Salzburg, Montag, der 31. August 1998:
Für diesen Vormittag hatte mich Helmut Sch., der Chef dieses Ingenieurbüros, für welches ich in den letzten zweieinhalb Jahren als freier Mitarbeiter gearbeitet hatte, in das Büro bestellt, um mit mir darüber zu sprechen, wie es denn nun mit dem neuen Projektweitergehen sollte. Ich war ganz froh darüber, dass er sich mit mir nicht gleich am Morgen treffen wollte, denn der Vorabend, der Kirtag in meinem alten Heimatdorf, hatte dann doch noch etwas länger gedauert. Er meinte zu mir, als ich letzte Woche mit ihm telefonierte, ich sollte am Vormittag ins Büro kommen, denn er wäre ohnedies den ganzen Tag im Büro, da er alleine im Büro wäre. Die Sekretärin Evelyn St., die zwar ohnedies nur halbtags beschäftigt war, schien im Urlaub zu sein.
Aber kurz nach neu Uhr begab ich mich dann doch auf den Weg nach Salzburg, wo ich dann um zehn Uhr ankam. Doch da staunte ich schon mal nicht schlecht, als Helmut Sch. richtig vorwurfsvoll meinte,
„sind Sie jetzt da!“
Worauf ich ihm erst einmal erklärte, weshalb ich nun erst ins Büro kam, lag dies doch an seiner eigenen Aussage!
Doch dann erklärte er mir, mit diesem neuen Projekt, der Planung für ein Studentenwohnheim in der Parallelstraße zur Linzer Gasse in der Innenstadt, würde es nicht werden. Denn zu diesem Auftrag meinte er,
„den haben sie mir genommen!“
Worauf ich mehr als verwundert an dem kleinen gläsernen Besprechungstisch in seinem Büro saß und mir dachte, was soll das den für ein Blödsinn sein. Denn entweder hat man einen Auftrag oder eben nicht. Aber dass einem ein Auftrag genommen werden würde, bevor überhaupt nur irgendetwas daran getan wurde, das hatte ich noch nie gehört. Zudem brachte er es derart seltsam vorwurfsvoll mir gegenüber, als würde dies zudem etwas mit mir zu tun haben. Worüber ich noch viel mehr irritiert war.
Unmittelbar darauf begann er mit weiteren Vorwürfen mir gegenüber, als hätte ich mich von mir aus, wenn er nicht im Büro war, an den Empfangstresen seiner Sekretärin Evelyn St. gestellt, von mir aus Gespräche mit ihr begonnen, wobei ich regelrechte Schauergeschichten vorbringen würde, wie Frauen mich behandeln. Worauf ich noch viel mehr irritiert war und ihn schon beinahe fragen wollte, ob denn nun gerade deshalb Evelyn St. an diesem Tag nicht im Büro sei. Doch da auch der Kollege nicht im Büro war, konnte es nur an der Urlaubszeit liegen. Weshalb ich darüber kein Wort verlor.
Doch dieser Vorwurf war gänzlich falsch. Ich stand zwar beinahe jeden Tag, an welchem ich im Büro war, gerade zuletzt, meist mindestens einmal bei Evelyn St. am Tresen und unterhielt mich. Doch dass ich ihr dabei Schauergeschichten erzählt hätte, davon konnte wohl wirklich nicht die Rede sein. Vielmehr begann dies beinahe schon genau umgekehrt. Als mir Evelyn St. aus ihrem Leben erzählte, wie sie sich von ihrem Mann scheiden ließ und deshalb nun alleinerziehende Mutter war, ihrem Mann danach allerdings sehr, sehr lange Zeit und letztendlich nur auf dem Rechtsweg erfolgreich um die Unterhaltszahlungen nachgelaufen war, da dieser plötzlich, wie vom Erdboden verschwunden schien und es auch auf dem Rechtsweg sehr lange dauerte, bis sein neuer Aufenthaltsort in Tirol ausfindig gemacht werden konnte. Dazu kam noch, dass ihr ehemaliger Mann selbstständig im Gastgewerbe tätig war, wobei sie, bevor sie in diesem Büro zu arbeiten begonnen hatte, dort für ihn tätig war und somit auch ihren Job verloren hatte.
Bei dieser „Geschichte“ fiel mir eben einer der beiden Wirtsleute im Lokal im Erdgeschoß meines Wohnhauses in Salzburg ein, wobei einer der beiden ebenfalls von einem Tag auf den anderen verschwunden schien und nie wieder auftauchte. Daher kam ich mit Evelyn St. ins Gespräch und gelegentlich erzählte ich ihr eben auch aus meinem Leben, von meinen Erfahrungen, welche ich bisher mit dem Gastgewerbe machte, aber auch von diversen seltsamen Frauengeschichten, bei welchem ich eben zu dieser Zeit noch nicht schlau wurde. Manchmal ging es dabei zudem um diverse Annäherungsversuche von Helmut Sch. bei ihr, welche sie allerdings nur sehr vorsichtig und andeutungsweise vorgebracht hatte, worüber wir und dann aber auch teilweise höchst amüsiert unterhielten.
