Unterach, Samstag, der 15. August 1998:
An diesem Abend fand in meinem alten Heimatdorf das große Saison Highlight statt. Das Seefest mit großem Klagfeuerwerk. Die ganze Saison in diesem Dorf dreht sich eigentlich um dieses eine Fest. Warum auch immer. Es ist nicht mehr als ein ganz einfaches Fest, wie es unzählige in dieser Form gibt. Es beginnt am Nachmittag, meist gegen vier Uhr nachmittags. Wobei allerdings nicht viel mehr an Attraktionen gibt als aufgestellte Biertischgarnituren, an denen man sich meist selbst versorgen muss, da das Service nicht gerade vorbildlich ist. Gegen sechs Uhr abends wird das Fest dann offiziell mit dem Einmarsch der Ortsmusikkapelle und ein paar Begrüßungsworten durch den Bürgermeister eröffnet. Danach spielt eine niemanden bekannte volkstümliche Kombo aus der Umgebung, bis endlich um 21:45 Uhr das große Klangfeuerwerk abgefeuert wird. Wobei dies einfach das wichtigste am Fest überhaupt ist. Denn sollte das Wetter auch nur in irgendeiner Weise einem Feuerwerk entgegenstehen, dann wird schon mal das ganze Fest verschoben. Dies dauert allerdings meist auch eine halbe Stunde. Wobei das Fest danach weitergeht, wie zuvor. Jedoch kann einem ab elf Uhr abends dann schon mal passieren, dass einem die Bank unter dem Hintern weggezogen wird, da längst mit dem Abbau begonnen wurde. Verdient wurde zu dieser Zeit meist längst genug, weshalb sollte man sich danach noch mit einigen Sitzenbleibern herumschlagen.
Allerdings etwas Gutes hat dieses Seefest in meinem alten Heimatdorf. Zumindest war dies so, solange ich dort noch regelmäßig war. Man trifft dabei Leute, welche man sonst so gut wie nie im Dorf zu sehen bekommt. Oft war es sogar so, dass viele nur deshalb an diesem Wochenende extra ins Dorf „nach Hause“ kamen, nur wegen diesem Seefest.
Auch ich hatte gehofft, an diesem Fest jemanden zu treffen, wen ich schon sehr lange nicht mehr gesehen hatte. Denn dieser Sommer war, wie ich es schon Anfang Juli befürchtet hatte, bisher einfach eine Katastrophe. Zumindest in diesem Dorf. Daher hoffte ich, wenigstens an diesem Abend jene junge Frau vielleicht doch noch einmal zu treffen, welche ich Anfang Juli, am Tag dieses Kunsthandwerker Marktes, am späten Abend noch in diesem „Sigi’s Pub“, etwas außerhalb des Dorfes, getroffen hatte. Die „Michi“, welche unbedingt von mir nach Hause gebracht werden wollte. Wobei dieser Abend ein etwas unrühmliches Ende genommen hatte, da ich eben schon den ganzen Tag unterwegs war und ich ihr deshalb ihren Wunsch nicht erfüllen konnte.
Ich hatte sie eigentlich danach nicht mehr im Dorf gesehen. Lediglich zwei, drei Tage später, wieder in dieser Kneipe. Jedoch war sie da mit anderen Leuten unterwegs. Einmal noch, als sie mit dem Fahrrad durchs Dorf geradelt war, und ich gerade das Haus verlassen hatte. Aber da hätte ich ihr regelrecht hinterherrufen müssen, was auch nicht meine Art ist. Sonst war sie wie vom Erdboden verschwunden. Dabei dachte ich mir noch Anfang Juli, eigentlich müsste man sich alle paar Tage über den Weg laufen. Aber das war einfach nicht der Fall. Daher hoffte ich, sie nun an diesem Abend, da ohnedies das ganze Dorf auf diesem Fest ist, hier zu treffen. Denn jener Abend Anfang Juli war mir mittlerweile richtig zu blöd.
So war auch ich an diesem Abend ab acht, halb neun Uhr, auf diesem Fest. Sah mir dann auch glatt die große Sensation des Abends, das Klang Feuerwerk an, wobei ich dafür auch noch extra zum See nach vorne ging, und hoffte, wenigstens sie noch einmal zu treffen.
