 2000:
Nun war der große Tag der Angebotsöffnung für das Projekt beim Neu- und Umbau des Krankenhauses in Hallein gekommen. Um 12:00 Uhr sollte diese im großen Besprechungsraum der Finanzierungsgesellschaft Sabfinanz, welche auch die Projektsteuerung über hatte, stattfinden.
Doch aus dem Büro wollte niemand außer mir daran teilnehmen. Zu groß waren die Befürchtungen, die Gerüchte, die Angebotspreise würden deutlich über dem Budget liegen, könnten wahr sein. Weder der Chef Walter H. noch der zweite Chef im Büro, Rudi K., dessen Schwager, die beide vom Projektsteurer Karl-Heinz Sch. zur Teilnahme noch extra aufgefordert wurden, wollten daran teilnehmen. Denn auch dem Projektsteurer kamen diese Gerüchte zu Ohren. Weshalb es bereits riesen Wirbel im Büro gab. Daher meinte Christa K., unsere Chefin, als ich mich gegen halb 12 Uhr auf den Weg begab, ich sollte eben erst einmal alleine daran teilnehmen. Herr Sch. würde mich schon nicht zu sehr deshalb niedermachen.
Ich allerdings hatte keine Bedenken. Denn schon bevor ich das Leistungsverzeichnis zur Veröffentlichung abgegeben habe, kamen diese Gerüchte auf. Weshalb ich den Kostenanschlag, also das mit Schätzkosten versehene Leistungsverzeichnis, besonders genau erstellte. Ziemlich genau dreißig Millionen Schillinge waren zuletzt, nach allen Kürzungen im Projekt, an Budget für die Elektrotechnik vorgesehen und mein Kostenanschlag lag bei ziemlich genau 29,7 Millionen Schillingen. Daher hatte ich die ganzen Aufregungen wegen dieser Gerüchte nicht verstanden. Wobei ich, zugegeben, nicht ganz unschuldig daran war, dass diese Gerüchte bis zuletzt aufrecht blieben. Aber, wie ich meine, aus gutem Grund. Denn es hatte mich nur ein einziger Bieter zum Budget bei diesem Projekt angerufen und das war Herr S. von Siemens Anlagentechnik 3 aus Salzburg. Den kannte ich allerdings bereits seit Beginn meiner beruflichen Tätigkeit 1990 und hatte dabei auch meine, wie viele andere, vor allem ehemalige Mitarbeiter, schlechten Erfahrungen mit ihm gemacht.
Weshalb ich gerade ihm zum Budget des Projektes überhaupt keine Auskunft erteilen wollte. Was zudem auch strengstens untersagt war und mir meinen Job gekostet hätte, wäre dies vielleicht danach auch noch aufgekommen. Schließlich handelte es sich bei diesem Projekt um ein Projekt der öffentlichen Hand. Weshalb das Bundesvergabegesetz penibelst einzuhalten war. Gerade das und eben das Budget waren dem Projektsteurer, Herrn Karl-Heinz K., besonders wichtig.
Dabei kam mir eben zugute, dass ich in der Zeit bei ABB von 1990 bis 1995 unzählige Angebote kalkuliert hatte. Auch für dieses Projekt des Neubaus des Krankenhauses in Hallein hatte ich einst, bevor das Projekt auf Eis gelegt wurde, da es keine gesicherte Finanzierung mehr gab, ein Angebot erstellt. Damals kam ich auf gut 58 Millionen Schillig und lag nur knapp über dem Bestbieter mit 56 Millionen Schilling an zweiter Stelle. Damals war dieses Projekt allerdings auch noch deutlich größer.
Zudem konnte ich bei der Erstellung des Kostenanschlages auf eine sehr umfangreiche Preisdatenbank von allen nur erdenklichen Bietern im Büro zugreifen, was ich zum Abgleich meiner eigenen Kalkulation für den Kostenanschlag nutzte. Daher hatte ich überhaupt keine Bedenken, mein Kostenanschlag könnte nicht passen.