Allerdings hatten wir, Evelyn St. und ich, dabei meist bestens unterhalten. Weshalb ich nun überhaupt nicht verstehen konnte, weshalb Helmut Sch. mit dies nun offenbar zum Vorwurf machte. Für mich schien es vielmehr, als benötigte Evelyn St. dabei meist Unterhaltung.
Richtig irritiert war ich danach allerdings, als er meinte, und dies, obwohl ich mich doch selbst nur herumtreiben würde! Wobei ich mich fragte, woher er überhaupt auch nur irgendetwas über mein Privatleben wissen möchte, denn mit ihm hatte ich mich diesbezüglich überhaupt nie unterhalten.
Dabei dachte ich mir nun aber, wenn nun auch er so mit mir und über mich zu sprechen beginnt, dann wäre es ohnedies besser, wenn ich von nun an nicht mehr für ihn arbeite. Denn gerade das kling nun genau so, wie ich dies aus meinem alten Heimatdorf kannte.
Nun hatte allerdings auch ich ein Anliegen, welches ich mit Helmut Sch. besprechen wollte. Denn ursprünglich, als ich im Frühjahr 1996 bei ihm zu arbeiten begonnen hatte, trafen wir eine Vereinbarung, bei welcher die durchschnittliche Arbeitszeit, welche ich für dieses Büro erbringen sollte, bei 100 Stunden im Monat betragen sollte. Doch davon konnte eigentlich nie die Rede sein, denn es gab kaum einen Monat, in welchem ich diese Anzahl an Stunden erreichte. Und gerade in den letzten Monaten vor dem Sommer sank diese Zahl gar auf nur mehr 20 Stunden im Monat. Ganz abgesehen davon, dass ich in den letzten beiden Monaten Juli und August gar nicht für dieses Büro tätig war. Daher wollte ich es schon zur Bedingung machen, dass die Anzahl der Stunden unbedingt wieder gegen 100 im Monat gehen müsse. Denn andernfalls würde sich meine Tätigkeit in diesem Büro nicht rentieren. Und parallel für ein anderes Büro tätig zu werden, das ginge eben einfach nicht.
Doch kaum hatte ich davon zu sprechen begonnen, schienen wir uns einig zu sein, dass wir von nun an getrennte Wege gehen werden. Worüber ich nun, nach dessen Vorstellung an diesem Vormittag, auch gar nicht mehr enttäuscht war. Schließlich hätte es so nicht weitergehen können. Somit war meine Tätigkeit für dieses Ingenieurbüro an diesem Tag zu Ende.
Richtig verärgert darüber, gerade über dessen Andeutungen, ich würde mich nur rumtreiben, seine Sekretärin mit Schauergeschichten regelrecht verängstigen, aber gerade von dessen Aussage, ihm wäre der Auftrag genommen worden, noch dazu mit den Andeutungen, ich wäre daran schuld, verließ ich noch lange vor Mittag das Büro.
Ich blieb allerdings noch etwas in Salzburg. Denn wirklich glücklich war ich darüber nicht. Schließlich würde ich es ausschließlich in meinem alten Heimatdorf einfach nicht aushalten. Das musste ich leider diesen Sommer leidvoll erfahren. Weshalb mir nun nichts anderes übrigbleiben werde, als mir eine neue Tätigkeit in Salzburg zu suchen.
Gegen 15 Uhr kam ich allerdings wieder in meinem alten Heimatdorf an. Schließlich sollte ich dort meinen Dienst im Laden antreten und diesen um 15 Uhr öffnen. Doch da traf ich noch meinen Bruder im Büro. Wobei mich dieser gleich regelrecht anfuhr und meinte,
„und hast Du das jetzt geklärt mit dem!“
Was ich nun ebenfalls etwas seltsam empfand. Denn schließlich stellte ich für dieses Ingenieurbüro meine Dienstleistung als Elektroingenieur zur Verfügung, welche danach stundenweise mit monatlichen Rechnungen über das Unternehmen abgerechnet wurde. Dies jedoch zu einem deutlich höheren Stundensatz, als sonst im Unternehmen zu erreichen gewesen wäre. Weshalb ich mich fragte, warum nun gerade er darüber erfreut schien, da dies nun geklärt und für mich zu Ende ist.
Ich hatte ganz einfach den Eindruck, als hätte Helmut Sch., entgegen unserer Vereinbarung, immer wieder, gerade in letzter Zeit, mit meinem Bruder telefoniert. Was auch immer dabei besprochen worden sein mag, abgesehen von rein Geschäftlichem.
(2022-09-20)