Als ich mich dann nach dem Feuerwerk, es war bereits fast halb elf Uhr abends geworden, mit den Maßen wieder zurück aus dem Strandbad zurück ins Festgelände begab, sah ich dort zwei ehemalige Schulkollegen aus meiner Zeit in der Hauptschule in Mondsee, Fritz B. und Eugen M. Beide traf ich auch sonst hin und wieder in Mondsee. Vor allem Fritz B. Daher war ich froh, beide zu treffen, denn bisher war der Abend für mich zum Vergessen.
Doch bei beiden stand auch noch eine junge Frau aus dem Dorf, Eva K., die offenbar ebenfalls sehr häufig in Mondsee anzutreffen war. Daher kannten sich die drei scheinbar auch sehr gut. Nun ging ich zu den dreien und unterhielt mich mit ihnen. Tranken danach auch noch ein weiteres Glas, bis Fritz B. und Eugen M. meinten, sie würden wieder nun nach Mondsee aufbrechen und fragten auch Eva K. und mich, ob wir nicht gleich mitkommen möchten, denn dort würden wir uns heute Abend ohnedies noch treffen. Aber ich meinte, vielleicht würde ich noch nach Mondsee kommen, zuvor möchte ich allerdings noch etwas hierbleiben. Auch Eva K. meinte, sie möchte zunächst er „zu ihren Leuten“ an den Tisch gehen. Vielleicht etwas später. So brachen die beiden ohne uns auf und Eva K. und ich blieben zurück.
Da fragte mich Eva K.,
„und was machen wir beide nun?“
Wobei sie allerdings sofort ergänzte, ob ich nicht mit ihr zu „ihren Leuten“, ihren Freunden aus dem Dorf, kommen möchte. Weshalb ich mir dachte, warum nicht.
Eva K. und ihre Freundin Angelika P. hatte ich doch bereits am späten Nachmittag, kurz nachdem das Seefest eröffnet wurde, schon einmal getroffen. Doch da meinte Eva K., sie möchte gerne an dieser großen, aufblasbaren Rutsche, wie sie es neben Hüpfburgen gerne für Kinder aufgebaut werden, wie sie diesmal am Rasen im Strandbad aufgebaut wurde, rutschen. Etwas irritiert wusste ich zunächst nicht recht was ich sagen, geschweige denn tun soll, denn aus diesem Alter hätte ich Eva K. mit ihren zwanzig Jahren nun doch entflohen gesehen. Aber dann dachte ich mir, manchmal kann man auch gerne mal jeden Blödsinn mitmachen, weshalb nicht auch diesen. Doch kaum waren wir zwei, dreimal gerutscht, da waren plötzlich beide wie vom Erdboden verschlugen. Aber so hatte ich Eva K. bisher auch bestens in Erinnerung. Sobald eine Hüpfburg oder dergleichen irgendwo aufgebaut wurde, was sie als Kind dort sofort zu sehen.
Deshalb war es mir auch ganz recht, wenn ich nun wieder auch mit Angelika P. zusammentreffen würde. Schließlich fand ich die Aktion vom Nachmittag doch etwas seltsam. Da ich selbst ohnedies noch hier auf dem fest bleiben wollte, wäre dies zudem zusätzlich gar keine schlechte Idee.
Doch als wir nun gemeinsam zu deren Tisch unterwegs waren, meinte Eva K. plötzlich, sie möchte noch gerne eines dieser Bratwürstel, welche an diesem fest so groß angepriesen werden, bevor der Grill weggeräumt werde. Daher bogen wir ab und gingen eben Richtung der Ausgabe dieser Bratwürstel. Wobei Eva K. allerdings meinte, dazu könnten wir beide uns einen eigenen Tisch suchen, um dort erst zu essen. Weshalb einen Tisch besetzten, ich etwas zu trinken bestellte und Eva K. diese Bratwürste besorgte.