Aber Herr S. erzählte mir dabei, als er mit mir über das Budget für dieses Projekt sprechen wollte, er hätte gehört, 44 Millionen Schillinge wären dafür vorgesehen. Nachdem er sich jedoch die Ausschreibung genauer angesehen hatte, wäre er auf eine Summe von 36 Millionen Schillingen gekommen und da ließ ich es mir nicht nehmen, ihm im Glauben zu lassen, dies könnte auch die aktuelle Budget Zahl für das Projekt im Bereich Elektrotechnik sein. Ich habe ihm einfach klar nicht widersprochen, mehr nicht. Weshalb er wohl annahm, dies müsste es sein. Weshalb danach diese Zahl auch noch gerüchteweise kursierte, verstand ich überhaupt nicht. Aber dies schien wohl der Art von Herr S. zu entsprechen. Was auch einer der Gründe war, weshalb er mir äußerst unsympathisch war und ich ihn nicht als Vertreter des möglichen Auftragnehmers haben wollte. Aber Siemens Anlagentechnik, Abteilung 3 aus Salzburg, war zudem auch der letzte auf der Wunschliste aller im Projekt beteiligten. Daher hatte ich mir dabei auch nichts weiter gedacht.
Kurz vor zwölf Uhr mittags kam ich dann im Büro der Sabfinanz an und wurde von einer Mitarbeiterin gleich in den großen Besprechungsraum geführt, in welchem schon Herr Karl-Heinz Sch. wartete. Zwar handelte es sich um eine nichtöffentliche Angebotseröffnung, aber trotzdem wurde das Prozedere einer Angebotseröffnung penibelst eingehalten. Mit Schriftführer und Beisitzendem, der in diesem Fall eben ich war.
Karl-Heinz Sch. begrüßte mich zuerst noch ganz zurückhaltend, fragte noch nach, ob sonst noch jemand aus unserem Büro kommen würde. Aber da ich dies verneinte, meinte er mir noch eine Predigt halten zu müssen, sollten sich die Gerüchte, die Angebotspreise würden deutlich über dem Budget liegen, was danach alles auf uns zukommen würde. Ich allerdings war mir sicher, dass alles in Ordnung sein würde. Wobei man allerdings nie sicher sein konnte. Denn ein etwas mulmiges Gefühl hatte ich schon im Magen. Kannte ich doch Herrn Sch. mittlerweile und wusste, wie und vor allem in welchem Ton er reagieren konnte, lief etwas nicht nach seinen Vorstellungen. Herr Karl-Heinz Sch. war eben berüchtigt dafür, Projektbeteiligte richtig klein und niedermachen zu können, wenn etwas nicht passt, sodass sie danach regelrecht aufrecht durch eine geschlossene Tür hüpfen konnten.
Punkt zwölf Uhr begann dann die Angebotseröffnung. Und das erste Angebot war gleich jenes der Siemens. Noch dazu mit einer Angebotssumme über 36 Millionen Schillig, was mir schon ein Schmunzeln entlockte. Denn Herr S. schien wirklich reingefallen zu sein.
Aber dann kam das zweite Angebot. Noch dazu jenes Bieters, der gerade vom technischen Konsulenten Herrn W., der das Projekt aufgrund seiner umfangreichen Erfahrung im Bereich der Errichtung und Sanierung von Krankenhäusern begleitete, als Wunschkandidat für die Auftragserteilung genannt wurde, die VA Tech Elin EBG aus der Niederlassung in Klagenfurt. Dabei sah ich Herrn Sch. genau zu, wie er die Angebotssumme verlesen hatte. Denn schon als er die erste Summe nannte, sah man ihm eine deutliche Entspannung im Gesicht an, da sich offenbar die Gerüchte doch nicht bestätigen würden.
Nun las er die Summe des zweiten Bieters vor. Diese lag knapp unter 29,6 Millionen Schilling. Also knapp unter meinem Kostenanschlag von 29,7 Millionen. Genau waren es 0,2 % darunter. Und dabei war nun Herrn Karl-Heiz Sch. nicht nur eine noch deutlichere Entspannung anzusehen, sondern auch ein erfreutes Lächeln, was ich zuvor noch nie von ihm gesehen hatte.
Die restlichen Angebote las er danach lediglich nur mehr beinahe teilnahmslos vor und ließ dies von seiner Mitarbeiterin protokollieren. Danach kam er zu mir, lächelte mich noch viel freundlicher als zuvor an und gab mir zum Abschied noch die Hand. Aber richtig.
Von diesem Augenblick an kam ich mit Herrn Karl-Heiz Sch. bestens bis zum Ende des Projektes aus!
(2022-12-07)