Unterach, der 4. September 1998:
Irgendwann hatte ich mir angewohnt, mich mindestens an einem Abend in der Woche zu meiner Mutter ins Wohnzimmer zu setzen und mich mit ihr zu unterhalten. Über was auch immer. Ich wollte einfach wissen, wie es ihr geht, was sie bewegt, wie sie über dies und das denkt. Denn manchmal schien es, als würde sie sich wieder richtig erholen, sie wieder neuen Lebensmut schöpfen. Als wäre es nur eine Kleinigkeit, welche sie überwinden müsste, damit sie sich wieder erfängt. Aber manchmal war dies mindestens so schnell wieder weg, wie es gekommen war.
Als ich zu ihr ins Wohnzimmer kam, mich auf den Sessel setzte, um mit ihr ein Gespräch zu beginnen, da meinte sie diesmal plötzlich,
„tu‘ Was, sonst machen die Dir alles hin! (sic.)“
Ich dachte mir zwar gleich was sie meint. Denn mit dieses „tun“ ist der Kontakt zwischen Menschen verschiedenen Geschlechtes gemeint. Eine Wortwahl, über die ich mich schon damals köstlich amüsiert habe.
Aber da ich mir nicht ganz sicher war, hatte ich zunächst vorsichtig nachgefragt. Schließlich hatte ich im Dorf Tratsch schon oft vernommen, ich würde ja nicht tun, und es schien, als wollte sie nun mit mir darüber reden. Worüber ich auch gar nicht abgeneigt war.
Ich hatte auch gleich recht mit meiner Annahme. Daher bin ich mit ihr damit auch gleich ins Gespräch eingestiegen. Schließlich hatte ich dies für meinen Geschmack schon viel zu oft über mich im Dorf gehört, aber dies entsprach einfach nicht der Realität. Denn, wenn es im Dorf einmal etwas lustiger wurde, in irgendeinem Lokal, bei irgendeinem Fest, oder sonst irgendwo, dann spielte es plötzlich überhaupt keine Rolle mehr, dass ich sonst auch gerne als Herumtreiber angesehen und bezeichnet wurde. Also genau dem Gegenteil, was mir in diesem Fall vorgeworfen wurde. Und dies fand ich dann doch immer wieder seltsam. Einmal so, dann wieder ganz anders. Gerade wie es eben passt. Wobei keines der beiden wirklich den Tatsachen entsprach.
Allerdings hatte ich mir ach irgendwann angewohnt, mich aus dem Dorf, gerade von diversen Personen, aber auch ganzen Gruppen, fernzuhalten. Wobei dies schon einige Zeit, genauer gesagt, ganze fünf Jahre her ist. Denn im Sommer 1993 hatte ich dieses Erlebnis mit einer jungen Dorfbewohnerin, Karin U., zu welcher ich offenbar zu wenig Abstand gehalten hatte, sie dann allerdings nicht mehr los wurde. Bis sie endlich mit Stefan Ü. einen anderen gefunden hatte und ich darüber richtig erleichtert war. Allerdings ging damals dann das Problem mit ihr richtig los. Denn der Zeitpunkt, als ich sie endlich loszuwerden schien, lag nun ziemlich genau fünf Jahre her. Es war Ende August 1993. Allerdings war im Juni des folgenden Jahres plötzlich ein Kind auf der Welt und die Beziehung mit Stefan Ü. längst Geschichte.
Das wäre eigentlich noch nicht wirklich ein Problem. Schließlich soll dies schon mal vorkommen. Doch das Problem lag darin, dass gerade die Wirtin des Weinschänke am Dorfplatz, die Lebensgefährtin von Andreas M., sich bis Ende Sommer 1993 dafür rühmte, nun mich mit Karin U. zu verkuppeln. Allerdings funktionierte dies nun nicht mehr, und das schien den beiden in der Weinschänke nun auch klargeworden zu sein. Weshalb seit Mitte 1994 die Stimmung zwischen mit und den beiden zunächst etwas getrübt war, sich das ganze allerdings mittlerweile zu einem richtigen Konflikt entwickelt hatte, und sich zudem längst nicht mehr auf die ursprünglich drei Personen beschränkte, sondern daraus eine richtige Gruppe wurde, bei der es mit jedem einzelnen nun so weit gekommen war, dass jederzeit ein richtiger, heftiger und offener Streit daraus werden könnte.
Meine Mutter schien sich darüber regelrecht zu amüsieren. Schließlich kannte sie diese Geschichte ja. Hatte sie mir doch schon damals, längst vor dem Jahr 1993, gesagt, mit dieser Frau sollte ich irgendwann einmal etwas unternehmen, denn sonst würde ich sie nie mehr loswerden. Allerdings wusste sie offenbar nicht, wieweit daraus mittlerweile schon fast ein offener Streit geworden war.
Im Zuge dessen wird mir eben immer wieder einmal, gerade von dieser Truppe um die Weinschänke am Dorfplatz, meinen „Freunden“, wie ich sie schon damals bezeichnet habe, vorgeworfen, ich würde eben nicht „tun“. Denn irgendwie, so schien mir, muss es ja eine Erklärung geben, weshalb ich diese junge Frau aus dem Dorf verschmäht habe.
Ähnlich würde zudem auch in diesem „Sigi’s Pub“ über mich gesprochen werden. Wobei ich dort allerdings nicht wüsste, woher dies kommen könnte. Denn dort hielt ich mich schon sehr lange aus allem draus.
Ganz anders sähe dies allerdings aus, wenn es dann doch plötzlich den Anschein hätte, als würde ich doch irgendwo „tun“. Denn dann hieß es da plötzlich über mich, ich wäre ohnedies nur ein Herumtreiber, der nichts Gescheites, also nichts Ernstes, vor hätte.