Aber kaum war sie mit den Bratwürsten wieder zurück am Tisch, war es plötzlich aus mit der Konversation. Sie sprach einfach nicht mehr mit mir. Saß nur da und aß ihre Bratwürste. Ich wusste auch nicht, was nun geschehen war, das sah einfach seltsam aus. Wir beide an einem Tisch zu zweit, ringsherum leerten sich längst die Tische, und es fiel einfach kein Wort mehr. Bis sie aufgegessen hatte und dann einfach aussprang, den Tisch verließ und alleine, ohne ein Wort zu verlieren, zum Tisch „ihrer Leute“ ging.
Nun saß ich richtig doof da! Wusste einfach nicht, was nun geschehen war. Vielmehr, ich wusste nicht, wie mir geschehen war. Denn nun saß ich da, wie der größte Idiot! Wobei ich nicht einmal wusste, weshalb. Was nun geschehen war.
Daher bleib ich zunächst einfach sitzen und trank mein Getränk aus. Danach fragte ich mich, was ich nun tun sollte. Denn, um an diesem Abend noch nach Mondsee zu fahren, dafür hätte ich nun wahrscheinlich zu viel getrunken. Aber hier zu bleiben, nachdem ich nun dasaß, wie der größte Depp, das schien mir auch nicht gerade das Beste zu sein.
Weshalb ich mir dachte, ich gehe nun erst einmal in diese Weinschenke am Dorfplatz. Vielleicht auch nur, um dort erst einmal etwas Abstand von dem gerad Erlebten zu bekommen. Aber dort waren beinahe alle Tische leer und an der Schirmbar war ebenfalls niemand anzutreffen. Daher ging ich dort gleich wieder. Denn das Verhältnis mit den Wirtsleuten war, aus meiner Sicht, zu angespannt, um dort völlig unbegründet zu bleiben. Noch dazu, wenn sehr wenig los ist.
Also ging ich wieder zurück auf das Festgelände. Denn eigentlich hätte ich gehofft, an diesem Abend „Michi“ dort zu treffen. Aber als ich dorthin zurückgekommen war, war das fest beinahe schon zu Ende.
Doch da lief mir einer der ehemaligen Mitarbeiter in unserem Unternehmen im Dorf, Christian D., über den Weg, der als Mitglied der Wasserrettung ebenfalls zu den „Freiwilligen“ des Veranstalters des Festes gehörte. Voller Laune und leicht angetrunken meinte er zu mir, ich sollte ihn schnell an die Bar im Strandbad begleiten, da er gerne mit mir etwas trinken möchte. Also begleitete ich ihn, denn ich war ja immer noch in der Hoffnung, an diesem Abend jemanden am Fest anzutreffen.
Da meinte er plötzlich zu mir, ich sei ja „ganz ordentlich“, wie er es nannte, im Dorf „unterwegs“. Überall hätte ich „eine“ – also ein Mädchen, „laufen“. Worauf ich ihn ziemlich erstaunt fragte, wie er denn darauf kommen würde und ihm dazu erklärte, er hätte mich doch zuvor plötzlich ziemlich dumm alleine an einem Tisch sitzen gesehen. Aber er nur,
„naja, die Eva K.“
Aber sonst!
Dazu konnte ich ihm allerdings nicht viel erzählen, denn dieses Dorf war zuvor für mich eine Katastrophe und dieser Abend, ja der ganze Sommer noch viel mehr.
Er musste danach wieder zurück an die Arbeit. Daher stand ich nun schon wieder alleine da. Ohne irgendeine Aussicht, jene Person, die ich an diesem Abend eigentlich antreffen wollte, tatsächlich anzutreffen.
Daher verließ ich danach das Fest. Ordentlich frustriet, da ich noch nicht so recht wusste, wie mir heute geschehen war. Diese Kneipe „Sigi’s Pub“ wollte ich an diesen Abend erst gar nicht mehr besuchen, denn sonst hätte ich heute gleich noch einmal das gleiche Problem, wie schon am Abend nach dem Kunsthandwerker Markt.
So hätte ich mir den Abend wirklich nicht vorgestellt. Und zudem, der Sommer dauerte nicht mehr lange. Gerade noch zwei Wochen, dann ist wieder alles vorbei.
(2022-08-13, 2022-09-14)