Jedoch gäbe es dann auch noch ganz andere für mich höchst seltsame Erlebnisse im Dorf für mich. So wie in diesem Sommer. Worauf ich meiner Mutter die Geschichte mit „Michi“ in diesem Sommer erzählte. So erzählte ich auch ihr den Verlauf des Tages samt Vorgeschichte an diesem Kunsthandwerker Mark und, vor allem, wie dieser endete. Ich sie danach allerdings nirgends im Dorf mehr zu sehen bekommen hatte, bis sie mir „endlich“ am Wochenende nach dem Seefest als Trophäe präsentiert wurde. Was allerdings nicht lange angedauert haben konnte, traf ich sie doch danach letztes Wochenende am Sonntagabend nach dem Kirtag schon wieder alleine. Wobei wir an diesem Abend ausgemacht hatte, nächsten Samstag würde sie noch einmal für zwei Wochen hierherkommen. Wobei ich noch gespannt bin, ob dies dann auch tatsächlich der Fall sein werde. Oder ob ihnen da nicht auch wieder etwas einfällt, um auch dies zu verhindern. Denn in der ganzen Zeit, in welcher ich sie nicht zu Gesicht bekommen hatte, schien sie regelrecht belagert worden zu sei.
Meine Mutter hörte mir die ganze Zeit über aufmerksam zu, wobei sie zuletzt meinte,
„naja, es hieß schon immer, man sollte sich vom Gastgewerbe im Dorf fernhalten!“
Das fand ich zudem äußerst bemerkenswert, hatte sie doch selbst einst, bevor sie meinen Vater geheiratet hatte, auch einmal eine Zeit lang im Gastgewerbe gearbeitet. Noch dazu in einem im Dorf berühmt berüchtigten Gasthaus, dem Goldenen Anker.
Ich meinte dazu nur, in den Jahren 1991, 1992, bis vielleicht Mitte 1993 hätte ich dies niemals gedacht. Denn da gefiel es mir regelrecht im Dorf – mit einzelnen Ausnahmen. Aber mittlerweile weiß ich das auch. Allerdings brächte es nichts, wenn ich mich nun einfach davon fernhalte. Denn dies käme einem Weglaufen gleich und zudem, dann würde ich ihnen bei ihren Intrigengeschichten nur freien Lauf geben. Worauf ich mich bei ihr verabschiedete und meinte, ich würde nun in die Weinschänke am Dorfplatz gehen. Schließlich möchte ich derzeit gar nicht wirklich fortgehen, denn dann würde ich ihnen nur wieder einen Vorwand liefern, um gegen mich zu intrigieren, sollte „Michi“ nächstes Wochenende kommen.
Nun ging ich also noch in die Weinschänke am Dorfplatz. Es war mittlerweile beinahe elf Uhr abends geworden. Daher dachte ich mir, dieser Abend würde ohnedies nicht mehr lange dauern. Die Gehstiege sind, nach dem Kirtag, nun wieder hochgeklappt, das Wetter war mittlerweile auch schlecht geworden, sodass an ein Baden im See auch nicht mehr zu denken war, daher hatte ich dort auch nicht viele Leute erwartet.
Das war dann auch so. Jedoch traf ich dort meinen Bruder, der mit seiner neuen Eroberung aus dem Sommer, einer der Kindergärtnerinnen im Dorf, am großen Tisch unter der Bar saß. Die beiden schienen sich ebenfalls gerade über unsere privaten Angelegenheiten und das Unternehmen unterhalten zu haben, daher passte es auch gut, als ich mich zu beiden an den Tisch setzte. Hier störte ich also nicht.
Doch aus dem kurzen Abend, den ich eigentlich erwartet hatte, wurde nichts. Bis spät in die Nacht bin ich mit beiden am Tisch gesessen und wir hatten und unterhalten. Doch plötzlich meinte mein Bruder, nachdem ich ihm erklärt hatte, mir nun wieder eine Vollzeitbeschäftigung suchen zu wollen, da dies mit Helmut Sch. und seinem Ingenieurbüro ohnedies nicht lange gutgegangen war,
„machen wir ein Wettrennen! Beide suchen wir uns eine neue Arbeit und wer als erster einen neuen Job hat, der nimmt diesen an und der andere übernimmt dann das Unternehmen zu Hause!“
Nun dachte ich mir, ich höre wohl nicht recht! Wusste zunächst gar nicht, was ich darauf sagen soll. Aber dann habe ich ihm erklärt, so machen wir das auf keinen Fall. Denn da spiele ich nicht mit. Schließlich könnte es ja sein, dass ich in nächster Zeit einen neuen Job bekommen würde, er dann allerdings einfach schnell seinen ehemaligen Job am Gemeindeamt wieder aufnehmen könnte, und würde danach dumm dastehen. Schließlich muss müsste man schon wissen, worauf man sich einstellen soll. Ich hätte kein Problem damit, das Unternehmen auch alleine zu übernehmen. Auch dafür hätte ich schon einen konkreten Plan. Aber auf diese Weise würde ich dabei nicht mitspielen. Er sollte mir erklären, ob er das Unternehmen weiterführen möchte, wovon ich bisher durch sein Handeln ausgegangen war. Wenn ja, dann suche ich mir wieder einen Vollzeitjob, denn das Unternehmen würde ohnedies zwei Familien nie ernähren können. Wenn nein, dann übernehme eben ich alleine das Unternehmen.
Ich war danach richtig sauer über seinen Vorschlag. Zahlte und ging nach Hause. Schließlich hatte ich am Vormittag wieder meinen „Geschäftsdienst“ und es war mittlerweile längst zwei Uhr nachts geworden.
(2022-08-20)